Der Bierzauberer. Günther Thömmes

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Der Bierzauberer - Günther Thömmes

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Rispe zwischen seinen Fingern und ließ Niklas daran riechen und schmecken. Der aromatische Geruch passte überhaupt nicht zu dem extrem bitteren Geschmack. Der Wermut brannte Niklas auf der Zunge und er wandte sich schaudernd ab.

      Thomas lachte und sagte:

      »Im Bier entfalten viele Kräuter ein anderes Aroma, als wenn du es direkt mit der Zunge schmeckst. Lass dich einmal überraschen.«

      Zu jedem dieser Kräuter hatte er ein Sprüchlein parat, die Niklas teilweise von seiner Mutter her kannte.

      »Wacholder zum Beispiel, das hängst du in einem Säcklein ins Bier, wenn es schon vergoren ist; er macht das Bier sehr gesund, vertreibt die Steine aus dem Körper und ist gut bei Leiden an Niere und Blase. Er wirkt auch gut wider Vergiftungen.«

      Der würzig-süßliche Geruch erinnerte Niklas an daheim und er musste schlucken, weil ihn so etwas wie Heimweh überkam.

      Thomas warnte ihn eindringlich davor, eine Zutat ohne weitere Prüfung zum Bier zu geben, nur weil sie vielleicht gut roch.

      »Es gibt eine Menge Kräuter, welche die Sinne verwirren, den Rausch verstärken oder den Körper richtig vergiften. Also sei vorsichtig mit dem, was du zum Bier dazugibst! Wenn du lange genug bei mir bleibst, werde ich dir noch so einiges zeigen.«

      Auch beim Essen erzählte er gerne über Kräuter und Pflanzen.

      »Die Kräuter hingegen, die uns der Herrgott zum Essen geschenkt hat, wie Zwiebeln, Lauch, Knoblauch, Senf oder Petersilie, die lass in jedem Falle raus aus dem Bier! Es wäre eine Sünde, sie für einen anderen Zweck zu entfremden.«

      Niklas beschloss bald, so schnell wie möglich alles über Kräuter und ihre guten und schlechten Wirkungen zu lernen.

      Aber was wohl das Interessanteste am Brauen mit Bruder Thomas war: Hier wurden keine Laibe mehr gebacken, um den ›Bierteig‹ herzustellen. Bruder Thomas mischte das Getreide direkt mit dem Wasser. Es wurde nur vorher zerstoßen, in einem großen Mörser, den er nach einiger Übung zu bedienen lernte.

      Als Niklas beim ersten Mal vorlaut anmerkte, das könnte nach seiner Erfahrung nicht funktionieren und sauer werden, da lachte sein Meister und sagte:

      »Lassen wir es doch einfach darauf ankommen.«

      Es klappte nicht nur vorzüglich, das Bier war sogar sehr viel besser als alles, was sich Niklas vorher hatte vorstellen können. Es war nicht mehr so trüb und matschig wie das Bier, das er von zu Hause her kannte. Im Vergleich zu diesem hier hatte das Bier seiner Mutter regelrecht erdig-muffig gerochen und geschmeckt.

      Dunkelbraun, aromatisch-süß duftend, stand es hier im Bottich und roch einfach verlockend.

      Obwohl das Aufreißen der Brotlaibe entfiel, lernte er, dass man als Brauer letzten Endes immer mit Hitze zu tun hat und deswegen gelegentlich verbrannt wird. Die heiße Maische lief ihm manchmal über die Hand oder die Hose; besonders beim Umfüllen von einem Bottich in den nächsten passierte dies häufig. Nach ein paar Monaten hatte Niklas Hornhaut und dicke Schwielen an den Händen. Eine Folge sowohl der Verbrennungen als auch der harten körperlichen Arbeit.

      Im Lauf der ersten Wochen erkannte Niklas dann, dass das Getreide keine einfache Gerste war. Es sah aus wie Gerste, nur etwas dunkler, roch wie Gerste, jedoch war etwas anders.

      Dann fiel ihm auf, dass der Zugang zum Getreideboden immer abgesperrt war. Was mochte dort Geheimnisvolles vorgehen? Auf sein Fragen und Drängen wich Bruder Thomas immer aus:

      »Der Tag kommt noch früh genug, an dem ich dich darin einweihen werde.«

      Wann dieser Tag kommen würde, darüber schwieg er sich aus.

      So vergingen die ersten Monate und der erste Winter ging vorbei. Die Mönche tranken fleißig Bier und gelegentlich schaute einer von ihnen im Brauhaus vorbei und sprach ein Lob aus.

      Das konnte allerdings daher rühren, dass das Bier zur Fastenzeit und zur Vorweihnachtszeit stärker eingebraut wurde, da im Kloster die Fastenregeln nur für feste Nahrung galten.

      Thomas war auch hier nicht um Antwort verlegen:

      »Eine der ältesten Regeln unseres Klosterlebens ist ›Liquida non frangunt ieuneum – Flüssiges bricht das Fasten nicht‹. Das hat uns Brauer immer beliebt gemacht.«

      Und gefastet wurde viel im Kloster. Zu den regelmäßigen Fasttagen kamen noch außerordentliche Fastenzeiten hinzu, die vom Abt angekündigt wurden. Bestimmte Heiligentage oder ein Gedenken an einen Märtyrer. Niemand durfte bis nach der Messe essen oder trinken, Fleischgenuss war auf jeden Fall untersagt, auf den Feldern und in den Gärten durfte nicht gearbeitet werden.

      Es gab harte Bußen für Vergehen gegen die Fastenregeln, die schlimmsten waren jahre- oder sogar lebenslange Abstinenz von aller Nahrung außer Wasser und Brot. Die Abstinenz von Bier aber wäre für die meisten Mönche am tragischsten gewesen. Daher schlug nur selten einer über die Stränge.

      Thomas wusste, dass dies nicht überall so war.

      »Aber glaube mir, draußen auf dem Land und in den Städten, sogar in anderen Klöstern, geht es in der Fastenzeit nicht so ruhig zu wie bei uns. Der Erzbischof und Kurfürst von Trier hat erst kürzlich verlautbaren lassen: ›Ist ein Priester so betrunken, dass er die Psalmen nur noch lallt, soll er zwölf Tage von Brot und Wasser leben. Ist ein Mönch so voll, dass er speit, soll er 30 Tage Buße tun. Ist ein Bischof so besoffen, dass er in die Hostie kotzt, muss er 90 Tage büßen.‹ Dieser Spruch hat schnell die Runde durch das ganze Reich gemacht. Und da ist etwas dran!«

      In dieser Zeit geschah es zum ersten Mal, dass Niklas einen Krug zu viel trank. Sie hatten den ganzen Tag hart gearbeitet und am Ende einen Sud zur Gärung bereitgestellt. Erschöpft saßen sie im Brauhaus. Niklas griff aus alter Gewohnheit, so alt eine Gewohnheit bei einem Zwölfjährigen sein kann, nach einem Krug Bier und stürzte ihn in einem Zug herunter. Gleich noch einen zweiten. Er hatte nur vergessen, dass das Bier viel stärker war als das, was er normalerweise trank.

      Innerhalb von wenigen Minuten fing alles an, sich zu drehen, er konnte nicht mehr richtig sprechen und sein Kopf schien zu explodieren. Bruder Thomas sah richtig besorgt aus. Er brachte ihn sogleich in die Schlafkammer.

      Am nächsten Tag ging es Niklas nicht gut und noch einige Tage lang musste er mit Thomas’ mildem Spott leben.

      Der Winter war lang und kalt und ideal zum Bierlagern. Es gab Eis in Hülle und Fülle und im Bierkeller des Klosters wurde nicht ein Eimer Bier sauer.

      Niklas fühlte sich im Brauhaus wie zu Hause.

      Dann kam das erste Frühjahr. So langsam musste sich Niklas damit vertraut machen, dass nun die problematische Zeit für die Brauer kam. Je wärmer der Sommer, desto schwieriger wurde die Lagerung des Bieres. In einem normalen Haushalt war es kein Problem, kleinere Mengen herzustellen und kühl zu lagern. Im Kloster wurden jedoch solche Mengen gefordert, dass sich Niklas beim besten Willen nicht vorstellen konnte, wie sie dies im Sommer bewerkstelligen sollten. Bruder Thomas war mit diesem Problem natürlich längst vertraut.

      Es hatte schon Jahre gegeben, da war das Bier so schnell sauer geworden, dass sein eigener Ruf ernsthaft darunter gelitten hatte. Mittlerweile war er jedoch erfahren und angesehen genug, dass er lieber gar keines als ein saueres Bier ausschenken ließ.

      Als die Tage wärmer wurden und eine neue Fastenzeit vor der Tür stand, wurde

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