Der Bierzauberer. Günther Thömmes

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Der Bierzauberer - Günther Thömmes

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klein war, um mit dem Vater aufs Feld zu gehen. Insgeheim graute ihm schon vor diesem Tag, den sein Vater auf seinen zwölften Geburtstag datiert hatte. Nicht nur, weil dann der Ernst des Lebens beginnen würde.

      Es war auch Brauch, dass die Väter ihre Söhne am zwölften Geburtstag hinaus aufs Feld führten. Dort zeigten sie ihnen die Begrenzungssteine der Felder, damit die Jungen sich den Standort merkten. Denn immer wieder versuchten die Bauern, sich gegenseitig die Steine zu versetzen und so ihr Land unrechtmäßig zu vergrößern.

      Und damit der Sohn den Standort niemals vergaß, gab es anscheinend nur ein probates Mittel: Er wurde dort nach Strich und Faden verdroschen. Man erinnerte sich an den Ort einer Tracht Prügel besser als an einen einfachen Begrenzungsstein!

      Die einzigen echten Abwechslungen, auf die er sich im Alltag freuen konnte, waren die Brautage. Seit ihn seine Mutter zum ersten Mal zum Backen und Brauen eingespannt hatte, waren dies immer seine liebsten Tage.

      Niklas empfand das Brauen stets als eine Art Belohnung, da er im Gegensatz zu seinen Geschwistern schon richtig arbeiten musste. Vom ersten Zuschauen bis jetzt, fünf Jahre später, hatte ihn seine Mutter mehr und mehr Anteil nehmen lassen an der Bierherstellung.

      Zuletzt durfte er alles Mehl, das er und sein Bruder von der Mühle zurückbrachten, sogar allein messen, er durfte den Teig anrühren und den Ofen heizen. Das Schönste war aber immer, die frischen, heißen Brotlaibe aus dem Ofen zu holen.

      Nur das Formen der Laibe und das Mischen und Kochen der Bierkräuter ließ sich die Mutter nicht nehmen. Niklas war sicher, nach fünf Jahren ›Brau-Erfahrung‹ schon alles viel besser als seine Mutter zu wissen.

      Er redete sich immer heimlich ein, dass er allein ein noch viel besseres Bier brauen könnte, wenn man ihn nur ließe. Sogar die Bierkräuter würde er anders und ohne Frage besser komponieren. Doch, so machte er sich Mut, seine Zeit würde kommen. Wenn da nur nicht die Drohung wäre, bald mit aufs Feld gehen zu müssen. Nur noch ein Jahr, dann war Schluss mit der Hausarbeit, dann freilich auch mit den Brautagen.

      Dann würde es ernst werden mit der Arbeit, die sie zusätzlich für ihren Gutsherrn verrichten mussten: Dung ausbringen, Schafställe bauen und decken, den Mühlenteich reinigen, Zäune errichten, Waschen und Scheren der Schafe, Pflügen, Eggen und vieles mehr.

      Dazu kam die Arbeit am eigenen Garten, am windschiefen Haus und auf dem kleinen, ihnen gehörenden Feld.

      Gegen Ende des Herbstes bekamen sie vom Gutsherrn immer ausreichend Holz gestellt, um Haus und Zäune zu reparieren und damit auf den Winter vorzubereiten. Der Rest wurde als Brennholz eingelagert. Es gab also das ganze Jahr über zu tun.

      Matthias, sein jüngerer Bruder, kümmerte sich mit der Mutter seit drei Jahren um den ärmlichen, kleinen Gemüsegarten, die paar Hühner darin sowie das Schwein, das sie sich leisten konnten und mit Essensabfällen, Nüssen und Eicheln ernährten.

      Da auch er später mit aufs Feld sollte, hatte Michael schon bestimmt, dass Elisabeth, die jetzt acht Jahre alt war, im nächsten Jahr Niklas als Brauhelfer ablösen und dann ebenfalls irgendwann die Mutter beim Backen und Brauen einmal ganz ersetzen sollte. Diese Tätigkeiten waren seit eh und je Frauensache, die Männer kümmerten sich um die richtige Arbeit.

      Anteil an der Bierherstellung nahmen sie lediglich, wenn die Resultate schlecht oder sauer waren, und dann auch nur in Form von Wutausbrüchen.

      Dass Niklas überhaupt beim Brauen helfen durfte, war nur der körperlichen Schwäche seiner Mutter zuzuschreiben. Anfangs hatten ihn die anderen Kinder, sogar sein kleiner Bruder, verspottet, weil er Mädchenarbeit verrichten musste. Allerdings, je mehr ihm die Arbeit Spaß machte, desto mehr ignorierte er die hämischen Bemerkungen der anderen.

      Er als Ältester würde eines Tages die Arbeiten des Vaters komplett übernehmen müssen, so war es vorgesehen. Insgeheim hoffte er noch auf einen Ausweg, tatsächlich waren die Chancen aber mehr als schlecht. Schließlich wusste jeder, dass Männer kein Bier brauten und es in Zukunft auch nicht tun würden. Wenn es das geben sollte, hätten seine Mutter oder sein Vater ihm bestimmt schon davon erzählt.

      3

      Eines Tages spielte Niklas mit ein paar anderen Kindern Steine werfen im Dorf. Niklas war niemals der, der am weitesten werfen konnte, aber es machte trotzdem Spaß. Während er dem Größten und Kräftigsten von ihnen, der Veit hieß und alle Anlagen hatte, als Dorftrottel zu enden, beim Werfen zusah, bemerkte er, dass ein Mann durch ihr Dorf kam, der ihm völlig unbekannt war. Er wirkte ärmlich, trotz des Esels, den er mit sich führte. Neben dem Esel ging ein kleiner Junge, etwa so groß und so alt wie Niklas. Im Dorf machten beide Rast, setzten sich auf den Boden, aßen etwas Brot und teilten sich eine Rübe.

      Niklas entfernte sich von seinen Spielkameraden und kam näher. Schüchtern betrachtete er das Paar. Er hatte schon mehrmals Botengänge in der Gegend gemacht, war aber zu keiner Zeit völlig Fremden begegnet.

      Hahnfurt lag etwas abseits, selten verirrten sich Auswärtige hierher; Niklas war, wie alle seine Geschwister, noch niemals weiter als zehn Kilometer von zu Hause weg gewesen. Er ging daher zu Recht davon aus, dass es draußen in der Welt genauso aussah wie hier im Dorf. Sogar das entfernte Nürnberg, von dem Vater einmal erzählt hatte, war für ihn nichts anderes als ein größeres Dorf.

      Wenn nichts weiter passierte in Niklas’ Leben, würde er für den Rest seines Daseins über Hahnfurt und Umgebung nicht hinauskommen.

      Und er würde weiterhin die neuesten Nachrichten von auswärts nur über die Hillebillen erfahren, Bretter aus hartem Holz, gegen die man mit Knüppeln schlug, um Nachrichten weiterzutragen.

      Nach einer Weile sah Niklas den Jungen an und der schaute, nicht einmal unfreundlich, zurück. Das machte ihn mutig, er kam näher.

      Als er die beiden musterte, fiel ihm die große Ähnlichkeit zwischen dem Mann mit Kind und seinem eigenen Vater und ihm auf. Nicht, dass sie sich wirklich ähnlich gesehen hätten, dazu hatte der Junge zu schiefe Zähne und zu blasse Haut, so als wäre er immer im Keller eingesperrt gewesen. Aber es war unverkennbar, dass beide arme Bauern waren, die den gleichen Kampf ums tägliche Brot ausfochten.

      Dieses gleichzeitige Erkennen desselben Schicksals machte sie einander sympathisch. Niklas lächelte, der fremde Junge lächelte mit seinen schiefen Zähnen zurück. Niklas kam näher.

      »Woher kommt ihr?«, fragte er.

      »Aus Dauerling bei Regensburg«, gab der Junge zur Antwort.

      »Wo ist das?«

      »Zwei Tagereisen von hier.«

      »So weit weg! Und wo wollt ihr hin?«

      Niklas platzte bald vor Neugierde.

      »Ich weiß nicht genau, es sind aber angeblich noch einmal zwei Tagereisen«, sagte der fremde Junge.

      Nun meldete sich der Vater zu Wort.

      »Der Bub kommt ins Kloster, damit er was lernt und niemals hungern muss. Ich bringe ihn jetzt nach Urbrach und dort bleibt er dann. Nicht jeder Junge hat so viel Glück, dass die Mönche ihn aufnehmen. Wir hatten letztes Jahr endlich mal eine gute Ernte, da fiel genug fürs Kloster ab. Da hat der Bruder Prior mir versprochen, aus dem Buben einen tüchtigen Mönch zu machen. Dort soll er dann arbeiten, studieren und seinen Eltern keine Schande machen.«

      Er klopfte seinem Sohn auf die Schultern.

      »Du

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