Leopardenjagd. Edi Graf

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Leopardenjagd - Edi Graf

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Chui, sein Leopard.

      Daran dachte er, während seine Finger über die feuchte, rissige Rinde der Kastanie strichen.

      Er hatte lange gebraucht, bis er Chuis Fähigkeit, zu töten und seine Beute zu verstecken, gelernt hatte. Was ihm fehlte, war anfangs vor allem die Kraft gewesen. Und die anatomischen Voraussetzungen, die er durch technische Hilfsmittel ausgleichen musste. Chui packte seine Opfer an der Kehle und schleppte sie in seinem Fang zu seinen Verstecken. Er schulterte das menschengroße Bündel und trug es auf seinem Rücken bis zum Fuß der Kastanie.

      Für Chui, das gefleckte Muskelpaket, war es ein Leichtes, ein Gerenuk oder eine andere Antilope seiner Größe in die Krone eines Baumes zu hieven und dort zu deponieren, geschützt vor den Löwen und Hyänen, die ihm am Boden die Beute streitig machen konnten. Für ihn war es ein Kraftaufwand, einen anderen Menschen auf den unteren Ast einer Kastanie zu hieven, aber er nutzte die Technik, um es zu schaffen: ein festes, fingerdickes Seil, ein 0,2-t-Greifzug und eine Umlenkrolle. Mit geübten Griffen befestigte er die Umlenkrolle im Baum, hievte mit Hilfe des Seilzugs das schwere Paket auf den untersten Ast der Kastanie, kletterte selbst hinauf und schälte den Inhalt des Sacks aus seiner Verpackung. Die graue Hülle glitt zu Boden, der tote Körper hing im Baum.

      Er platzierte die Leiche so, dass sie im Gleichgewicht blieb, bäuchlings auf dem Ast, die linke Hüfte gegen den Stamm gepresst, die Arme hingen auf der einen, die Beine auf der anderen Seite nach unten. Fast ein Kunstwerk, dachte er, entfernte seine Hilfsmittel und kletterte zufrieden nach unten. Er raffte das Seil zusammen, zog den Erdanker heraus, hob den leeren Leichensack auf und huschte hinüber zur Schlossmauer, am großen Gittertor vorbei – das Licht im oberen Stockwerk war erloschen – und über das Geländer hinunter ins Boot. Auf demselben Weg, den er gekommen war, entschwand er in die Nacht. Das einzige Geräusch, das Eintauchen der Ruder, ging unter im Rauschen von Wind und Wellen. Kleiner und kleiner wurde das Boot, bald verschmolz es mit dem Grau des Sees.

      Er hatte seinen Plan ausgeführt.

      Dieser Part war erledigt.

      Ohne Spuren zu hinterlassen.

      Wie Chui, der Leopard.

      8

      Der Safari-Busfahrer Brian Ndolwa hatte es zunächst für die Mahlzeit des gefleckten Jägers gehalten, denn er wusste, dass der Leopard seine Beute oft auf diesem Baum vor den Löwen und Hyänen versteckte. Doch dann hatte er durch das Fernglas die Kleider erkannt, die hellen Ärmel des Hemds und die Hosenbeine, die leblos links und rechts des mächtigen Akazienastes nach unten baumelten. Mit einem Blick auf die Touristen in seinem Nissanbus hatte er gezögert, näher zu fahren.

      Sie waren schon den ganzen Tag im Tsavo-East unterwegs gewesen, auf der Suche nach den von Safarigästen aus aller Welt begehrten Big Five: Nashorn, Löwe, Elefant, Büffel und Leopard. Elefanten hatten sie am Galanafluss gesehen, Büffel und Löwen in der offenen Savanne, die Löwen sogar am frischen Riss. Jetzt, da sich die Dämmerung ankündigte, war es Zeit, zur Voi-Lodge weiterzufahren, wo ein üppiges Menü und eine afrikanische Nacht mit Massaitänzern auf die gut zahlenden Gäste warteten. Am nächsten Tag würde Brian Ndolwa noch eine halbtägige Pirschfahrt mit ihnen machen und sie wieder zurück nach Mombasa bringen, von wo aus sie gestern früh zur Tsavo-Safari gestartet waren.

      Keiner im Wagen hatte Brian Ndolwas Entdeckung mitbekommen, und er entschloss sich, am Abend noch einmal allein zurückzukehren, um das zu untersuchen, was der Leopard da auf der Akazie fraß. Nun mussten seine Gäste den Tag beenden, ohne die Big Five gesehen zu haben, aber sie waren schon begeistert genug von den Begegnungen mit ihren ersten Löwen und würden am Wasserloch von Voi höchstwahrscheinlich auf Elefanten stoßen und viele Büffel, die sich die Tränke friedlich mit Zebras teilten.

      Eine Stunde später, es war inzwischen rasch dunkel geworden, fraßen sich die Scheinwerfer des Safaribusses durch die Nacht. Sicher wie die Ginsterkatze auf ihrem Jagdzug fand Brian Ndolwa den Weg, er hatte noch kurz im Park-Headquater angerufen und den Rangern von seinem nächtlichen Vorhaben berichtet, allerdings ohne seinen Verdacht zu äußern, dort auf einer Akazie einen menschlichen Leopardenkill entdeckt zu haben. Zu unvorstellbar war ihm dieser Gedanke, und so teilte er den Rangern nur mit, dass einer seiner Gäste einen Teil seiner Kameraausrüstung vermisse und er noch mal hinausfahre, um bei ihrem Picknickplatz nachzusehen. Die Ranger, die Brian seit Jahren als zuverlässigen Fahrer kannten, erteilten ihm die Erlaubnis.

      Als er den Bus in der Nähe der Schirmakazie abstellte, bewegten sich die Baumstämme, die von den Autoscheinwerfern erfasst wurden. Ndolwa erkannte sofort, dass sich eine Herde Elefanten unter dem Baum zum Schlafen niedergelassen und dabei den Leoparden sicher aus seinem Versteck vertrieben hatte. Missmutig grollend, machte die Herde nun ihrerseits dem hupenden Ungetüm Platz und zog polternd weiter. Ndolwa wartete, bis die Elefanten nicht mehr zu hören waren, lauschte in die Nacht, schaltete die Taschenlampe ein und stieg aus dem Wagen. Seine Schritte raschelten im hohen Gras, und er fühlte sich nicht sehr wohl, als er zu Fuß auf die Akazie zu schlich. Er hatte keine Waffe bei sich, die Buschpiste war gut 100 Meter entfernt, sein Bus stand versteckt im dichten Dornbusch, eine Rangerpatrouille würde kaum auf die Idee kommen, ihn hier zu suchen.

      Es war die Zeit der nächtlichen Jäger, seine Chance, jetzt zu Fuß einem Leoparden zu begegnen oder auf eine lauernde Puffotter zu treten, war nicht einmal so schlecht. Er verdrängte die Gedanken und blieb am Stamm der Akazie stehen. Der Strahl der Taschenlampe wanderte nach oben und erfasste die grausige Szenerie. Das Gesicht des Toten war angefressen, Genick, Schulter, linker Oberarm und Bauch eine unförmige Masse aus Fleisch, Muskelfasern, Blut und Kleidungsresten. Der Leopard hatte kräftig zugelangt, ehe er von den Elefanten vertrieben worden war. Brian Ndolwa wandte sich ab und würgte.

      Dabei blieb sein Blick an einem hell schillernden Gegenstand hängen, der vor ihm im Gras lag und den Schein der Taschenlampe reflektierte. Ndolwa bückte sich danach und hob einen kleinen Schlüsselbund auf, der durch einen Metallring zusammengehalten wurde. Er schien dem Toten im Baum aus der Tasche gefallen zu sein. Neben drei Schlüsseln, einer davon schien ein Autoschlüssel zu sein, war an dem Metallring ein kleines Lederoval befestigt, offensichtlich ein Etui für Münzen. Brian Ndolwa öffnete den Druckknopf und tastete mit seinem Zeigefinger ins Innere des schmalen Täschchens. Leer. Dann fuhr der Finger über die raue Lederoberfläche und erfasste eine leichte Unebenheit. Er hielt den Schlüsselring mit dem Lederteil ins Taschenlampenlicht und erkannte das Monogramm: ein großes A und ein im gleichen Stil geprägtes S zierten das schwarze Leder. A. S.

      Brian Ndolwa blickte noch einmal ins Geäst der Akazie, ohne den Lampenstrahl seinem Blick folgen zu lassen. Mehrere Namen gingen ihm durch den Kopf, Menschen, die er kannte und deren Vor- und Nachnamen mit den Buchstaben A und S begannen. Wer war dieser A. S., dessen Kadaver hier auf dem Leopardenbaum hing? Hatte der Leopard ihn gerissen? Wie sonst sollte er auf die Akazie gekommen sein?

      Hätte Brian Ndolwa in dieser Nacht noch einmal nach oben geleuchtet, hätten seine scharfen Augen vielleicht die Spuren entdeckt, die der Handseilzug am Stamm über dem Toten hinterlassen hatte. Die Ranger, die er eine halbe Stunde später von seinem Fund unterrichtete, informierten die nächste Polizeistation in Voi. Zwei Polizisten bargen die Überreste des Toten am frühen Morgen, bevor der Nationalpark seine Tore für die Besucher öffnete, ohne im Baum nach den Spuren eines Mordes zu suchen. Stattdessen widmeten sie ihre ganze Aufmerksamkeit der Fährte eines menschenfressenden Leoparden, die von der Akazie in Richtung der Felsgruppe führte, die im Norden lag.

      Brian Ndolwa war kurz nach der Morgendämmerung schon wieder mit seinen Gästen auf Pirschfahrt. Er vermied es, noch einmal in diesen Teil des Tsavo zu kommen. Den Schlüsselring und das Lederteil mit der rätselhaften Prägung hatte er noch in der Nacht bei den Rangern abgegeben. Er konnte nicht ahnen, dass in Nairobi eine Vermisstenanzeige vorlag, zu der die Initialen A und S passten.

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