Staat(sordnung), Entwicklung und Demokratie. Andreas Kislinger

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Staat(sordnung), Entwicklung und Demokratie - Andreas Kislinger

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sie weiterhin die ganze Gemeinschaft dazu heran, ihre Aufgaben wahrzunehmen (Kriege, öffentliche Arbeiten...), sowohl in Form persönlicher Leistung als auch in Abpressung von Mehrarbeit durch Steuern, Abgaben, Wegegeld, Frondienste, usw.."

      Der von Hegel eingebrachte Begriff der Entäußerung wird von Marx im Sinne von Verdinglichung und Entfremdung verwendet (WIKIPEDIA, 'Entäußerung, Marx'). Zur Verdinglichung und Entfremdung kommt es bereits im Verlauf und auch als Folge erster Spezialisierung und betriebswirtschaftlicher Organisation von Staatsfunktionen.

      "Der Prozeß der Usurpation [in Besitz nehmen, widerrechtlich die Macht an sich reißen] ergibt sich daraus, daß die Träger der politischen Macht sich als Vertreter des allgemeinen Interesses darzustellen und damit ihre Herrschaft und ihre Macht zu rechtfertigen suchen...(BASSO 1975, S. 17)"

      Bezüglich des Prozesses der Klassenunterdrückung, der bereits in den Anfangsstadien des Territorialstaates, der scheinbar naturgesetzlich und ganz zwangläufig auftritt, kann man von folgendem Schema von Marx ausgehen, der auf den elementaren Umstand hinweist, dass die Klassengesellschaft im Wesentlichen dichotom ist und heute seit jeher aus den oppositionellen Interessengemeinschaften Herrschern und Beherrschten besteht (vgl. WIKIPEDIA, 'Soziale Klasse').

      Ob die für die Entstehungsphasen von Staaten charakteristischen Kriege geführt werden, entscheidet in Staaten mit deren hierarchisch aufgebauten Gesellschaften eine herrschende, häufig transnationale Klasse, und stellt die dafür nötigen Mittel bereit, die sie durch monetäre und substanzielle Abschöpfung aus dem Volkseigentum und dem psychischen Apparat des Volkes generiert. – Den mittelalterlichen Adel führt MANN (1998, S. 47) als Beispiel einer herrschenden, transnationalen Klasse an:

      "Beispiel für eine transnationale Klasse ist der mittelalterliche Adel, dessen Verwandtschaftsverbände sich über ganz Europa erstreckten und der nicht nur seine eigene Klassendiplomatie betrieb, sondern auch viele Kriege führte."

      REINHARD (2007, S. 78) beschreibt die abendländische Kriegskultur, ausgehend von der Antike, und unterscheidet dabei vier Punkte:

      "[E]rstens die Disziplin geschlossener Infanterieformationen, zweitens der Wille zur Vernichtung der gegnerischen Kampfkraft (was nicht unbedingt auf die Tötung der Feinde hinauslaufen musste), drittens das Streben nach technischer Überlegenheit..., viertens die wirtschaftliche und politische Fähigkeit, dafür die nötigen Ressourcen zu mobilisieren."

      Spätestens ab dem Mittelalter, in dem es nur den Begüterten möglich war, die persönlichen Rüstungen zu finanzieren, kämpft später in den Fürstentümern, Reichen und Staaten das gemeine Fußvolk, allen voran die Männer, zum Beispiel in den ersten Reihen der Infanterie. Davon abgehoben, die Ritter und später allgemein die Kommandierenden, entstammen nicht dem Fußvolk (vgl. WIKIPEDIA, 'Geschichte der militärischen Taktiken, Mittelalter'), sondern einer ökonomisch besser gestellten Klasse.

      Besonders bei vormodernen Staaten, aber auch später durchwegs beobachtbar, ist bei der Kriegsführung in erster Linie die ganze männliche Bevölkerung involviert.

      Bei modernen Staaten verändert sich zumindest ein Teil der Kriege zu Cyberkriegen, bei welchen die feindliche Staatsmacht, deren militärische wie zivilstaatliche Einheiten per Technologie von außerhalb der territorialen Staatsgrenzen lahmgelegt werden und in Folge für den bekämpften Staat selbst nicht mehr nutz- und einsetzbar ist (vgl. WIKIPEDIA, 'Cyberkrieg').

      Der nationalstaatlich (oder der von einer, dem Nationalstaat zurechenbaren, transnationalen Klasse) durchgeführte militärische Angriff auf das fremde Staatsterritorium und dessen Eigentum wird dabei nur mittels informationstechnischer Infrastruktur und ohne Land- und Luftstreitkräfte, etc. umgesetzt.

      Dieses Beispiel zeigt die Durchlässigkeit der geographisch und politisch manifesten Territorialstaatsgrenze im 21. Jahrhundert und die Macht der digitalen, militärischen Steuerung von zunächst virtuellen, aber dann de facto grenzüberschreitenden Handlungen. Die Kategorien Staatsgebiet, Staatsgewalt und Staatsvolk weiten sich dabei auf die Gebiete des fremden Staatsterritoriums aus.

      Andererseits zeigt die Coronakrise 2020/21 wie sehr die nationalstaatlichen Grenzen wieder an Bedeutung gewinnen können.

      Psychologische Bedingungsvoraussetzungen des Kriegsführens

      Für sämtliche Kriegshandlungen kommt eine spezifische psychische Identität zum Tragen: Bei diesem Thema sollte das empirische ForscherInneninteresse sich auch auf eine relevante Mikroebene begeben und das in der Geschichte konstante, kollektiv gegebene Männerbild untersuchen als sozialpsy-chologisch permanent virulent gegebene Voraussetzung und Begleiterscheinung des Krieg-Umsetzens. Das ursprünglich auch von unten und hinten durch die mütterlichen, die Männer (komplizenhaft) unterstützenden Handlungsvektoren bespeist wurden und werden.

      Das individuelle Phänomen eines bestimmten Männer- und Frauenbildes ist insofern auch auf einer Mesoebene beobachtbar, als es sich dabei um ein kollektives Phänomen handelt, das über die Größenordnung von Gruppen hinaus auch auf der Ebene von Klassen und Nationen zumindest als Teilphänomen isolierbar ist.

      Das, was in den Geschichtsbüchern über das Kriegführen steht, ist das Schema einer auf einer Makroebene lokalisierbaren, das die von starken Männern geleitete kriegslüsterne Machtgehabe zum Thema auserkoren hat.

      Wenn bei dieser historischen 'Analyse' der Aspekt des zugefügten, massenindividuell erfahrbaren Leides in den Hintergrund tritt, ist diese Form der 'Analyse' sui generis als männerdominert und durch die die Männer konstituierenden und durch sie konstituierten und wirksamen Machthierarchien und deren willfährig gemachten und/oder bereitwillig zur Verfügung stehenden und jederzeit ausbeutbaren ExekutorInnen gekennzeichnet und getragen: Krieg bedeutet immer, wie auch in der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts, Zerstörung, Besitzverlust, Flucht, ständige Todesangst, Verzweiflung, permanente Schlaflosigkeit, Hungersnöte, Krankheit und Tod der vielen Unteren, die nicht nur im Außen eines Staates, sondern auch im Innen Platz greifen.

      Der Nationalstaat ist ein komplexes und sehr widersprüchliches Konstrukt, das neben geschichtlichen Prozessen zur Erklärung für dessen Zusammensetzung und Konstitution eine Reihe von möglichst multikausalen Definitionsnotwendigkeiten aufweist und aufweisen muss, will das Ziel einer politischen Theoriebildung verfolgt werden, den Realitätsbestand dieses Phänomens nachzuzeichnen. Mehrere Definitionen können dann als Grundlage einer weiteren Modellbildung für eine Theorie herangezogen werden. Im Folgenden soll versucht werden, die erste Stufe einer multiplexen und multikausalen Definitionsbildung und -zusammenstellung, zu zeichnen.

      Von der Konstitution des Staatsvolkes ausgehend kann auf einer psychologischen Ebene konstatiert werden, dass mehrere Einzelne, die Großfamilie, soziale Klassen, lokale Initiativen, Verbände, Wirtschaftsunternehmen, regionale Verbände, Kooperationen und Zusammenschlüsse auf höherer organisationaler (und entwicklungsgeschichtlich später: der völkerrechtlichen) Ebene zum Staatsvolk werden, das die Basis einer Nation darstellt.

      Die Entstehung des modernen Nationalstaates,

      "...zunächst in England und Frankreich, dann auch in modifizierter Form als Territorialstaat im Bereich des deutschen Reiches...(BERG-SCHLOSSER/STAMMEN 2013, S. 17)"

      setzt in der Neuzeit ein. WIKIPEDIA setzt die Neuzeit im Zeitraum der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert an.

      "Der Staat gründet..auf ganz neue Prinzipien wie Souveränität, Staatsräson [der Grundsatz, in bestimmten Situationen die Rechte des Staates über die Rechte der einzelnen

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