WIE MAN RIESEN BEKÄMPFT. David Kadel

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WIE MAN RIESEN BEKÄMPFT - David Kadel

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passieren. Der Moment, der mein Leben für immer veränderte und mich schlussendlich fast umbrachte. Es war nur ein Satz, doch leider der Satz meines großen Schwarms, der uns im Training zusah. „Déborah, du spielst so gut Handball, doch frage ich mich, wie man mit so viel Fett überhaupt rennen kann?!“ Als hätte er ausgeholt und mir eine schallende Ohrfeige verpasst. In diesem Moment wurde mir klar, was alle wohl schon lange vor mir erkannt hatten: „Déborah ist einfach nur ein fetter Klops, der ein bisschen Handball spielen kann.“ Wie konnte ich all die Jahre glauben, dass ich es wert bin, überhaupt am Leben zu sein? Ich bin ein Fehler! Die Welt braucht mich nicht. Dieser Lüge gab ich von diesem Moment an die Macht über mein Leben. Von diesem Tag an begann ich zu hungern. Denn ich wollte weniger werden, bis nichts mehr von mir übrig war. Weniger werden, bis ich ganz verschwinde…

      Ein Jahr später hatte ich fast 30 Kilo verloren und mit ihnen auch meine Lebensfreude, meine gute Laune, meinen Sport und fast alle Freunde. Denn alles, was mit Essen zu tun hatte, vermied ich. Ich war besessen von dem Gedanken: „Du kannst nur geliebt werden, wenn du schlank, also normal, bist.“ Ich hasste das Essen. Und so schloss ich mich in meinem Zimmer ein, wurde depressiv und versuchte, abends so früh wie möglich einzuschlafen, um das Hungergefühl nicht mitzubekommen. Jedes Gespräch mit meinen Eltern endete im Streit: „Ich hasse euch“, war das einzige, was ich noch zu ihnen sagte. Mittlerweile verlor ich meine Haare büschelweise und auch meine Tage hatte ich nicht mehr, was für mich persönlich das Schlimmste war, da ich mir doch immer Kinder gewünscht hatte. Die Worte meines Arztes hallten in mir nach: „Du wirst nie Kinder bekommen können.“ Ich wollte weinen, doch mein Stolz ließ es nicht zu. Stattdessen antwortete ich: „Hauptsache, ich hab mich im Griff und bin nicht so fett wie Sie!“ Ich war fast täglich bei Ärzten und wickelte sie alle um den Finger. Als einer fragte, ob ich denn etwas an meiner Ernährung verändert hätte, lachte ich laut los. Denn mittlerweile lebte ich von maximal einem halben Apfel am Tag. Doch was mich beunruhigte, das war mein Bein. Denn ich konnte es von einem Tag auf den anderen nicht mehr bewegen. Kein Gefühl. Tot. Wieder beim Arzt, bat mich dieser, draußen zu warten. Er wollte nur mit meiner Mutter sprechen, was mich sauer machte. So schlich ich mich vor die Tür und hörte ihn in diesem Moment sagen: „Frau Rosenkranz, wir haben alles versucht. Doch an dieser Stelle geben wir ihre Tochter auf. Sie hat nur noch 3 bis 4 Wochen zu leben.“

      Schockstarre. Angst. Panik. Er hatte die Worte ausgesprochen, die ich befürchtet hatte. Denn wenn ich ehrlich bin, hatte ich es körperlich kommen sehen.

      Jetzt war eh alles zu spät. Verbotenerweise ging ich ein paar Tage später abends auf ein Konzert. Und es war der Horror. Nicht das Konzert, aber das Gefühl, mehr tot, als lebendig zu sein. Alle tanzten, nur ich, ich war so schwach geworden, dass ich kaum noch stehen konnte. Ich war so dünn geworden, dass ich meine Hände in die Hüftknochen legen konnte. Am Ende des Konzerts war ich sehr froh, als meine Freunde endlich heim wollten, doch natürlich wurde noch bei McDonald’s angehalten. Mein absoluter Albtraum. Ich glaubte ja tatsächlich, dass ich vom Einatmen der fettigen Luft dort zunehmen würde. So wartete ich draußen vor dem Eingang und der Hunger zerriss mich förmlich. Hunger nach Leben.

      Gegen ein Uhr morgens schlich ich mich endlich am Schlafzimmer meiner Eltern vorbei, um sie ja nicht zu wecken. Doch da hörte ich sie weinen. Laut. Bitterlich. Und ich hörte meine eigene Mutter sagen: „Wir können ja schon den Sarg für Déborah bestellen. Sie wird eh sterben.“ In dem Moment brach ich vor ihrer Schlafzimmertüre zusammen und weinte. Ich hatte keine Kraft mehr und wollte nicht mehr kämpfen. Es war so anstrengend. Zu anstrengend. Doch in diesem Moment antwortete mein Vater mit einer festen Stimme: „Nein, wir werden weiter für unsere Tochter beten! Unsere Tochter wird leben!“ Und dann fingen sie an, in einfachen Worten für mich zu beten! Für mich, die so zickig, aggressiv und böse zu ihnen gewesen war. Und in diesem Moment spürte ich das erste Mal nach all den Jahren, dass ich etwas wert sein musste. Ganz egal, wie ich aussehe. Egal, wie meine Diagnose lautet. Ob ich noch 5 Tage oder 50 Jahre zu leben habe. Ich bin wertvoll, so wie ich bin.

      Meine Geschichte hat eine Stimme bekommen, um anderen Mädchen Mut zu machen. Auch Deine Geschichte hat eine Stimme; was wird sie uns erzählen? Und ich kann dir sagen, dass meine Geschichte in Büchern, Vorträgen und Liedern in der Zwischenzeit so viele Leben gerettet und mir damit so viele Momente der Freude bereitet hat. Ich durfte über die Jahre gesund werden, was kein leichter Prozess war – ganz im Gegenteil. Die Ärzte meinten damals auch, ich würde nie ganz gesund werden. Doch ich durfte es ganz anders erleben und komplett heil werden. Doch unabhängig davon, wie es ausgeht, habe ich heute erkannt, dass ein Wunder in jeder Wunde steckt. Und die Frage vielmehr lautet: „Weißt du eigentlich, dass dein Leben kein Fehler ist?!“ Wieso? #weilduwaswertbist

      Déborah Rosenkranz,

      37, Sängerin und Buchautorin, tourt seit Jahren durch verschiedenste Länder der Welt. Sie hat eine Einrichtung für Mädchen mit Essstörungen mit initiiert und gewann hierfür 2016 den Emotion Award für „Soziale Werte“. Ihre Plattform der Musik nutzt sie, um Menschen zu ermutigen und Hoffnung weiterzugeben.

      Höre den Song zu Déborahs Geschichte auf ihrem YouTube Kanal: „Ein Gebet“.

       www.deborah-rosenkranz.com

      Tankstelle der Liebe

       Michael Stahl

      Foto: Anne Rottler

      „Was für eine Herausforderung!“, dachte ich mir, als mein Freund David Kadel mich darum bat, ein Kapitel zu diesem wunderbaren Buch beizusteuern, das zur Ermutigung für Jugendliche dienen soll. Ich dachte an viele wunderbare Kids, die ich in meinem Dienst als Trainer für Selbstbehauptung und als Vortragsredner in vielen Projekten kennenlernen durfte, und ich fühlte mich dieser Aufgabe kaum bis gar nicht gewachsen. Im Gegenteil, ich sagte David, diese Kids sollten für uns ein Buch schreiben, aus dem wir lernen können. Na ja, nun sitze ich hier am PC und ringe mit meinen Gedanken und meinem Herzen.

      Ein Maler wurde mal gefragt, wie er es schafft, Licht in einem Bild zu erzeugen. Seine Antwort darauf war: „Indem ich viele Schatten male!“ Ja, so werde ich Dir nun von ein paar Schatten meines Lebens berichten, in der Hoffnung, dass das Licht dadurch bei Dir mehr und mehr zum Leuchten kommt und damit Hoffnung, Trost und Kraft verbreitet.

      Ich bin Jahrgang 1970, also schon ein ziemlich alter Knochen. Ich wuchs in sehr ärmlichen Verhältnissen auf. Ein eigenes Zimmer hatte ich nicht; stattdessen musste ich als kleiner Knirps mit meinem Papa auf Betteltouren gehen, um irgendwie zu überleben. In der Schule hatte ich oft auch nichts zu lachen. Da waren ein paar Jungs, die es auf mich abgesehen hatten, und das über Jahre hinweg. Heute, viele Jahre danach, kenne ich ein Stück der Geschichte von denen, die mir damals wehgetan haben. Ich stellte fest, dass es ihnen selbst nicht gut ging. All die Verletzungen, die Gemeinheiten und die Lieblosigkeiten, die sie mir entgegenbrachten, haben sie selbst davor von anderen Menschen abbekommen. Heute verstehe ich sie sogar, was aber nichts an der Tatsache ändert, dass es gemein und verletzend war.

      Oh Mann, was hatte ich für eine Kindheit! Der Papa ging jeden Tag in die Kneipe, in der Schule wurde ich nicht selten gejagt und lächerlich gemacht. Doch in all dem gab es einen Ort, an dem ich mich sicher und geborgen fühlte. Es war und ist die kleine Kirche in unserem Dorf. Schon als kleiner Junge erzählte mir meine Oma von Jesus, diesem wunderbaren Mann, welcher der Grund für Weihnachten und Ostern ist. Jesus, der alle Menschen liebt, der für die Armen, Schwachen und Ausgestoßenen da war. Ja, all das passte auch zu mir. Wenn also Menschen mir mal wieder was Schlimmes antaten, dann

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