Der Bierzauberer. Günther Thömmes

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Der Bierzauberer - Günther Thömmes

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Außer der kleinen Hahnfurter Dorfkirche hatte er noch niemals ein Gebäude aus Stein gesehen. Alle Häuser, die er kannte, waren aus Holz, Lehm und Stroh notdürftig zusammengeflickt. Dass es eine solche Pracht überhaupt gab, hätte er sich niemals vorstellen können.

      Dabei hatte das Kloster nicht einmal den Gipfel seines Reichtums erreicht, auch die große Kapelle war nach fast 100 Jahren Bauzeit immer noch nicht ganz fertiggestellt. Dennoch war das, was im Klosterhof zu sehen war, für die Augen einfacher Menschen beeindruckend.

      Mit einer in Franken neuen Bauweise hatte man die Hauptgebäude des Klosters errichtet. Kräftige senkrechte, hölzerne Balken sorgten für die aufrechte Stärke der Gebäude. Waagerechte Hölzer lagen als Riegel dazwischen, um der ganzen Konstruktion die nötige Stabilität zu verleihen. Die Gefache zwischen Ständern und Riegeln waren fein und weiß verputzt, was den Eindruck von Reichtum und Sauberkeit noch unterstrich.

      An einer Stelle eines Gebäudes wurde gearbeitet, und so sah Niklas, dass die Gefache vor dem Verputzen mit Ziegeln gefüllt wurden. Das Hauptgebäude war am prächtigsten. Hier war das Untergeschoss aus festem, behauenem Stein, darauf hatte man eine neue, Fachwerk genannte Bauweise gesetzt.

      Vom Hof aus sah man reges Treiben, im Garten arbeitete eine Gruppe Mönche, und man konnte sogar in den Weinberg sehen, in dem ein paar Brüder mit Hacken den Boden bearbeiteten. Einen der Mönche sah Niklas mit einer großen, leeren Schüssel zu einem großen Bienenhaus eilen.

      In der Mitte des Klosterhofs stand ein gewaltiger Lindenbaum, der größte, den Niklas und Michael jemals gesehen hatten.

      »Der ist ja fast so groß wie der Weltenbaum«, flüsterte Michael ergriffen. »Schau einmal, der geht beinah bis in den Himmel.«

      Und dann kam aus einem der Nebengebäude ein Geruch, der Niklas nur zu vertraut vorkam: Dort roch es warm, süßlich und würzig nach Maische, dort wurde Bier gebraut!

      Vor Aufregung wäre er beinahe über seine eigenen Beine gestolpert und in eine große Pfütze gefallen. Nur die schnelle Reaktion seines Vaters verhinderte, dass er seine einzige gute Hose und sein einziges gutes Hemd total verdreckte.

      »Nun pass doch auf, Niklas, und sag jetzt nur noch was, wenn du gefragt wirst!«

      Nachdem sie etwa eine Stunde gewartet hatten, wurden sie zum Abt geführt. In dem Raum, den sie jetzt betraten, fiel zuerst der ungeheuer große Tisch ins Auge. An einer Längsseite saßen fünf Ordensbrüder, in der Mitte thronte ein Mann, der unschwer als der Abt zu erkennen war. Nachdem Michael sich und Niklas vorgestellt und seine Bitte vorgetragen hatte, durfte Michael sich setzen, Niklas musste stehen bleiben.

      Der Abt Kilian musterte die Besucher. Er war für einen Abt, dazu der eines nicht unbedeutenden Klosters, erstaunlich jung. Weder Michael noch Niklas hatten jemals zuvor einen Abt gesehen, aber in der Vorstellung war die Würde des Amtes dennoch immer mit Alter verbunden gewesen.

      Nun schaute sie ein hagerer, schmaler Mann von etwa 40 Jahren mit intelligenten, lebhaften Augen an. Obwohl er sich noch nicht von seinem prachtvoll geschnitzten Stuhl erhoben hatte, konnte man sehen, dass er groß gewachsen war. Auch ohne Tonsur waren ihm nur wenige Haare geblieben, sodass das ganze Gesicht von den Adleraugen dominiert wurde.

      »So, Michael aus Hahnfurt, dann erkläre mir bitte einmal, warum dein Sohn Niklas in unsere Klostergemeinschaft aufgenommen werden soll. Du weißt sicher, dass wir nicht jeden dahergelaufenen Bauernsohn als würdig befinden; warum soll dein Sohn also würdig sein?«

      Michael erzählte zuerst von sich und seiner Familie, von der harten täglichen Arbeit, den fünf lebenden Kindern, verschwieg nicht die toten, betonte aber auch die Gottesfürchtigkeit ihres Lebens und dass sie es ohne Bitterkeit ertrügen.

      Dann wendete er sich zu Niklas und erzählte von dessen bisherigem Leben, er sei fleißig und aufgeweckt und habe der Mutter schon seit fünf Jahren regelmäßig viel Arbeit abgenommen.

      Jetzt blickte Kilian zu Niklas und fragte ihn:

      »Du weißt bestimmt, dass neben der Arbeit für Gott ein jeder Bruder auch eine Arbeit für die Gemeinschaft übernimmt. Um eine Arbeit gut zu machen, muss man sie aber gerne machen. Gesetzt den Fall, wir würden dich in unsere Gemeinschaft aufnehmen, was ist die Arbeit, die du am liebsten für deine Brüder oder mit deinen Brüdern machen würdest?«

      Niklas schaute auf seinen Vater, um Zustimmung zum Antworten zu erhalten. Der Vater nickte und Niklas sagte schüchtern nur vier Worte: »Bier brauen, ehrwürdiger Abt.«

      Zuerst fiel ihm auf, dass hier im Kloster niemand lachte, als er seine Liebe zum Brauen erklärte. Er schaute verlegen zu Kilian und sah ein Lächeln in dessen Gesicht.

      »Ich glaube, Bruder Thomas könnte noch einen tüchtigen Lehrjungen brauchen«, sagte der Abt zu dem Bruder, der neben ihm saß.

      Dann, wieder an Michael gewandt:

      »Wir werden es mit Niklas versuchen. Wenn der Junge so fleißig und folgsam ist, wie du sagst, dann wird es ihm hier gut gehen. Sollten wir ihn ungeeignet finden, werden wir ihn jedoch bald in dein Dorf zurückschicken. Du kannst wieder zurückkehren nach Hahnfurt, der Junge soll hierbleiben.«

      Michael und Niklas gingen zurück in den Hof, dort nahm Niklas kurz Abschied von seinem Vater, den er lange nicht mehr sehen sollte. Der Vater verließ den Klosterhof durch die Pforte, Niklas war allein. Sein erstes Ziel hatte er erreicht. Was würde die nächste Zeit bringen?

      Des Buches zweiter Teil: Klosterbier oder ›Flüssiges bricht das Fasten nicht‹

      1

      Die nächsten Monate waren für Niklas ausgefüllter, als er es sich jemals hatte vorstellen können. Niemals hätte er gedacht, dass man an einem Tag so viel arbeiten konnte.

      Seine Einführung in das Klosterleben brachte er mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Aufregung hinter sich. Er lernte viel Interessantes über die Anfänge des Klosterlebens, erfuhr von Benedikt und Monte Cassino, St. Gallen, Bonifatius, Cluny, der Abtei Prüm und dem Reformkloster Hirsau. Er hatte Glück. Sein Lehrmeister, Bruder Thomas, war tolerant den anderen Orden gegenüber.

      Er sagte immer wieder:

      »Wir alle kämpfen für die gleiche Sache, nur mit anderen Mitteln. Wenn du älter bist, wirst du dir selbst ein Bild machen können. Wir sind hier nicht so streng wie in Cluny, wo die Brüder immer mit dem Kopf nicken müssen, wenn der Prior in der Nähe ist, um ihm zu zeigen, dass sie nicht schlafen. Bei uns ist auch während des Gebets ein Nickerchen erlaubt, wenn man vorher seine Arbeit gut gemacht hat.«

      Und die Aufgaben im Kloster waren weiß Gott vielfältig, jeder hatte seinen Teil zu leisten: Äcker bestellen, Gärten pflegen, Bücher kopieren, Kunstwerke malen, alles Werkzeug dazu wurde in den eigenen Werkstätten hergestellt, dazu noch backen, brauen, melken, schlachten. Besucher und Kranke mussten versorgt werden. Und schließlich war die Führung des Klosters auch außerhalb der Mauern politisch und wirtschaftlich eine Macht.

      An der Spitze des Klosters Urbrach stand der Abt Kilian. Er vertrat das Kloster nach außen hin, schloss Kauf- und Pachtverträge ab, empfing die Gäste des Klosters und speiste mit ihnen an einem besonderen Tisch. Er hatte, da er über den Klosterregeln stand, eine eigene, reich und behaglich ausgestattete Wohnung und eine besondere Küche. Er leitete die kirchlichen Verrichtungen und stand im Rang

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