SchattenSchnee. Nané Lénard

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SchattenSchnee - Nané Lénard

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Das gibt’s ja nicht“, staunte Nadja. „Sagt das der Genabgleich? Nee, damit hätte ich wirklich nicht gerechnet. Warum macht denn jemand so was?“

      „Keine Ahnung“, kam es von Enno. „Auf diese Weise ist es jedenfalls nicht verwunderlich, wenn sich trotz erhöhter HCG-Werte kein Embryo in der Gebärmutter befand.“

      „Okay, lass uns mal fantasieren“, überlegte Nadja laut. „Wir haben eine Frau, die ein Fortpflanzungsorgan in sich trägt, das nicht ihr eigenes ist. Warum? Und wo ist ihr eigenes oder hatte sie nur einfach kein funktionierendes? So etwas gibt es ja auch, aber dann wäre sie nicht schwanger gewesen. Also: Man hat ihren eigenen graviden Uterus entfernt, aber warum lag der einer anderen Frau in ihr?“

      „Ein inoffizieller Abort? Vielleicht gegen Geld? Niemand sollte von der Schwangerschaft erfahren? Du denkst, es könnte bei einem heimlichen Eingriff etwas schiefgelaufen sein?“

      „Das würde zumindest erklären, warum man sie so liebevoll in den Park gebettet hat“, sagte Nadja.

      „Ist romantisch, aber unlogisch“, meinte Enno.

      „Inwiefern?“

      „Warum sollte man ihr die Gebärmutter mit Fötus entfernen und eine andere ohne Kind einsetzen?“, wollte Enno wissen. „Ein einfacher Schwangerschaftsabbruch hätte es da auch getan.“

      „Vielleicht war sie doch schon zu weit“, überlegte Nadja laut, „aber ich muss dir recht geben. Dann wäre immer noch eine illegitime Beendigung der Gravidität möglich gewesen.“

      „Denkst du an eine Art Engelmacher oder an einen Trank aus Sadebeeren?“, erkundigte sich Doktor Enno Liebermann.

      „So in etwa“, bestätigte Nadja. „Oder sie hat gerade ein Kind verloren, was die Gebärmutter geschädigt hat, weswegen sie eine neue brauchte.“

      Enno schüttelte den Kopf. „Dann hätte man das Organ doch wenigstens festgenäht, aber dafür ist trotzdem der Hormonwert zu hoch. Wäre der Fötus abgegangen, hätte es vorab schon einen Abfall der HCG-Konzentration gegeben.“

      „Stimmt“, gab Nadja zu, „es ist noch zu früh am Tag. Ich hatte einen Denkfehler. Es würde auf die Art nur einen Sinn machen, wenn wir eine andere Gebärmutter – chirurgisch einwandfrei transplantiert – mit einem Kind in ihr gefunden hätten, aber so etwas ist wiederum völlig unmöglich.“

      „So oder so wird kein Schuh daraus“, stöhnte Enno. „Die Intention des Täters liegt vollkommen im Dunklen.“

      „Leider“, bedauerte Nadja. „Es ist einfach nur pervers. Wer stiehlt einer Frau das ungeborene Kind und gleichzeitig die Möglichkeit, jemals wieder schwanger zu werden?“

      „Einer, dem ihr Weiterleben augenscheinlich so oder so egal war“, vermutete Enno. „Darum liegt sie bei uns auf dem Tisch.“

      „Ich war bisher immer von einem unglücklichen Versehen, einem Kunstfehler oder Ähnlichem ausgegangen“, erklärte Nadja. „Verstehe ich dich richtig, dass du pure Absicht vermutest? Jemand wollte TEILE von ihr?“

      „Genau!“

      „Das glaube ich nicht“, wandte Nadja ein. „Erstens spricht die Auffindesituation dagegen. Als Ersatzteillager hätte man sie irgendwo in einen Container oder auf die Müllkippe schmeißen können. Und, was noch viel entscheidender ist: Derjenige hätte sich garantiert keine Schwangere ausgesucht, wäre es nur darum gegangen, jemandem eine intakte Gebärmutter einzusetzen. Das ist ja überhaupt erst seit Kurzem möglich.“

      „Möglicherweise hat der Täter das weder geahnt noch bemerkt, und die Frau konnte es ihm auch nicht mehr sagen, dass sie guter Hoffnung ist“, schlug Enno vor.

      „Das wiederum spräche gegen ein Projekt, das aus finanziellen Gründen zustande gekommen ist. Wir haben hier dann keine gut bezahlte Prostituierte oder Lebendspenderin vor uns. Das hätte übrigens auch genetisch passen müssen. Woher sollte der Täter so etwas wissen? Eine Abstoßungsreaktion wäre vorprogrammiert.“

      „Also Entführung? Würde dann auch keinen Sinn machen.“

      „Trotzdem. Wir spielen es mal durch“, sagte Nadja. „Das Opfer wird gekidnappt. Nehmen wir mal an, es wird sofort betäubt oder gleich narkotisiert und dann geknebelt und gefesselt. Frage: Hat man sie bewusst nach genetischen Gesichtspunkten ausgesucht oder nach Optik?“

      „Das ist erst mal nicht relevant“, meinte Enno. „Sprich einfach weiter, wie dir der Schnabel gewachsen ist. Nur so funktioniert Brainstorming.“

      „Also gut“, fuhr Doktor Nadja Serafin fort. „Man hat sie für die OP vorbereitet und den Bauchraum eröffnet. Dabei müsste man die Vergrößerung des Organs gesehen haben, den auch eine noch nicht allzu weit fortgeschrittene Schwangerschaft verursacht. Man hätte den Uterus also niemals entfernt. Das würde sonst lebensbedrohliche Blutungen verursacht haben. Wir hätten sie im Park also entweder gar nicht gefunden, weil man sie einfach wieder zugenäht hätte, oder man hätte sie zwar verblutet, aber ohne Gebärmutter dort gefunden.“

      „Wie wir es drehen und wenden, für das fremde Organ gibt es keine Erklärung“, stimmte Enno zu.

      Nadja seufzte. „Warten wir also die anderen Untersuchungen ab. Vielleicht bringen die uns weiter.“

      Weitere Erkenntnisse

      Kurz vor 13 Uhr fuhr Wolf Hetzer mit seinem Elektrorolli bergab in Richtung Ulmenallee. Die diensthabenden Kommissare hatten sich zur Lagebesprechung verabredet und ihn dazugebeten. Wenn er ehrlich war, hätte er sich nach den anstrengenden Morgenübungen mit seinem Therapeuten am liebsten hingelegt, aber so etwas wollte er gar nicht erst anfangen. Damit begann die Verweichlichung. Außerdem wollte er sich keine Blöße geben. Der alte, versehrte Knacker würde pünktlich vor Ort sein, um nichts zu verpassen. Er konnte halt nicht aus seiner Haut. Der Fall interessierte ihn, weil er so ungewöhnlich war. Hätte einfach einer den anderen erschlagen, könnten sie gerne ohne ihn ermitteln. Vorsichtig passierte er den Fußgängerüberweg an der Herminenstraße und rollte kurze Zeit später an der Grundschule am Harrl vorbei. In den Klassen war noch Betrieb.

      Zwei Minuten vor eins stand er oben im Flur vor dem Besprechungsraum und klopfte. Sie hatten schon auf ihn gewartet und freundlicherweise nicht ohne ihn begonnen. Gegen 14 Uhr wollte die Rechtsmedizin hinzustoßen, um weitere Ergebnisse zu präsentieren, die dann auch gleich erörtert werden sollten.

      Wolf Hetzer staunte nicht schlecht über die Geschichte mit der fremden Gebärmutter, konnte sich aber auch keinen Reim darauf machen. Die Sache war bizarr. Entweder hatten sie es mit einem Verrückten zu tun oder sie verstanden einfach noch nicht, worum es ging.

      „Wisst ihr denn inzwischen, wer die Tote ist?“, fragte er ins schweigsame Grübeln hinein. Jeder hing irgendwie seinen Gedanken nach.

      „Nein, wir haben leider noch keine Ahnung“, gab Nadine zu. „In unserer Vermisstendatei gibt es niemanden, der so aussieht, aber ich werde später noch via Interpol suchen, auch wenn ich mir davon nicht viel verspreche.“

      „Kann man nie wissen“, wandte Wolf ein. „Was Neues wegen der Schrift?“

      Niklas stöhnte. „Wir haben uns an ein paar Sätzen versucht, die man aus den Anfangsbuchstaben konstruieren könnte, kommen aber zu der Erkenntnis, dass das nicht der Weisheit letzter

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