Der Tango des Todes. Christian Macharski

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Der Tango des Todes - Christian Macharski

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neugierig daran, auch ihren Korb auszupacken. Mit zunehmendem Erstaunen förderte sie einen persönlichen Gegenstand nach dem anderen zutage und legte diese nebeneinander auf den Tisch. Am Ende lagen dort: das Kicker-Sonderheft, eine Flasche Doppelkorn, ein Playboy-Jahreskalender mit daran festgetackerten Tempotaschentüchern sowie eine Turnierpackung Kondome. Sprachlos vor Entsetzen sah sie ihren Freund an.

      Kleinheinz zuckte nur verlegen mit den Schultern und sagte: „Na ja, er kennt dich ja auch noch nicht so gut.“

      4

      Attila warf seinen ganzen Körper gegen die Gitterstäbe und bellte aus Leibeskräften, als Will auf den Innenhof fuhr und aus seinem Wagen stieg. Normalerweise hatte er immer ein nettes Wort oder ein Leckerchen für seinen Hofhund zur Hand, aber diesmal war er noch zu sehr in Gedanken bei der peinlichen Situation mit dem Willkommensgeschenk, die er so gerade noch hatte retten können. Für Fredi Jaspers würde er sich jetzt natürlich etwas anderes ausdenken müssen, denn wenn er einen neuen Präsentkorb zusammenstellen würde, könnte seine Frau Verdacht schöpfen. Erfreut nahm Will zur Kenntnis, dass dem gekippt stehenden Küchenfenster wohltuende Gerüche entschwebten, was darauf hindeutete, dass Marlene bei der Zubereitung des Abendessens kurz vor der Vollendung stand. Deshalb nutzte Will die Gelegenheit, sich schnell noch mal auf die Rückseite des Hofes zu schleichen, wo er neben dem stillgelegten Hühnerstall bereits zum zweiten Mal an diesem Tag die geheimen Zuleitungen für Strom und Wasser kontrollierte. Sicherheitshalber legte er zusätzlich zum Stroh noch eine verwitterte Holztür über die Anschlüsse. Marlene würde es nämlich überhaupt nicht gutheißen, dass Will die Gaukler, wie seine Frau sie nannte, neben der Wiese auch noch kostenlos mit Wasser und Strom versorgte. Aber Will konnte nun mal nicht anders. Er schritt ein weiteres Mal die Schläuche und Leitungen ab, die zum Zelt und zum Wagenpark führten, und achtete darauf, dass alles gut mit Gras bedeckt war. Plötzlich endete sein Weg vor einem Sichtzaun, der am Morgen noch nicht an dieser Stelle gestanden hatte. Er wollte gerade wieder umkehren, als er hinter dem Zaun eine seltsam betörende Musik vernahm, die in ihm erneut diese Neugier auslöste, wie es nur der Zirkus vermochte. Er prüfte vorsichtig die PVC-Plane, aus der der Zaun bestand. Er hatte Glück. Nach ein paar Metern fand er etwa auf Kniehöhe ein Loch, gerade groß genug, um unbemerkt hindurchzusehen. Will blickte sich um. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass er ganz allein war, kniete er sich behutsam ins feuchte Gras und spähte durch das Loch. Was er zu sehen bekam, beschleunigte schlagartig seinen Puls. Unmittelbar vor seiner Nase tanzte eine wunderschöne Frau zu der exotischen Musik, die aus einem CD-Player kam, der etwas weiter entfernt auf dem Boden stand. Die Tänzerin hatte hüftlanges, pechschwarzes Haar, ein Gesicht wie in Marmor gemeißelt und einen wohlgeformten, durchtrainierten Körper. Sie war zwar bei Weitem keine zwanzig mehr, aber sie war von einer wilden, ungezähmten Schönheit, die alle Jahre überdauert. Ihr Kostüm, wenn man es denn so nennen konnte, raubte Will schier den Atem. Der Oberkörper wurde nur von einem goldenen Büstenhalter bedeckt, der wie auf ihre Brüste gemalt wirkte. Um einen ebenfalls goldenen Slip lag eine Art Hüftband, an dem ein transparenter Schleier befestigt war, der ihre makellosen, langen Beine wie ein luftig-leichter Windhauch umschwebte. Auf nackten Füßen tanzte sie durch einen kleinen, mit Sägemehl gefüllten Kreis. Mit geschlossenen Augen bewegte sie ihren Körper rhythmisch zur Musik. Der Tanz, den sie aufführte, war eine Mischung aus Tangoschritten, Ballett und Gymnastik. Sie drehte sich, sprang in die Luft, ging in die Knie, zeichnete mit den Füßen eine Acht auf den Boden. Währenddessen warf sie immer wieder bunte Tücher in die Höhe und fing sie im Einklang mit ihren fließenden Bewegungen schlafwandlerisch sicher auf. Sie tanzte so nah vor der Plane, dass Will sogar ihr Parfüm riechen konnte. Ein erotischer Duft, wie er ihn noch nie gerochen hatte. Bislang war ihm, abgesehen von Tosca, dem Lieblingswässerchen seiner Frau, ausgesprochen selten etwas derart Aphrodisierendes in die Nase gestiegen. Auf Wills Stirn bildeten sich dicke Schweißtropfen. Entrückt beobachtete er die Tänzerin, bis er plötzlich von einem Geräusch aufgeschreckt wurde. Ein männlicher Artist – jedenfalls deutete seine hautenge, Las-Vegasmäßige Kostümierung darauf hin – hatte den CD-Player ausgestellt. Die Tänzerin erschrak. Das gerade in der Luft befindliche Tuch segelte langsam zu Boden und verfing sich unmittelbar vor Wills Guckloch in dem Draht, mit dem die Plane befestigt war.

      Der Artist rief: „Hey, Fatima, du sollst sofort zum Chef kommen.“

      Fatima nickte und folgte ihm auf der Stelle. Will war beeindruckt. Hier im Zirkus herrschten wirklich noch Zucht und Ordnung. Er wollte sich gerade erheben, um zurück ins Haus zu gehen, als ihm erneut der Duft des Seidentuchs in die Nase stieg. Er fasste den Entschluss, es als Erinnerung an diesen einzigartigen Moment mitzunehmen, und steckte zwei Finger durch das Loch. Mit ein wenig Geschick gelang es ihm, das grellgrüne Tuch zu ergreifen und herauszuziehen. Er ließ es in seiner Tasche verschwinden. Doch zuvor roch er noch einmal intensiv daran. Will schloss genießerisch die Augen. Leider war dadurch seiner Aufmerksamkeit entgangen, dass sich in seinem Rücken eine Person angeschlichen hatte. Erst das Knirschen, das ein Stein unter einer Fußsohle verursachte, ließ ihn herumfahren. Doch er hatte keine Chance. Da er sich auf den Knien befand, konnte er nur hilflos mitansehen, wie eine Person über ihm mit der rechten Hand einen schweren Gegenstand auf ihn niederfahren ließ. Den ersten Schlag konnte Will noch mit seinem Unterarm abfedern, aber der zweite traf ihn hart am Hinterkopf. Er verdrehte die Augen und kippte zur Seite.

      5

      Richard Borowka genoss die herrliche Aussicht. Er saß zurückgelehnt in einem Plastikstuhl und hatte die Hände selbstzufrieden hinter dem Kopf verschränkt. Sein Blick wanderte von der verendeten Edeltanne über den Schotterplatz mit den seltenen Brennnesselund Distelsorten bis hin zu den überquellenden Mülltonnen und heftete sich an das Schönste, was er je gesehen hatte: die Liebe seines Lebens, nämlich sein gelber 86er Ford Capri mit den roten Rallyestreifen. Leider waren die letzten Monate nicht spurlos an dem einst so makellosen Sportwagen vorbeigegangen. Seit Borowka finanziell in Schieflage geraten war, hatte er viele kleinere Schönheitsreparaturen nicht mehr vornehmen können. Die letzten größeren Ausgaben, für die er den Kredit bei Henk Houwechrad aufgenommen hatte, waren für Nockenwelle und Zahnriemen draufgegangen, die für sein Modell nur noch sehr schwer zu besorgen waren. Zu allem Überfluss war vor wenigen Minuten auch noch eine Delle in der Motorhaube dazugekommen, als er vor „Rosis Grillcontainer“, zwar nur mit 30 km/h, aber dennoch ungebremst in die Mülltonnen gerauscht war. Seinem Beifahrer Fredi gegenüber hatte er das mit einem Fahrfehler infolge einer leichten Unkonzentriertheit erklärt. Die Wahrheit jedoch war, dass die Bremsklötze längst komplett verschlissen waren. Fredi hatte sich furchtbar aufgeregt, weil er fast mit voller Wucht mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe geknallt wäre, hätten die breiten Rennfahrergurte ihn nicht zurückgehalten. Auch Borowka hatte sich heftig erschreckt, denn ein Riss in der Scheibe hätte ihm zu allem Ärger noch gefehlt. Mit sinnlich verklärtem Blick genoss er nun dennoch von seinem Lieblingsplatz neben dem Merkur-Spielautomaten aus die fließende Form seines Coupés, als das meditative Erlebnis jäh von Fredi Jaspers beendet wurde, der, voll bepackt mit Tellern und Flaschen, laut stöhnend ihm gegenüber Platz nahm.

      „Leck mich am Arsch. Ich glaube, ich habe mir bei deine Kamikaze-Aktion die Rippen gebrochen.“

      Borowka zeigte ihm einen Vogel. „Ja, ist klar. Kann das sein, dass du in Berlin ein bisschen verweichlicht bist? Hey, wo ist mein Schewampschichi?!“

      Fredi, der wegen der Hitze, die die defekte Dunstabzugshaube abgab, den Reißverschluss seines Blaumannes leicht geöffnet hatte, sodass einige spärliche Brusthärchen ans Licht drängten, schob seinem Kumpel einen dampfenden Teller mit einer großen Portion Fritten, einer Bratrolle Spezial und eine Flasche Bitburger rüber. Obwohl die Bratrolle zusätzlich zu den frischen Zwiebeln schon mit Ketchup und Mayonnaise bis zur Unkenntlichkeit zugeschüttet war, thronte auf den Fritten noch ein zusätzlicher Riesenspritzer Mayonnaise. Fredi rollte voller Vorfreude das Plastikbesteck

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