Die Kunst Einwanderer zu sein. Andrzej Olkiewicz

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Die Kunst Einwanderer zu sein - Andrzej Olkiewicz

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Oder sollten wir doch versuchen, Worte dafür zu finden? Auf jeden Fall kann es hilfreich sein, über die Hintergründe und verschiedenen Motive für einen Umzug zu reflektieren.

       Der Kluge passe sich, im Schmuck des Geistes wie des Leibes, der Gegenwart an, wenngleich ihm die Vergangenheit besser schiene. Bloß von der Güte des Herzens gilt diese Lebensregel nicht; denn zu jeder Zeit soll man die Tugend üben.

      Baltasar Gracián18

       ANDERE LÄNDER, ANDERE SITTEN

      Wenn ich in Polen zu Besuch war, wurde ich oft über das Leben im Westen befragt. Besonders in den 1980er Jahren, vor dem Fall der Mauer. Die Menschen waren des Kommunismus' überdrüssig, es fehlte ihnen an Zukunftsvertrauen und sie wollten das Land verlassen. Ich antwortete so aufrichtig wie möglich, sowohl was ich positiv fand, als auch zu den Anpassungsschwierigkeiten. Überlegen lächelnd antworteten mir die Leute ausnahmslos, dass es selbstverständlich wichtig sei, sich den regionalen Gebräuchen anzupassen. Die Anpassung an die Normen des Gastlandes wurde als etwas Selbstverständliches und Unproblematisches angesehen.

      Den Ausdruck Andere Länder, andere Sitten gibt es, glaube ich, in jeder Sprache. Das zeigt, dass die Regel, dass auf die Sitten und Gebräuche des Gastlandes Rücksicht genommen werden muss, allgemeingültig ist.

      Das Interessante ist, dass die optimistische und positive Einstellung zu Andere Länder andere Sitten sich verändert, wenn man eine Zeit lang in dem neuen Land gewohnt hat.

      Was ist es, das da auf dem Weg von der Auswanderung zur Einwanderung geschieht? Weshalb verschwindet die positive Einstellung, und verschwindet sie für immer oder kommt sie zurück? Die Schwierigkeiten, damit im Alltag zurecht zu kommen, sind für viele kaum zu bewältigen. Und das nicht ohne Grund.

       Die Wahrheit ist, dass Fremde nirgendwo beliebt sind, und wenn ein Einwanderer Zutritt zu den feinen Salons der Mehrheiten bekommen will, so muss er mit einer Menge Widerstand aus allen Ecken und Enden rechnen. Glaube nicht, dass er mit offenen Armen empfangen wird. Diese Wahrheit gilt weltweit. So ist das menschliche Geschlecht.

      Ana Martinez19

       ES IST ÜBERALL UNGEFÄHR GLEICH

       Ist es leichter, Einwanderer in irgendeinem anderen Land zu sein?

      Unter Einwanderern findet sich die verbreitete Vorstellung darüber, dass es Länder gäbe, wo es für Fremde viel leichter sei, sich zu akklimatisieren, als gerade in dem Land, wohin sie sich begeben haben. In jenen Ländern würden Zugezogene sofort wie seinesgleichen behandelt, seien dort willkommen und bräuchten sich nicht zu fühlen, als ob sie außerhalb der Gesellschaft stünden.

      Untersuchungen, die parallel in Australien und Kalifornien gemacht wurden, haben gezeigt, dass Einwanderer in beiden Ländern die gleichen Konflikte erlebten und vor die gleichen Probleme gestellt waren. In beiden Fällen war die Ursache ein Mangel an Übereinstimmung zwischen den eigenen Werten und Normen der Einwanderer und den Normen, die im Zielland galten.20

      Überall in der Welt sind Neuankömmlinge ungefähr den gleichen Anstrengungen ausgesetzt und bekommen dieselben Probleme mit der Anpassung und gehen durch dieselben Prüfungen.

      Viele Bücher, geschrieben von Emigranten, sind eine reiche Quelle, um daraus zu schöpfen.

      Julia Kristeva, herausragende Schriftstellerin, Professorin und Psychoanalytikerin bulgarischer Herkunft, die sich in Frankreich niedergelassen hat, schreibt:

       Nirgendwo ist man fremder als in Frankreich. Die Franzosen […] setzen dem Fremden ein kompaktes soziales Gefüge entgegen und dies mit einem nicht zu überbietenden nationalen Hochmut […]. Selbst wenn der Fremde gesetzlich und administrativ akzeptiert ist, wird er deshalb noch nicht in den Familien aufgenommen. 21

      Tauscht man „Frankreich“ gegen ein anders Land und „Franzosen“ gegen ein anderes Volk – wie viele Einwanderer erkennen sich da in dem oben stehenden Zitat nicht wieder? Wie viele haben nicht die gleichen Dinge festgestellt, fast überall, genau wie in Frankreich?

      Viele Einwanderer glauben auch, dass es in ihren eigenen Heimatländern für Fremde bedeutend einfacher sei mit der Anpassung, als gerade dort, wo sie selbst hingeraten sind. Ein iranischer Sozialarbeiter sagte zu mir: „Wir sind nicht wie die Schweden. In meinem Land sehen wir alle Einwanderer als Gäste an und wir tun alles, ihnen zu helfen.“

      Ein schöner Gedanke. Dennoch bezweifle ich, dass es auch nur ein einziges Land gibt, wo ein Fremder vor diesen Konflikten verschont bleibt. Weshalb auch, wenn doch noch nicht einmal zwei Eheleute ohne Streitigkeiten auskommen, obwohl sie zu Anfang eine enthusiastische Einstellung zueinander hatten. Die Anpassung, die für das Funktionieren von Familien notwendig ist, geschieht durch „trial und error“, durch Liebe und gegenseitige Unterstützung, durch Toleranz und Vernunft. Das Gleiche gilt für den Ausländer, wenn er „die Liebesbeziehung“ mit dem neuen Land eingeht.

      Die Verfasserin Ana Martinez, die aus Argentinien nach Schweden kam, dachte darüber nach, ob es nicht doch für Fremde leichter wäre, in ihrem Heimatland integriert zu werden, kapitulierte jedoch und zitierte ihren italienischen Großvater, der einst nach Argentinien einwanderte: … dass man nie das Etikett „tano“ los wird, seufzte Großvater22 („tano“ ist der Spitzname für Einwanderer aus Italien). Sie stellte auch fest, dass kein lateinamerikanisches Land seinen Einwanderern solche Schimpfwörter erspart.

       Ist es leichter, Einwanderer zu sein, wenn man reich und berühmt ist?

      Viele mögen glauben, dass reichen und bekannten Personen die negativen Seiten des Einwanderns erspart bleiben, weil sie Geld und Kontakte haben. Natürlich müssen sie keine wirtschaftlichen Sorgen haben, aber sie kommen nicht um das Gefühl der Einsamkeit und des Ausgesetztseins herum, dass sie mit uns anderen „gewöhnlichen“ Einwanderern teilen.

      P. G. Gyllenhammar, ein bekannter und erfolgreicher schwedischer Industrieller, beschreibt seinen London-Aufenthalt folgendermaßen:

       „Menschen können neugierig sein, aber man ist und bleibt Ausländer. Man sagt, dass in Dänemark ein Ausländer niemals Däne werden kann. Ich glaube, das Gleiche gilt für England und ich befürchte dasselbe auch für Schweden.“ 23

      Seine Ehefrau, Christina Gyllenhammar, sagte in einem Interview sechs Jahre zuvor:

       Dennoch kann ich eine gewisse Isolierung erleben, da es sehr schwer ist, in das Leben gebürtiger Londoner hineinzukommen. Sie halten sich gerne unter ihresgleichen. 24

      Es scheint mir, dass der Mensch gleichen Anstrengungen ausgesetzt ist und auf gleiche Weise reagiert, wo immer auf der Welt er Fremdling wird oder sich als Fremdling fühlt. Dieses geschieht unabhängig von Nationalität, Religion, gesellschaftlichem Stand, ob die fragliche Person hoch gebildet oder Analphabet ist, im diplomatischen Dienst, politischer Flüchtling oder sich illegal im Land aufhält. Der Grad der Frustration kann variieren, aber es scheint, als ob niemand der Eingewanderten davon frei bleibt.

       Je länger ich im Ausland

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