Die Kunst Einwanderer zu sein. Andrzej Olkiewicz

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Die Kunst Einwanderer zu sein - Andrzej Olkiewicz

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sehnsuchtsvoll zum Geburtsland zurückzublicken.

      Im Umgang mit den Einheimischen heben die Anpasser gerne die Dinge hervor, die sie als besonders positiv in dem neuen Land wahrnehmen und stellen diese dann in Kontrast zu Verhältnissen im Heimatland, wo sie das meiste als schlechter empfanden. Von der neuen Umgebung werden sie generell als gut integriert angesehen.

       Die Nostalgiker

      Die Nostalgiker sehen die Auswanderung als etwas Vorübergehendes – sie planen, einige Jahre von zu Hause weg zu sein, Geld zu verdienen, eventuell eine Ausbildung zu machen oder Abenteuer zu erleben. Sie sind gefühlsmäßig stark an ihr Heimatland gebunden. In dieser Gruppe kann man auf Leute treffen, die trotz eines langen Aufenthalts in dem neuen Land die neue Sprache nicht ordentlich gelernt haben. Es ist, als ob eine innere Stimme ihnen einflüstert: „Es ist nicht so wichtig, du bist ja nur vorübergehend hier, also, weshalb sich anstrengen“. Dennoch lernen manche in dieser Gruppe die neue Sprache gut zu beherrschen, aber die Aussprache ist für gewöhnlich schlechter als bei den Angepassten. Die Neugier und die positive Einstellung zu dem neuen Land erlöschen bei den Nostalgikern, sobald sie den ersten Rückschlag erlitten haben. Sie beginnen die Gesellschaft als gegnerisch zu betrachten und die Einheimischen als fremdartig. Sie unterstreichen gerne ihre nationale oder ethnische Eigenart. Sie sprechen untereinander ihre Muttersprachen, selbst wenn sie sich in Gesellschaft mit ihren neuen Landsleuten befinden z. B. auf einem Fest oder am Arbeitsplatz. Das kommt auch bei den Angepassten vor, aber in geringerem Umfang. Trotzdem können ambitionierte Nostalgiker in ihrem Beruf erfolgreich werden. Die Grundeinstellung zur Gesellschaft, zu der einheimischen Bevölkerung und deren Sitten ist jedoch immer von einer gewissen Abstandshaltung geprägt.

      Die Verhältnisse im neuen Land werden häufig verglichen mit den alten und man kommt zu dem Ergebnis, dass dort alles viel besser war. Nach einer längeren Zeit kann selbst noch die negativste Erscheinung einen goldenen Schimmer bekommen. Zum Beispiel werden erlebte Armut oder politische Diktatur – häufig der direkte oder indirekte Beweggrund für die Auswanderung – so dargestellt, dass dies auch Gutes mit sich gebracht hätte. Die Gemeinschaft der Menschen wäre dadurch in ihrem ehemaligen Heimatland gestärkt, es wäre Ordnung in der Gesellschaft geschaffen worden und den Kindern Rechte und Pflichten gelehrt.

       Ausbildung hilft

      Es gibt die verbreitete Meinung, dass Menschen aus geografisch abgelegenen Ländern oder fremdartigen Kulturen es schwer haben, in die neue Gesellschaft integriert zu werden. Ich glaube nicht, dass das unbedingt stimmt. Es gibt unterschiedliche Beispiele dafür, dass Menschen aus fernen Kulturen sich gut zurechtfinden in ihrer neuen Umgebung.

      Gewiss kann es für Menschen aus sehr konservativen, regional verwurzelten Milieus oder Menschen mit sehr geringer Ausbildung schwer sein, in dem neuen Land Fuß zu fassen. Aber das gilt genauso für Menschen aus Nachbarländern oder solche, die innerhalb ihres eigenen Landes umziehen.

      Man muss jedoch konstatieren: Je höher die Ausbildung ist, die ein Einwanderer hat, desto leichter fällt ihm die Anpassung und umgekehrt wird er leichter von der Gesellschaft aufgenommen.

       Die Zeiten ändern sich und wir mit ihnen

      Das absolut Entscheidende für eine geglückte Integration ist nach meiner Auffassung die Einstellung des Einwanderers zu der Frage der Rückkehr. Ist man mit ganzem Herzen darauf eingerichtet, in der neuen Gesellschaft Wurzeln zu schlagen, so werden so viele Verbindungen wie möglich geknüpft. Und dabei ist der geografische oder kulturelle Abstand unwesentlich. Die allermeisten Auswanderer haben bereits bei der Abreise eine Vorstellung davon, ob sie beabsichtigen, irgendwann heimzukehren, oder nicht. Sofern es um Menschen geht, die von zu Hause fortgezwungen wurden aufgrund von Krieg oder Naturkatastrophen, ist die Situation indessen von Anfang an eine andere. Es ist nahezu unmöglich, die Zukunft zu planen, wenn die Gegenwart alle Aufmerksamkeit erfordert. Sie werden daher mit der Zukunftsplanung zögern, bis sie einen Überblick über ihre Situation haben.

      Meine obige Beschreibung der beiden Strategien beinhaltet verständlicherweise Vereinfachungen. Es gibt große Unterschiede innerhalb der beiden Gruppen. Die Grenzen zwischen ihnen sind auch nicht immer so deutlich. Es kommt auch vor, dass ursprüngliche Nostalgiker zu Angepassten werden und umgekehrt. Für die meisten kommt irgendwann die Zeit, ihre Einstellungen zu überdenken. Nicht selten tragen diverse äußere Umstände dazu bei. Zum Beispiel, wenn Kinder, die im neuen Land geboren und aufgewachsen sind, sich nicht vorstellen können, in das Heimatland ihrer Eltern zu ziehen. Ein Umzug zurück kann auch eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation bedeuten. Man kann auch in dem neuen Land verwurzelt sein und seine Freunde nun hier haben, statt in der alten Heimat. Einige behalten ihre Einstellungen sowohl zum Heimatland als auch zu der neuen Gesellschaft ein Leben lang bei. Für die meisten, sowohl unter den Nostalgikern als auch unter den Angepassten, ändert sie sich jedoch mehr oder minder im Laufe der Zeit. Bei manchen tritt eine ambivalente Periode ein, in der derjenige zwischen Ablehnung und Idealisierung der unterschiedlichen Verhältnisse, mal im Heimatland, mal in dem neuen Land schwankt. All das ist ein langer Prozess, der nach und nach zu einem nuancierteren und realistischeren Bild über die Verhältnisse der beiden Länder führen kann. Dabei kann gefühlsmäßig und verstandesmäßig eine wirkliche Akzeptanz des erlebten Daseins entstehen. Eine differenziertere Sicht auf die Wirklichkeit bewirkt, dass Personen beider Gruppen sich einander annähern, trotz ihrer diametral entgegengesetzten Lebensstrategien. Wenn die Einstellungen neutraler und nachsichtiger werden, schließt sich der Kreis. Trotzdem verschmelzen die Gruppen kaum miteinander, da sie nach einer so langen Trennung in unterschiedlichen Kreisen Umgang pflegen.

      Es gibt aber auch Auswanderer, die über die Anfänge nicht hinauskommen, da sie sich von Beginn an im Kreis drehen. Körperlich wandern sie zwar aus, aber die Seele verlässt das Heimatdorf niemals. So leben sie mit einer ewigen Sehnsucht nach dem, was sie verloren haben und einer ewigen Unzufriedenheit mit dem, was sie haben.

       „Beim Spiel kann man einen Menschen in einer Stunde besser kennenlernen als im Gespräch in einem Jahr.“

      Platon28

       WEGE ZU EINEM NEUEN UMGANG

      Ausgrenzung und Einsamkeit in dem neuen Land bewirken, dass Einwanderer Gemeinschaft suchen. Das größte Bedürfnis ist es, endlich die Einsamkeit loszuwerden. Dafür ist es möglich, nötigenfalls über unterschiedliche sprachliche, nationale, religiöse oder soziale Grenzen hinweg in Gemeinschaft zu leben. Erst im nächsten Schritt wird die Nähe zu solchen Menschen gesucht, mit denen mehr nationale oder sprachliche Gemeinsamkeiten bestehen. Als letzten Schritt versucht man dann, in eine sozial homogenere Gruppe zu kommen. Auf diesem verschlungenen Weg können Verbindungen oftmals zu Menschen oder Gruppen entstehen, die man nicht getroffen hätte, wenn man daheim in der Heimat geblieben wäre.

       Die kosmopolitischen Gruppen

      Als neu angekommener Auswanderer kannte ich keine anderen Polen und hatte Umgang mit einer Gruppe, die aus Ungarn und Jugoslawen, einem Deutschen und einem Dänen bestand. Als Geologe in Saudi-Arabien kam ich in eine gemischte internationale Gruppe, die aus Briten, Iren, Libanesen, Palästinensern, Amerikanern, Holländern und Italienern bestand. Viele Hilfsarbeiter oder Studenten, die im Ausland studieren, um nur zwei Kategorien zu nennen, machen ähnliche Erfahrungen.

      In einem Buch über schwedische Jugendliche, die ins Ausland gezogen sind, sagt eine junge Frau:

       Hier treffe ich Menschen unterschiedlichster Nationalitäten, mit denen ich so unglaublich viel gemeinsam habe. Ich finde es wirklich fantastisch, dass sie mir so ähnlich sind.

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