Leopardenjagd. Edi Graf

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Leopardenjagd - Edi Graf

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während sie ihr Exfreund Steffen, der selbst einer Studentenverbindung angehört und so das Stochern gelernt hatte, mit gezielten Stößen der fünf Meter langen Stange langsam um die Platanenallee herumgesteuert hatte. Über den zweiten, schmäleren Flussarm waren sie wieder zum Liegeplatz zurückgekehrt, hatten noch ein Eis gegessen und den herrlichen Abend genossen.

      Einiges war passiert in dieser Zeit; Babs hatte sich von Steffen, dem überarbeiteten Rechtsanwalt, getrennt, der kaum einmal einen Abend freihatte und ständig in Gedanken bei seinen Mandanten war. Sie hatte herausbekommen, dass eine Frau, seine neue Kanzleipartnerin, dahintersteckte und einen Schlussstrich gezogen. Doch im Gegenteil zu Linda, die noch immer ihrer großen Liebe Alan Scott hinterhertrauerte, hatte sie schon nach wenigen Tagen wieder eine neue Beziehung begonnen.

      Babs hatte auf Lindas Liaison mit Alan in Afrika nie besonders viel gegeben, es war für sie, die Realistin, nicht mehr als eine Urlaubsbekanntschaft, eine Liebelei, die sich im Grau des Alltags wieder verlor und die man zu Hause im gewohnten Trott rasch vergaß. Doch Linda Roloff hatte Alan Scott offensichtlich nie vergessen. Auch wenn meist Monate zwischen ihren Wiedersehen lagen und sich Alan nie für eine Zukunft in Deutschland entscheiden konnte.

      Vor ein paar Jahren hatte Linda ihn kennengelernt, ein zärtliches Raubein, hatte sie später geschwärmt. Er hatte ihr geholfen, ihren verschollenen Exmann in Afrika wiederzufinden und war auch für ein paar Tage in Deutschland aufgetaucht. Aber so schnell er gekommen war, war er auch wieder verschwunden.

      Ein Jahr später hatten sie sich wiedergetroffen, als Linda bei der Recherche in einem Mordfall abermals seine Hilfe brauchte. Linda war danach allein nach Deutschland zurückgekehrt, in der festen Überzeugung, in Alan Scott ihre große Liebe gefunden zu haben. Doch sein Versprechen, sie in Deutschland zu besuchen, hatte er nie eingelöst. Und jetzt das endgültige Aus?

      Babs wusste es nicht genau, Linda hatte ja nicht darüber sprechen wollen. Nur soviel war ihr klar: Sie hatte auf ihn gewartet, und er war nicht gekommen. Ohne etwas von sich hören zu lassen. Dabei war Linda so voll Zuversicht gewesen. Alan kommt nach Deutschland, hatte sie gesagt. Linda hatte Pläne geschmiedet, Pläne für eine gemeinsame Zukunft, hatte sogar begonnen, sich nach einem Job für ihn umzusehen. Doch als sie ihn am Flughafen abholen wollte, war er nicht unter den Passagieren gewesen. Und schlimmer noch: Er hatte nicht einmal eine Nachricht für sie hinterlassen, kein Anruf, keine SMS. Blieb verschwunden, bis zum heutigen Tag.

      Babs war anders als Linda. Konsequenter auf alle Fälle, dachte sie. Sie hätte, schon als er damals nicht nach Deutschland gekommen war, einfach Schluss gemacht und sich erneut auf dem Markt umgesehen. Schließlich wusste sie aus eigener Erfahrung, dass es funktionierte: Clemens Edel war aufgetaucht, einfach so, wie gerufen, in ihr Leben getreten. Sie hatte sich in ihn verliebt, vor wenigen Wochen erst. Und auf einmal war das Leben wieder schön geworden.

      »Und was ist mit Steffen?«, war die typische Reaktion von Linda gewesen, als ihr Babs nach ihrer Rückkehr aus Südafrika von Clemens erzählt hatte. Immerhin war sie über fünf Jahre mit Steffen zusammen gewesen, und Linda hatte eigentlich eher mit einer Hochzeit als mit einer Trennung gerechnet.

      »Er ist jetzt mit seiner Kanzleipartnerin zusammen!«, hatte Babs ihr kurz angebunden eröffnet, das habe sich schon eine ganze Zeit lang angebahnt.

      »Aber du hast mir nie etwas davon erzählt«, hatte sich Linda empört. »Im Gegenteil, du hattest Steffen sogar noch gebeten, mir bei meinen Problemen in Südafrika zu helfen!«

      »Und? – Hat er es nicht getan?«

      »Doch! Sogar so professionell, dass seine Recherche dazu beigetragen hat, den Fall letzten Endes zu lösen! Ich hatte ja keine Ahnung, dass er …«

      »Du hast dich ja auch zu der Zeit für nichts anderes interessiert als für deinen Alan Scott und diesen mysteriösen Mord am Märchensee«, hatte Babs vorwurfsvoll zurückgegeben. Linda hatte es dabei belassen und Babs zu ihrem neuen Lover gratuliert. Clemens war ein netter Kerl, das würde auch Linda zugeben müssen, wenn sie Babs erst einmal einander vorgestellt hätte. Er war fast zehn Jahre älter als sie und lebte von Gelegenheitsjobs. Mal fuhr er für einen Pizzaservice, mal arbeitete er in einem der zahlreichen Antiquariate in der Stadt.

      Dort hatte Babs ihn auch kennengelernt, als sie nach einem originellen Geburtstagsgeschenk für ihre Schwägerin suchte, die alte Märchenbücher sammelte. Clemens Edel hatte sie super beraten und sich als ein sehr charmanter Verkäufer erwiesen. Unaufdringlich hatte er sie nach ihrem Namen gefragt und ob er sie denn mal auf einen Cappuccino einladen dürfe, und Babs hatte sich seine Handynummer geben lassen. Zweimal hatten sie sich in der Mittagspause auf dem Tübinger Marktplatz getroffen und Babs hatte festgestellt, dass sie sich seinem Charme einfach nicht entziehen konnte. Steffen und seine Tussi waren vergessen.

      Dies gelang Linda nicht. Für sie war nach Scotts Fernbleiben eine Welt zusammengebrochen. Alle Freude, alle Lebenslust schienen aus ihr gewichen zu sein. Sie stürzte sich in Arbeit, Tag und Nacht, nur um nicht an Alan Scott denken zu müssen. Kein Lebenszeichen, war Lindas einziger Kommentar, wenn Babs sie darauf ansprach. Kein Lebenszeichen – was immer das zu bedeuten hatte. Sie musste mit ihr darüber sprechen, heute und hier.

      Babs sah zur Uhr. Kurz nach halb elf. Sonst war Linda immer pünktlich. Sie sah zum Fenster hinaus. Neckar, Platanen, Hölderlinturm. Ein paar Zeilen aus einem Gedicht des Romantikers, der 36 Jahre bis zu seinem Tod psychisch krank in einem Zimmer in dem gelb getünchten Turm verbracht hatte, fielen ihr ein:

      Froh kehrt der Schiffer heim an den stillen Strom,

      Von Inseln fernher, wenn er geerntet hat;

      So kam auch ich zur Heimat, hätt ich

      Güter so viele, wie Leid, geerntet.

      Plötzlich war Linda da. Kam direkt auf sie zu und nahm ohne Worte an ihrem Tisch Platz.

      »Wartest du schon lange?«, fragte sie, nachdem sie eine Latte macchiato bestellt hatte.

      »Zehn Minuten«, entgegnete Babs und rührte ihren Cappuccino um. Sie überlegte, ob sie gleich mit der Tür ins Haus fallen oder erst mal abwarten sollte. Wer eröffnet das Spiel? Offen oder verdeckt? Selten hatte sie sich so unsicher gefühlt. Was ist eigentlich mit dir los? Schon wollte sie fragen, doch stattdessen schluckte sie nur trocken. Sie kannte ja die Ursache für Lindas schlechte Laune. Wie begegnete man Liebeskummer am besten? Verdammt!, schoss es ihr durch den Kopf, jetzt sitzt sie dir gegenüber und du weißt nicht, was du sagen sollst! Warum war das Leben manchmal nur so kompliziert?

      »Ich muss wohl ziemlich unausstehlich sein in letzter Zeit«, Linda spielte ihr den Ball offen zu. »Sorry, ich hab mich einfach schlecht im Griff«, schob sie gleich noch eine Entschuldigung nach. Babs hatte sofort eine Antwort auf der Zunge und spuckte sie aus, ohne lange zu überlegen:

      »Unausstehlich ist noch gelinde ausgedrückt«, unterstrich sie und erschrak über den harten Klang ihrer Stimme. »Du bist zur Zeit ein echter Kotzbrocken!«, hörte sie sich sagen und wäre sich am liebsten im selben Moment über den Mund gefahren; doch jetzt war es heraus.

      »Tut mir leid«, sagte Linda und legte ihre Hand auf Babs Unterarm. »Ich komm einfach nicht damit klar, dass er so überhaupt nichts von sich hören lässt.«

      Er, dachte Babs, sie nennt schon nicht mal mehr seinen Namen!

      »Aber das ist doch kein Grund, alle Welt dafür verantwortlich zu machen«, sagte sie, »ich hätte dir so gern geholfen in den letzten Tagen, aber du hast ja keinen Menschen an dich herangelassen.«

      »Ich wollte eben allein sein«, entschuldigte sich Linda. »Es tut so

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