Die Kunst Einwanderer zu sein. Andrzej Olkiewicz

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Die Kunst Einwanderer zu sein - Andrzej Olkiewicz

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Studenten. Zu Beginn sprachen alle englisch miteinander. Es dauerte jedoch nicht lange, bis die Franzosen zum Französisch übergingen. Die Schweden unternahmen noch einige tapfere Annäherungsversuche, aber als sie keine Antwort bekamen, gingen sie ebenfalls in ihre Landessprache über und blieben unter sich. Diese scheinbar unbedeutende Begebenheit gab mir den Anstoß für dieses Buch. Hier hatte ich ein ausgezeichnetes Beispiel, wie Ausländer ihrem eigenen Interesse, nämlich mit der Landesbevölkerung in Kontakt zu kommen, zuwiderhandeln können. Das Verhalten der Franzosen habe ich auch an mir selbst sehr wohl wiedererkannt.

      Im Jahre 1957 floh ich als 19-jähriger gemeinsam mit einem Kameraden aus dem kommunistischen Polen nach Dänemark. Wir fanden Arbeit in einer Fabrik in einem kleinen Fischerdorf. In der Fabrik befand ich mich zum ersten Mal in meinem Leben in internationaler Gesellschaft. Neben Dänen gab es dort Ungarn, Grönländer, einen Belgier und einen Finnen. Nach einigen Monaten zog ich nach Schweden um, wo ich zunächst als Klempner Arbeit fand.

      Weshalb war ich aus Polen geflohen? Weil ich Freiheit und Abenteuer suchte! Es ging mir nicht darum, reich zu werden. Statt nach Dänemark hätte ich genauso gut nach Kongo fliehen können. Und die Auswanderung sollte ja nicht für ewig sein. In meiner Naivität glaubte ich, dass der Kommunismus innerhalb von ungefähr 10 Jahren zerfallen oder sich zumindest reformieren würde. Und dann könnte ich zurückkehren als bereister und sprachkundiger Mann, hineinsegeln in den Hafen meines Segelclubs in Gdynia, nachdem ich um die Welt gefahren sein würde. Ich könnte verheiratet sein mit einer exotischen, hübschen Frau. Das waren Träume, entsprungen aus der Phantasie eines Teenagers, der vielen Erzählungen gelauscht und viele Bücher gelesen hatte, der aber eingesperrt lebte in einer Welt ohne Hoffnung. Das kommunistische System hielt die Menschen hinter Grenzen aus Stacheldraht, Minenfeldern und bewaffneten Wachposten gefangen. Mein Lebenstraum, zur See zu fahren, ließ sich nicht verwirklichen, da der Weg zur Seefahrtsschule für mich versperrt war. In einer Diktatur kann alles Mögliche einen Schlusspunkt setzen unter jemandes Zukunftsplanung. In meinem Fall missfiel es der Regierung, dass ich Verwandtschaft im Ausland hatte. Indessen hielt ich an meinen Traum vom Seemannsberuf fest und hatte keine Ahnung, was ich stattdessen werden sollte. Mein Wille zur Berufswahl, die autoritäre Art meines Vaters und die staatliche Diktatur hielten mich wie unter einer erstickenden Glocke gefangen. Ich fühlte mich wie in einer Falle.

      Wie war ich vorbereitet auf ein Leben als Emigrant? Überhaupt nicht!

      Ich war – wie so viele andere Emigranten – vollkommen ahnungslos. Ich glaubte, wenn ich nur erst die Sprache erlernen würde, würde ich ein erfolgreiches Leben führen können. Ich sah mein Ausländersein als Zugang, als etwas, was mich in den Augen der neuen Umgebung interessant machte. Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, dass mein neues Umfeld mich aus völlig anderem Blickwinkel sehen könnte. Ich ahnte nicht, dass die Emigration Ausgestoßensein, Schimpfwörter und Einsamkeit mit sich brachte. Ebenso wenig vermochte ich die Andersartigkeit der Kultur des neuen Landes, also das, was eine so starke Anziehung auf mich ausgeübt hatte, richtig zu deuten oder zu verstehen. Stattdessen wurde ich frustriert und begann, die neue Gesellschaft als mir gegenüber feindlich eingestellt zu betrachten.

      Ich habe in meinem Emigrantenleben die meisten Fehler gemacht, die ein Mensch in einem fremden Land machen kann. Durch meine Lebensweise arbeitete ich meinem eigenen Wunsch nach einem entspannten und normalen Leben in der Gesellschaft zuwider. Für Vieles hatte ich kein Verständnis und unbewusst errichtete ich um mich herum unnötige Mauern. Die paar wenigen, die sich mir gegenüber nicht gut verhielten, färbten meine Sicht auf das gesamte Volk. Es machte auch keinen Unterschied, dass ich zur gleichen Zeit auf ganz viele wunderbare Menschen traf.

      In meiner Einsamkeit und Unsicherheit suchte ich die Nähe meiner Landsleute und anderer Ausländer. In dieser konformen Umgebung bestärkten wir uns dann gegenseitig in unserer negativen Auffassung gegenüber dem neuen Land. Unsere Kontakte mit Schweden beschränkten sich auf Kollegen am Arbeitsplatz und Freundinnen.

      Während meiner ersten Jahre in Schweden arbeitete ich als Metallarbeiter, Seemann, Zeichner und Ingenieur. Erst einige Jahre später bildete ich mich an der Universität weiter und wurde Geologe. Das war der Auftakt dafür, dass ich in zwei weiteren Ländern, Saudi-Arabien und Abu Dhabi, insgesamt vier Jahre leben und arbeiten sollte. Diese Länder sind ausgeprägte Einwandererländer mit Menschen aus allen Ecken der Welt. Dort traf ich sowohl privat als auch im Arbeitsleben Menschen unterschiedlicher Nationalität und Gesellschaftsschichten.

      Alle diese Erfahrungen habe ich in dieses Buch mit einfließen lassen.

       Es gibt der Welten viele. Und jede ist anders.

       Jede ist wichtig.

       Und man muss sie kennenlernen, denn die anderen Welten, die anderen Kulturen sind wie Spiegel, in denen wir uns selber besser kennenlernen, denn es ist unmöglich, die eigene Identität zu bestimmen, solange wir sie nicht mit anderen konfrontiert haben.

      Ryszard Kapuściński4

       DEN SCHRITT ÜBER DIE ZWEITE GRENZE NEHMEN

      Auf jeden Emigranten warten zwei Grenzen. Die erste ist die politische Grenze, die wir überschreiten, wenn wir das Heimatland verlassen. Die zweite, die psychologische, überschreiten wir, wenn wir den Beschluss fassen, uns dem neuen Land mit Verständnis und Akzeptanz zu nähern. Alle, die ihr Land verlassen, verlassen gleichzeitig das gewohnte heimatliche Leben und die Menschen, mit denen sie zusammen aufgewachsen sind. Auf der einen Seite der Grenze gibt es die selbstverständliche Zusammengehörigkeit, auf der anderen findet man die Fremde. Und dabei spielt es keine Rolle, ob die Auswanderung freiwillig erfolgte oder durch ein hartes Schicksal aufgezwungen wurde. Die neue Situation bringt immer Frustrationen mit sich.

      Zunächst kommt der Entschluss, das Heimatland zu verlassen. Danach haben wir die Wahl, entweder Fremder zu bleiben oder über die „zweite Grenze“ zu gehen, also die Außenseiterrolle zu verlassen und uns in die neue Gesellschaft zu integrieren.

      Der Weg hin zu dieser zweiten Grenze ist lang und mühsam. Wichtig ist dabei, dass wir ihn wirklich gehen wollen. Obschon wir dabei nicht alleine sind, sind wir in gewisser Weise immer einsam. Die größten Hindernisse auf diesem Weg sind unsere Gewohnheiten, Vorurteile und Bequemlichkeit. Erst wenn wir über diese Hindernisse hinweggekommen sind, wissen wir, dass wir die zweite Grenze passiert haben. Vieles wird auf dieser Reise gelernt –

      Das Wichtigste, was man lernen kann, ist sich selbst kennenzulernen.

       Integration handelt nicht nur von sozioökonomischen Problemen sondern auch von soziokulturellen Fragen und muss von beiden Seiten kommen. Das Individuum muss sich integrieren wollen und die Gesellschaft muss die Voraussetzungen schaffen, damit dies möglich werden kann.

      Ayaan Hirsi Ali5

       DIE VERANTWORTUNG DER GESELLSCHAFT

      Wenn wir in einer paradiesisch offenen und konfliktlosen Gesellschaft leben würden, wäre dieses Buch überflüssig. Ebenso im entgegengesetzten Fall, also wenn jene Gesellschaft nie irgendeinen Fremden über die Schwelle kommen ließe. Nun ist das aber nicht so. Ein Paradies auf Erden gibt es nicht und ebenso wenig gibt es hermetisch abgeschlossene Länder.

      Ich möchte in diesem Buch über unsere Rolle und unsere Verantwortung als Einwanderer schreiben, und darüber, was wir tun können, um die Tür von unserer Seite aus offen zu halten. Aber ein einzelner Einwanderer vermag wenig und selbst der stärkste ist schwach, wenn die

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