Der Bierzauberer. Günther Thömmes

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Der Bierzauberer - Günther Thömmes

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heiße Teig hatte ihm beim ersten Mal an den Händen gebrannt und ziemlich wehgetan, aber nach ein paar Brau­tagen hatte es ihm nichts mehr ausgemacht.

      Als nach etwa eineinhalb Stunden alle acht Brote wieder auf diese Weise in den Zuber zurückgekehrt waren, nahm seine Mutter den Wasserkessel und schüttete das heiße Wasser zu den matschigen Broten. Niklas fing erneut an zu rühren, bis er seine Arme nicht mehr spürte.

      In der Zwischenzeit füllte seine Mutter wieder etwas Wasser in den Kessel und gab einige Kräuter hinzu. Was sie genau hinzugab, verriet sie niemandem, aber Niklas wusste, dass es eine Mischung aus Wacholder, Eichenlaub und Laub und Rinde der Esche war.

      Einige Zutaten erklärte sie, obwohl Niklas das meiste nicht verstand:

      »Wacholder treibt den Harn und reinigt das Blut. Das Laub der Eiche hilft der Verdauung. Die Esche mildert Leiden an Gicht und Rheuma oder Frauenleiden, verzehrt das böse Phlegma im Menschen und erweicht die Milz.«

      Jedes Haus hatte sein ganz eigenes Rezept. Sein Vater jedenfalls lobte ›sein‹ Bier immer ganz besonders. Die Rezepte konnten in besonderen Fällen tüchtig abgewandelt werden. Bier und die Kräuter darin wurden gegen fast alle Krankheiten eingesetzt. Nachdem die Kräuter, die die Mutter in den Topf gegeben hatte, kurz aufgekocht waren, wurden sie zum Sud dazugegeben.

      Nun vermischte sich der herbwürzige, loheartige Geruch der Kräuter mit dem süßen, aromatischen Duft des Brotes.

      Ein letztes Umrühren, dann war die Arbeit getan; jetzt halfen nur noch Glück und Beten.

      Es hatte in der späten Nacht ein Gewitter gegeben, das galt schon als gutes Omen. Niklas’ Mutter legte außerdem immer ein Brot auf den Zuber, nachdem dieser erkaltet und abgedeckt worden war. Dieser Glücksbringer hatte sich in vielen Fällen bewährt.

      Bis jetzt hatten sie gerade so viel schlechtes Sauerbier produziert, um nicht aufzufallen.

      Warum ein Bier einmal gut geriet, ein andermal hingegen sauer wurde, davon hatte Niklas, genau wie seine Eltern, keine Ahnung.

      Ebenso wenig aber konnte er ahnen, dass kaum 30 Jahre später wahrscheinlich kein anderer Mensch auf der ganzen Welt so viel vom Bierbrauen verstand wie er, der kleine, arme Bauernsohn aus dem Fränkischen, der bis dahin ein wohlhabender Mann geworden war.

      Das Michaelisbier gelang übrigens vortrefflich, und Niklas war mit seiner Mutter sehr stolz darauf. Am stolzesten jedoch war sein Vater auf ›sein‹ Bier.

      2

      Mit dem Tod Friedrichs II. im Jahre 1250 endete die 200-jährige Herrschaft der Staufer. Die Stauferzeit hinterließ eine vielfältige und großartige Kultur, im Deutschen Reich wie im übrigen Europa.

      In Paris und Bologna öffneten die ersten Universitäten. Franz von Assisi und Dominikus gründeten bedeutende Orden.

      Nach Friedrich II. führte der schon lange andauernde Kampf zwischen Papst und Kaiser zu einer Schwächung beider Ämter und zum sogenannten ›Interregnum‹, der kaiserlosen Zeit, von 1256 bis 1273. Danach wurde Rudolf von Habsburg deutscher König.

      Zunächst entfaltete das Papsttum nach dem Ende der Staufer im Glauben an den Sieg über alle weltlichen Gewalten seine allumfassende Machtfülle. Dem Reichtum der Kirche stand jedoch in weiten Teilen Europas eine unvorstellbare Armut des einfachen Volkes gegenüber.

      In dieser Zeit des Wandels und des Aufbruchs wurde im Jahre 1248 in dem kleinen fränkischen Dorf Hahnfurt, etwa 40 Kilometer von Nürnberg entfernt, der kleine Niklas als Sohn des unfreien Bauern Michael geboren. Weder Michael noch seine Frau, die Bauerntochter Elisabeth, nahmen von den politischen und kulturellen Umwälzungen sonderlich Kenntnis. Seit die Hohenzollern im Jahre 1192 Burggrafen von Nürnberg geworden waren, hatte lediglich der Herr gewechselt, die Umstände der einfachen Leute waren gleich geblieben. Hart war das Leben, der ständige Kampf ums tägliche Brot, die Abgaben an Obrigkeit und Klerus.

      Die andauernden Bemühungen, die Familie zu ernähren, ließen die Menschen vorzeitig altern. Niklas’ Vater sah mit 34 Jahren aus wie ein alter Mann, der Rücken gebeugt, das Gesicht voller Sorgenfalten. Auch die Mutter hatte innerhalb von zwölf Jahren viel von dem verloren, weshalb Michael damals um ihre Hand angehalten hatte. Die einstmals vollen, rosigen Backen hatten schon einiges von ihrer Frische verloren. Und schmaler waren sie ebenfalls geworden.

      Sieben Geburten, die beiden Erstgeborenen überlebten das erste Jahr nicht, hatten nicht nur im Gesicht Spuren hinterlassen.

      Niklas’ Geburt war von Vorzeichen umwölkt, die Sonne verfinsterte sich zur Zeit der Niederkunft seiner Mutter; die plötzliche Dunkelheit drinnen, dazu Blitze, Sturm und Donner draußen vor der Tür, verwandelten die Stube, in der Elisabeth das Kind zur Welt bringen sollte, in ein mitternächtliches Panoptikum, obwohl es heller Tag war. Und auch er machte nicht den kräftigsten Eindruck, als seine Mutter ihn nach der Geburt und nachdem die Sonne wieder schien, auf den Arm nahm.

      Michael hatte befürchtet, dass schon wieder eine schnelle Nottaufe, mit Wasser anstatt mit Milch oder Bier, fällig würde, jedoch Elisabeth gab ihm den Jungen und flüsterte mit mütterlicher Intuition:

      »Ich glaube an diese Vorzeichen. Der Junge kommt durch, er soll Niklas heißen. Ich möchte, dass er in einer Woche getauft wird.«

      Kinder wurden schnell, innerhalb von zehn Tagen nach der Geburt, getauft, um sie von der Sünde der Erbschuld zu befreien. Und Elisabeth und Michael glaubten, dass getaufte Kinder bessere Überlebenschancen hatten als ungetaufte. Sollten die Feen doch andere neugeborene, ungetaufte, noch namenlose Kinder rauben; aber nicht ihren Niklas.

      Elisabeth sollte recht behalten, und nach kurzer Zeit war klar, dass der Junge kräftig genug war, um zu überleben. Als wäre mit Niklas’ Geburt der Bann gebrochen worden, gab es bei den nächsten Entbindungen keine Nottaufen mehr. Regelmäßig kam so jedes zweite Jahr ein gesundes Kind zur Welt: Matthias, Elisabeth, Ruth und Adelheid.

      Niklas wuchs die ersten sechs Jahre in einem Elternhaus auf, das ihn so gut behütete, wie es möglich war. Einerseits die Angst der Eltern, dass ihnen das erste Kind, das überlebt hatte, durch Unfall oder Krankheit wieder genommen werden würde.

      Auf der anderen Seite waren die Eltern viel zu sehr mit dem täglichen Existenzkampf beschäftigt. Michael und Elisabeth mühten sich nach Kräften, die ständig hungrigen Mäuler zu stopfen. Da boten sich Niklas natürlich viele Gelegenheiten zu Streichen und Abenteuern, kleinen Schlägereien mit anderen Jungen und allerlei sonstigen Unternehmungen.

      Diese unbeschwerte Zeit fand mit Niklas’ sechstem Geburtstag ein Ende. Um diese Zeit war aus dem schmächtigen, um ein Haar notgetauften Kind ein aufgeweckter Junge geworden. Er war zwar nicht der Größte und Kräftigste, hatte sich aber durch zahllose Raufereien mit anderen Kindern eine Zähigkeit zugelegt, die den anderen Respekt einflößte.

      Und seine wachen Augen, seine Stupsnase, seine verstrubbelten Haare signalisierten jedem: Bitte nicht unterschätzen!

      Da die Mutter gerade das dritte Kind zur Welt gebracht hatte und diesmal sehr schwach auf den Beinen war, musste Niklas im Haushalt mit anfassen und der Mutter alle Arbeiten abnehmen, die er erledigen konnte.

      Sobald dabei der Reiz des Neuen verschwunden war, was nicht lange dauerte, langweilte er sich schnell. Dann empfand er alle Arbeiten als mühsam und er fiel jeden Abend nur noch todmüde ins Bett. Die für einen kleinen Jungen sehr anstrengende Arbeit, die vielen Handreichungen für die Mutter hatten ihm schnell jeden Gedanken an

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