Aareschwimmen. Tony Dreher
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Читать онлайн книгу Aareschwimmen - Tony Dreher страница 8
»Kunstschmuggler? Als Sie mich um Ressourcen baten, um diesen Fall weiterzuverfolgen, gingen Sie noch davon aus, er könnte der Waffenschmuggler sein, den wir eigentlich suchen sollten. Jetzt stellt sich heraus, dass Sie wertvolle Zeit, die wir nicht haben, für einen einfachen Kunstschmuggler verschwendeten.«
»Wir glauben nicht, dass er nur ein einfacher Kunstschmuggler ist. Er sprach von einer professionell organisierten Schmuggeloperation, die unter anderem über den Flughafen Zürich operiert. Es geht um den weltweiten Schmuggel äußerst wertvoller Kunstgegenstände, ein Millionengeschäft. Er hat uns dazu glaubhafte Insiderinformationen geliefert. In kleinen Häppchen, jeweils nur genügend, um uns zu beweisen, dass er weiß, wovon er spricht und ein wertvoller Informant werden könnte.«
Ella Branson schaute auf ihre goldene Uhr.
»Lassen Sie mich rekapitulieren, meine Herren. Washington hat herausgefunden, dass Waffen durch die Schweiz geschmuggelt werden, und hat uns beauftragt, dringend und mit allen nötigen Ressourcen herauszufinden, wer in der Schweiz dahintersteckt. In wenigen Stunden ist es in Washington Morgen, und dann soll ich erklären, dass wir bei dieser Untersuchung keinen Schritt weitergekommen sind, dafür aber auf der Fährte eines Bilder- und Vasenschmugglers sind?«
Weder David noch Rick antworteten auf die Frage.
»Wenn Sie mich fragen, war es diesem Larry, oder wie er auch wirklich heißen mag, nicht ernst. Er bekam kalte Füße, hat es sich dann aber neu überlegt und mit seinem Kunden Frieden geschlossen. Deshalb ist er nicht aufgetaucht. Vergessen Sie ihn und widmen Sie sich wieder Ihrem Auftrag: die Aufklärung des Waffenschmuggels. Und zwar sofort! Washington hat mir eine wichtige Aufgabe anvertraut, und ich werde nicht wegen Ihnen Zwei versagen!«
David lehnte sich mit den Ellbogen auf dem Tisch nach vorn und sagte: »Mein Gefühl sagt mir, dass an diesem Larry etwas ist. Ich habe in kürzester Zeit mit ihm einen guten Kontakt aufgebaut und möchte ihn nicht einfach fallen lassen. Er hat es sich nicht anders überlegt. Ich weiß, dass er sich wieder melden wird.«
»Ihr Gefühl sagt Ihnen etwas? Hören Sie lieber auf mich als auf Ihr Gefühl! Der Fall ist abgeschlossen. Zurück zum Waffenschmuggel. Das ist ein Befehl.«
Ella stand auf, nahm ihre Akten vom Tisch und verließ ohne ein weiteres Wort zu verlieren den Raum. Im selben Moment schaltete die Klimaanlage ein, und kühle Luft strömte durch die Lüftungsschlitze in der Decke. Die beiden Agenten David Reynolds und Rick Perez schauten einander an und atmeten laut aus. Sie wussten nicht, ob die Abkühlung, die sie spürten, von der Klimaanlage kam oder ob sie mit dem Verschwinden von Ella Branson aus dem Raum zu tun hatte.
»Du hast sie gehört, David. Wir sollen den Mann vergessen.«
»Tut mir leid, das kann ich nicht. Ich spüre, dass Larry uns noch wertvolle Informationen liefern wird. Er will mit uns zusammenarbeiten und fürchtet um sein Leben. Das habe ich in seiner Stimme gehört. Ich habe ihm versprochen, wir fänden einen Weg zu einem Deal. Da kann ich ihn nicht einfach den Haien zuwerfen.«
»Du spürst, sagst du? Woher willst du das spüren?«
»Wenn du lange genug im Business bist, Rick, entwickelst du für solche Sachen ein Gespür. Das wirst du mit der Zeit auch, du wirst sehen.«
»Den Befehl von Branson musst du aber befolgen, sonst …«
»Hör auf, Rick. Komm mit!«, unterbrach er ihn und war bereits an der Tür angelangt.
Einen Stock unter dem abhörsicheren Sitzungsraum betrat David die Sicherheitsschleuse. Als sich die äußere Glastür geschlossen hatte, gab er seinen persönlichen Code auf der Tastatur ein und ließ den Sensor an der Wand sein Auge scannen. Eine elektronische Stimme verkündete ›David Reynolds erfolgreich authentisiert‹. Das Licht über der inneren Glastür wechselte von Rot auf grün, und die Tür schob sich leise zur Seite. Mit einem Zischen glich sich der Druck in der Schleuse dem des Raums an. Während David auf Rick wartete, blickte er in den fensterlosen Nachrichtenraum, der ihn jedes Mal an ein Kontrollzentrum der NASA erinnerte.
Zwei Frauen und vier Männer saßen an zwei langen, hintereinander stehenden Arbeitstischreihen vor ihren Bildschirmen und schrieben auf ihren Tastaturen oder sprachen in ihre Headsets. Ein Durcheinander von Dokumenten, Ordnern, Schreibzeug, Kartonbechern mit Kaffee und Getränkedosen überdeckte die Arbeitsflächen.
David überprüfte über die Köpfe des Teams die Informationen auf den großen Flachbildschirmen an der Wand gegenüber. Auf dem kleineren Bildschirm ganz links außen erschienen die National Terrorism Advisory System-Meldungen des amerikanischen Department of Homeland Security, des Ministeriums für Innere Sicherheit. Das System hatte die frühere farbenbasierende Gefahrenskala abgelöst und informierte die Zivilbevölkerung über terroristische Gefahren. ›Keine aktuellen Alarmmeldungen‹, las David unter dem Logo des Ministeriums. Die Öffentlichkeit konnte sich in Sicherheit wähnen. Die Welt war aber weit weniger friedlich. Der größere Bildschirm in der Mitte zeigte klassifizierte Informationen und Nachrichten an, die nur für Geheimdienste bestimmt waren. Mögliche Terrorangriffe im Nahen Osten, ein Spionagefall in Nordkorea, ein hochrangiger Botschaftsmitarbeiter in Venezuela ermordet, Anzeichen auf eine bevorstehende Entführung eines Linienflugs nach New York. Das ist die reale Welt, dachte David. Inzwischen war Rick durch die Schleuse zu ihm gelangt.
David ging durch den Raum und stellte sich vor den großen Bildschirm. »Ruhe bitte. Zuhören!« Alle richteten ihre Blicke auf die beiden Agenten.
»Schau mal, Batman und Robin«, witzelte eine der Frauen.
»Ja, ja«, antwortete David, »im Ernst, Leute. Wir hatten soeben eine Sitzung mit Ella Branson.«
»Und ihr lebt noch?«, rief jemand anders. David ließ sich nicht ablenken.
»Nachdem man ihn zu erschießen versuchte, bekam ein Waffenschmuggler, den wir nur unter seinem Pseudonym als Larry kennen, in seiner Welt kalte Füße, und jetzt sucht er bei uns Schutz im Tausch gegen Informationen. Wir stehen seit einigen Tagen in telefonischem Kontakt, er erschien aber gestern nicht an ein erstes vereinbartes Treffen mit uns. Seit dann hat er sich auch nicht mehr gemeldet. Wir haben jetzt den Auftrag, ihn zu finden.«
Rick schaute David mit großen Augen an.
»Bist du wahnsinnig geworden, David? Das kannst du nicht machen! Er ist kein Waffenschmuggler, und Branson hat uns befohlen, Larry in Ruhe zu lassen. Du musst sofort aufhören!«, flüsterte er ihm zu.
David ignorierte ihn und fuhr fort.
»Sam, projiziere die Liste der an mich eingegangenen Anrufe der vergangenen Woche auf den rechten Bildschirm, sortiert nach Telefonnummer, mit Datum und Zeit.«
Die Frau tippte einige Befehle in ihre Tastatur ein, und auf dem Bildschirm an der Wand erschien eine lange Tabelle mit Zahlen. David studierte die Liste und ließ Samantha durch die Tabelle blättern.
»Halt! Da, diese Anrufe sind von Larry. Da haben wir auch seine Telefonnummer. Was ist das für eine Nummer, Sam?«
Samantha gab einige Suchbefehle auf der Tastatur ein und antwortete. »Das ist eine Schweizer Prepaidhandynummer. Sie ist auf eine Gerda Schatz registriert. Moment noch, ich suche nach ihr … Komisch, diese Nummer wurde als gestohlen gemeldet.«
»Hab ich mir gedacht. Larry ist ein schlauer Kerl! Er ruft mich nur mit einem gestohlenen Handy an, das keinen Rückschluss auf ihn zulässt!«