Aareschwimmen. Tony Dreher

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Aareschwimmen - Tony Dreher

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habe die Leiche selbst gesehen und war dabei, als zwei Polizisten und eine Frau vom kriminaltechnischen Dienst sie untersuchten.«

      Der Beamte zögerte einen Moment, schaute ihn misstrauisch an und fragte: »Was genau wollen Sie denn wissen?«

      »Ich möchte mich über den Stand der Ermittlungen informieren. Meine Leser wollen wissen, ob der Mann inzwischen identifiziert wurde.«

      Mit ›meine Leser‹ bluffte Mike erst recht. Nachdem er heute Morgen gefeuert worden war, hatte er keine Leser mehr. Er hoffte aber, seinem Anliegen damit mehr Gewicht zu verleihen.

      »Haben Sie auch schon etwas von Datenschutz gehört? Wenigstens das gibt es bei uns in der Schweiz noch.«

      Der Mann wandte seinen Blick von Mike ab und wischte sich demonstrativ einige Krümel seines Frühstücks von seinem grauen Kittel, der einige Nummern zu klein wirkte.

      »Hören Sie bitte zu. Ich bin Journalist und weiß, welche Informationen Sie herausgeben dürfen, ohne den Datenschutz zu verletzen. Suchen Sie jemanden, der mir Antworten liefern kann, oder nicht?«

      Der Beamte runzelte seine Stirn und nahm provokativ langsam den Telefonhörer in die Hand. Er sprach leise, sodass Mike dem Gespräch durch die Glaswand nicht folgen konnte.

      »Also dann. Es kommt gleich jemand. Dort ist der Warteraum.«

      Mike musste nicht lange warten, bis ein uniformierter Polizist in den Warteraum trat.

      »Sind Sie der Journalist, der nach einem angeblichen Unfall in der Aare fragt?«

      Die höfliche Stimme wirkte künstlich aufgesetzt.

      »Ja.«

      Bevor Mike sich vorstellen konnte, hielt ihm der Polizist die Hand entgegen, als ob er an einer Kreuzung den Verkehr anhalten wollte.

      »Es tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen. Gestern ist bei uns keine Meldung über einen angeblichen Badeunfall eingegangen. Es muss sich um einen Irrtum Ihrerseits handeln.«

      Mike sah ihn erstaunt an.

      »Nein, da muss es sich um einen Irrtum Ihrerseits handeln, denn ich war dabei, als die Leiche aus der Aare gezogen wurde und als Ihre Kollegen sie untersuchten. Und es war übrigens kein angeblicher Badeunfall.«

      »Wie gesagt, es tut mir leid, Herr Honegger, uns ist nichts bekannt. Ich habe alle Meldungen von gestern selbst überprüft. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«

      Er schaute Mike direkt in die Augen und setzte erneut sein künstliches Lächeln auf.

      »Was Sie sagen, stimmt nicht und Sie wissen es! Einer Ihrer Kollegen hat meine Personalien aufgenommen.«

      »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Ich war ja, wie Sie wissen, selbst nicht anwesend. Abschließend kann ich nur wiederholen: Uns ist nicht bekannt, dass gestern jemand in der Aare verunfallt ist. Vielleicht war der Mann ja nur ohnmächtig und Sie glaubten, er sei tot gewesen. Solche Verwechslungen kann es geben und führen unweigerlich zu peinlichen Missverständnissen. Leider konnte ich Ihnen nicht weiterhelfen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.«

      Er verschwand durch den Türrahmen, und Mike hörte nur noch das Piepsen des Badgelesers, als er die Sicherheitstür ins Innere des Gebäudes öffnete.

      Als Mike aus dem Wartesaal trat, ignorierte ihn der dicke Beamte am Schalter, der in irgendwelchen Papieren wühlte. Er verließ das Gebäude, ging die Stufen zum Vorplatz hinunter und spazierte nachdenklich durch den schönen Garten zum Eisentor und zum Waisenhausplatz, wo er sich auf eine Bank setzte und dem Wasser zuschaute, das über den Oppenheim-Brunnen plätscherte. Er spürte, dass der Polizist mehr wusste, als er zugab, und ihn angelogen hatte. Er hatte auch das Gefühl, dass ihm im Gespräch mit dem Polizisten etwas entgangen war, das ihm hätte auffallen müssen, etwas, das nicht stimmte. Gedanklich ging er das Gespräch mit ihm noch einmal durch, erkannte aber nicht, was es sein könnte.

      Eine Gruppe Touristen folgte dem von ihrer Reiseleiterin hochgehaltenen Sonnenschirm und hielt vor dem bekannten Brunnen an. Noch bevor die Reiseleiterin mit ihren Ausführungen beginnen konnte, knipsten schon unzählige Kameras. Hinter der Gruppe verließen drei Geschäftsherren mit Aktenkoffern in den Händen ein Schulgebäude. Mike schaute ihnen zu, wie sie sich voneinander verabschiedeten. Da fiel ihm ein, was ihm im Gespräch mit dem Polizisten entgangen war: Der Polizist hatte ihn mit seinem Namen angesprochen, Mike hatte sich aber in der Polizeiwache nicht namentlich vorgestellt. Der Polizist konnte seinen Namen unmöglich kennen. Außer … ja, der Polizist hatte den Bericht von gestern gelesen. Dort waren seine Personalien vermerkt, und deshalb kannte er seinen Namen.

      Er schloss die Augen und dachte über den gestrigen Tag nach. Bei ihrer Ankunft an der Aare hatten sich die Polizisten und die Beamtin nicht vorgestellt. Aber danach … ja, jetzt konnte er sich wieder daran erinnern. Die Frau hatte den kleineren der beiden Polizisten neben der Leiche mit seinem Namen, Kunz, angesprochen. Und bei der Eröffnung des Protokolls in das Diktiergerät hatte sie ihren eigenen Namen genannt. Jacqueline irgendetwas. Meyer-Lang, ja, das war ihr Name gewesen. Er musste die beiden Polizisten und die Frau in Zivil finden. Die wussten genau, was geschehen war. Er öffnete die Augen und sah den Touristen nach, wie sie zum Bärenplatz in Richtung Bundeshaus weiterzogen. Dann nahm er sein Handy hervor.

      »Kantonspolizei Bern, grüessech.« Er drückte es näher ans Ohr.

      »Könnten Sie mich bitte mit Frau Meyer-Lang verbinden?«

      »Moment bitte«, Mike hörte den Mann den Namen auf der Tastatur seines Computers schreiben. »Es tut mir leid, wir haben keine Frau Meyer-Lang bei uns. Sind Sie sicher, dass der Name stimmt?«

      »Ja, ganz sicher. Können Sie noch einmal nachschauen?«

      »Ich habe unter Meyer gesucht, mit i und mit y. Auch unter Lang finde ich niemanden. Kann Ihnen vielleicht jemand anders helfen?«

      »Ja, da ist noch ein uniformierter Polizist namens Kunz. Könnten Sie mich bitte mit ihm verbinden?«

      Wieder hörte Mike das Tippen auf der Tastatur.

      »Kunz, Jürg. Ja, den habe ich gefunden. Ich verbinde.«

      Das Telefon klingelte dreimal.

      »Kantonspolizei Bern, Kunz.« Mike erkannte die Stimme sofort. Es war der Polizist von gestern.

      »Guten Tag, Herr Kunz, ich bin Mike Honegger und war gestern dabei, als Sie die Leiche untersuchten, die in der Aare entdeckt wurde. Ich würde Ihnen gerne einige Fragen zu diesem Fall stellen.«

      Kunz erwiderte nichts. Er hängte das Telefon auf.

      Mike wählte die Nummer noch einmal und wurde wieder verbunden. Das Telefon klingelte und klingelte. Dann meldete sich ein Beantworter. »Der gewünschte Teilnehmer ist momentan nicht erreichbar. Bitte hinterlassen Sie nach dem Ton …«

      Mike wartete das Ende der Meldung nicht ab und hängte auf. Frustriert schlug er mit der Faust neben sich auf die eiserne Bank. Jeder Versuch, etwas herauszufinden, führte in eine Sackgasse.

      Sein Magen begann zu knurren, es war fast Mittag. Im nahe gelegenen Starbucks kaufte er sich ein Sandwich und einen Kaffee und setzte sich unter einen Sonnenschirm auf den Balkon. Die Sonne brannte heiß auf den Platz. Mike blickte auf die Menschen herab, die sich im Schatten der Bäume eine

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