Staat(sordnung), Entwicklung und Demokratie. Andreas Kislinger

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Staat(sordnung), Entwicklung und Demokratie - Andreas Kislinger

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      BÜHL (1970, S. 178f) beschreibt unterschiedliche gesellschaftliche und politische Entwicklungsphasen und -formen des Staates:

      "Im Hinblick auf die Schichtung bleibt dieser Wandel...im Fortschritt von der Adelsnation(*) zur bürgerlichen Mittelschicht-Nation(*), zur demokratischen und sozialistisch-proletarischen Nation(*) bestehen; im Hinblick auf die Erweiterung des Territoriums bzw. auf die zunehmende Loslösung vom Territorialprinzip stellt er sich als ein Übergang von der Stammes- zur Dorfgemeinschaft und Feudalgesellschaft, vom Stadtstaat zum Nationalstaat und zum übernationalen politischen Verband dar."

      Diese oben ausgeführte Logik von (Staats-)Entwicklung geht von kleinen organisationalen Strukturen und Einheiten aus und, unter Loslösung vom territorialen Prinzip, zu immer größer werdenden, übernationalen Vernetzungen.

      Einer Nation kommt in diesem Schema eine mittlere Dimension zu, die soziale und politische Schichten und Klassen zu einer größeren geografisch-territorialen Einheit verbindet, die kleinere Regionen und Subeinheiten beinhaltet.

      HARTMANN (2011, S. 13) bezieht sich auf den Staatsrechtler JELLINEK (1914), wenn er die Qualität des politischen Staatsgebildes nach drei Kriterien bemisst, was sich als 'drei Elementen Lehre' in der Staatslehre und in der politischen Theorie konstitutiert und durchgesetzt hat:

       Bestimmung des Staatsgebietes,

       Bestimmung des Staatsvolkes und

       die Effektivität der Staatsgewalt.

      Gemäß dem letzten Kriterium geht es um die Durchsetzung(sfähigkeit) der für das Staatsvolk und -gebiet geltenden Rechtsnormen (HARTMANN 2011, S. 13), die die Regierungsspitze und den Staat permanent am Leben halten und mit neuen Gesetzen zu deren Durchsetzung verhilft.

      Der Gegenstand des Staatsorganisationsrechtes umfasst die innere Differenzierung des Staates und den von seinem Organisationsprozess der politischen Willensbildung umrissenen Organisationsprinzip (s.o. S. 14).

      Wie sich Territorial- bzw. Nationalstaaten zusammensetzen und wie sie sich mit nationalstaatlicher Willensbildung, Herausbildung des Gewaltmonopols und anderen Faktoren zu einem staatlichen Gebilde hochzüchten und -stilisieren, ist die Frage, die in diesem Kapitel im Zentrum steht.

      Dabei wird zumeist implizit von der These ausgegangen, dass das jeweilige Staatsgebilde eine erstrebenswerte hochentwickelte Organisationsform sei, nämlich eine Rechts- und Gesellschaftsform und eine bestimmte Form der Anordnung und Konstellation des Sozialen, das ein attraktives staatliches Organisations- und (Über-)Lebensmodell darstellt.

      Und viel seltener wird dabei der Betrachtungsstandpunkt eingenommen, der den staatlichen Werdungsprozess in einer Weise thematisiert, die die Aspekte und Impulse von Unterdrückung und psychologisch ständig wirksamer Abspaltung als Voraussetzung für eine Staatsbildung und -aufrechterhaltung im Mittelpunkt stehen lässt und abbildet.

      Die Verwandtschaftsverbände, die bereits als konstituierend für transnationale Klassen im Mittelalter thematisiert wurden, sieht MANN (1998, S. 48) ausschließlich als nach innen gerichtete Klasse mit vornehmlich nationaler Ausrichtung: Hier treten Klassen bezüglich der Identität des Staates miteinander in Konkurrenz:

      "Klassen können sich in innere Kämpfe um die Identität der Nation verstricken, ihr Nationalgefühl bleibt nach innen gerichtet – für internationale Angelegenheiten sind sie und fühlen sie sich nicht zuständig."

      Da das innerpolitische Kräftemessen der Klassen um die Einflussnahme auf den Nationalstaat gerichtet ist, bleiben internationale Wirkungsrichtungen ausgespart bzw. nicht in deren primären Interessensbereich. Die nationalstaatlich-historisch zu betrachtende, nach innen gerichtete Selbstbestimmung des Volkes/der Völker als Ganzes hat sich analog zur Klassenbildung durch einen 'Vergruppungsprozess' ausdifferenziert, bei dem die Völker ihre Souveränität erst mittels Selbstbestimmung erringen mussten.

      Das ist ein Argument dafür, dass Nationen historisch auf bestimmten Volks- oder Völkergruppierungen aufbauen, die für jegliche Identitätsbildung der Nation zentral sind. Dem von Bühl zitierten nicht hinreichende Ausschließlichkeit einer ethnischen Betrachtungsweise bezüglich der Bestimmung von Nation ist weiters insofern Recht zu geben, als die Wurzeln einer Nation nicht verallgemeinerbar und daher qualitativ auf tiefere (politisch verortbare) Schichten bezogen analysiert werden müssen.

      Anzustreben wäre eine Theoriebildung, die klassenidentitätspolitische und sprachlich-ethnisch-volksbezogene Variablen in einer angemessenen Weise verbindet.

      Aus soziologischer Sicht ist bei der 'Nationwerdung' ein Vorgang der Differenzierung zentral, der sich aus psychologischer Sicht auch als ein Prozess der 'Vergruppung' zeigt. Vergruppung als Ausgangspunkt von Vergesellschaftung einerseits und von Vergemeinschaftung andererseits.

      "[Die Nation]...wird zur Grundform menschlicher Vergemeinschaftung," schreibt BÜHL (1970, S. 178). "...[A]n die Stelle eines universellen Gesellschaftsbegriffs tritt ein universeller Gemeinschaftsbegriff(*)."

      Der Prozess der Nationwerdung definiert das Gesellschaftsmodell aus Sicht der Struktur des Staatsinneren (in Form von Differenzierung und Integration), während das Gemeinschaftsmodell sich an diesen Prozess von der Großgruppe her annähert (s.o.).

      "...Während das Gesellschaftsmodell den Prozeß der Nationwerdung(*) sozusagen von seiner inneren Struktur her definierte, als einen Prozeß der zunehmenden Differenzierung und der gleichlaufenden Integration, ist für das Gemeinschaftsmodell dieser Prozeß der sich verändernden Struktur unproblematisch;...es bleibt der Prozeß einer im Umfang zunehmenden gesellschaftlichen Vergruppung (* ; BÜHL 1970, S. 178)."

      Die Kategorien Vergesellschaftung-Vergemeinschaftung-Differenzierung-Vergruppung sind neutral und bilden den ständig wirksamen Ereignis- und Tatbestand von Ausbeutung, der grundlegend für jegliche Organisationsleistung und Nationsbildung ist, nicht ab.

      Die anfangs ausgeführten Kategorien fordern das aber als zentrales Grundelement ein. BASSO (1975, S. 16f) isoliert die Faktoren des für die erste Formbildung und Herausbildung einer gleichlaufenden Integra-tion des Staates essentiellen Differenzierungsprozesses mit 'Arbeitsteilung', 'Entäußerung', 'Usurpation' und 'Klassenunterdrückung' (a.a.O.).

      Dieser Prozess, der sich als staatlich-gesellschaftliche Differenzierung beschreiben lässt, bedeutet auch, dass sich auf sozial-soziologischer Ebene Klassen bilden und das führt direkt zu den drei Kategorien von Basso.

      Die Identität und das Selbstbewusstsein einer nationszentrierten Weltanschauung, haben Werthaltungen zum Inhalt, die einer vorherrschenden national sich verankernden und -definierenden Bevölkerungsschicht entspricht.

      Beim Nationalismus grenzen und heben sich mehrere, zentrale Bevölkerungsteile des Volkes von ihrer Umwelt ab. Eine Nation wird weitgehend von einer gemeinsamen Weltanschauung 'zusammengehalten', der nationalistische Anteil einer Bevölkerung verabsolutiert aber den Nationalstaat und dessen Grenzen (siehe 'Nationalismus', WIKIPEDIA):

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