Männerblues. Bernhard Spring

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Männerblues - Bernhard Spring

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mein ja nur“, trat Thamm nach diesem unerwarteten Anschiss vorsichtig den Rückzug an. In den letzten Wochen ging Anja auf die kleinste Vorlage ab wie Schmidts Katze. Fast hatte Thamm den Eindruck, dass sie absichtlich alles in den falschen Hals bekam. Und so sehr er sich auch am Riemen zu reißen versuchte – nicht immer konnte er so ganz auf ihren angekratzten Zustand Rücksicht nehmen und den Kürzeren ziehen. Und so murmelte er auch jetzt trotzig: „Ich dachte ja nur, du als Krankenschwester … “ Mehr brauchte er gar nicht zu sagen. Anja, die sich gerade erst ihre Kaffeetasse vom Tisch geholt hatte, stellte sie krachend wieder zurück. „Entschuldigung, aber lieg du doch mal da rum und press vier Stunden lang ein Baby aus dir raus“, fuhr sie ihn wütend an. „Ich wette, da denkst du nicht drüber nach, ob die Kolleginnen alles richtig machen und dass du jetzt eigentlich noch eine Transfusion bräuchtest.“

      Thamm bemerkte sofort, dass er schon zu weit gegangen war. Blitzschnell versuchte er, zurückzurudern. „Ich mein ja nur … “, druckste er vor sich hin – wieder! –, aber dadurch verlor Anja kaum an Fahrt. „Du hast ja auch gut reden. Aber ich durfte das alles ganz alleine ausstehen. Wo warst du denn, bitte schön, als die Wehen einsetzten, hm? Und dann, im Kreissaal?“

      „Moment mal“, warf Thamm ein, nun doch ein wenig aufgebracht. „Wir hatten uns vorher noch nicht festgelegt, ob ich mit reingehe.“ „Das hatte sich ja dann auch erübrigt“, knurrte Anja. „Der Herr Kriminalkommissar – entschuldige, Kriminalhauptkommissar – musste ja unbedingt auf Verbrecherjagd.“

      „Wir standen kurz vorm Abschluss des Falls … “

      „Ach, und Stefan hätte das nicht alleine hinbekommen? Du und dein elender Ehrgeiz!“

      Verärgert griff sich Anja nun doch ihre Kaffeetasse und zog sich wieder in ihren Stuhl zurück. Thamm aber konnte nicht einfach so weiteressen.

      „Dass wir immer streiten müssen neuerdings“, sagte er betreten.

      „Liegt das etwa an mir?“, gab Anja bissig zurück. Aber dann fing sie sich endlich wieder und kam runter. „Ach Till … “, meinte sie so süß, dass Thamm ihr einfach nicht widerstehen konnte, „komm doch mal her.“ Sie stellte die Tasse weg und schlang ihre Arme um ihn, der nur allzu gern darin versank. „Das sind diese blöden Hormone“, flüsterte sie ihm ins Ohr. „Aber das renkt sich bald wieder ein, versprochen.“

      Thamm seufzte schwer an ihren Hals. Wenn er ihr doch nur glauben könnte! In diesem Augenblick kam er sich so einsam vor, mit der kränkelnden Anja, mit dem schlafenden Benni und sonst nichts an diesem endlosen, leeren Sonntagnachmittag.

      „Das wird schon wieder“, meinte Anja nun und klang dabei so ungewohnt sanft und mütterlich, dass Thamm unwillkürlich an den einen Abend denken musste, an dem ihm Anja angeboten hatte, ihre Milch zu probieren. Er war schon vorher ganz fasziniert von dem Gedanken gewesen und hatte sich nun, wo Anja es auch noch vorgeschlagen hatte, entsprechend begeistert an ihre Brust gelegt und seinen Mund in Stellung gebracht. Aber schon als er ihre Brustwarze mit den Lippen umschlungen hatte, war da so ein komisches Gefühl in ihm aufgestiegen. Und die paar Tropfen Milch, die Anja gerade so übrig hatte, hatten einfach nur zum Kotzen geschmeckt. Thamm hatte mit einem Mal kapiert, dass Anja nun nie wieder dieselbe werden würde. Sie war immer noch seine Freundin, klar, er war immer noch scharf auf sie – aber sie war eben auch Mutter und ihr Körper hatte nun an allen Enden eine konkrete Funktion, war nicht mehr nur die Spielwiese, als die er manche Region bisher aufgefasst hatte.

      Entzaubert und trotzdem zauberhaft, dachte Thamm nun etwas melancholisch und fragte sich, ob es umgekehrt genauso wäre; ob Anja ihn auch eines Tages mit anderen Augen entdecken würde. Vielleicht wenn er irgendwann mal mit dem ersten Blasenproblem zum Urologen müsste und dann aufgedeckt würde, dass sein Schwanz auch nicht unverwundbar war. Sicherlich würde ihn Anja dann immer noch in den Mund nehmen, aber vielleicht würde sie die ganze Sache dann etwas praktischer angehen und noch mehr Krankenschwester nach Hause bringen. Und ins Bett!

      Wie war Thamm nur auf dieses Thema gekommen? Verwundert über sich selbst, kroch er unter Anjas Armen vor und setzte sich zurück auf seinen Liegestuhl. Etwas beunruhigt fuhr er sich durchs Haar. „Vielleicht sollten wir mal wieder Stefan und Jette einladen“, schlug er vor, weil er den Eindruck hatte, ein Thema wechseln zu müssen, und nahm sich geistesabwesend noch ein zweites Stück Kuchen.

      „Wen sonst?“, neckte ihn Anja ohne jeden Vorwurf. „Aber vielleicht nicht gerade Morgen, da … oh!“

      Benni meldete sich mit einem kleinen Schrei aus seinen Träumen zurück. Anja setzte schon zum Sprung aus ihrem Stuhl an, aber Thamm winkte ab. „Bleib ruhig sitzen“, meinte er, und Anja beobachtete erstaunt, wie sich Thamm in Richtung Hollywoodschaukel begab.

      „Er hat bestimmt eingemacht“, rief sie ihm hinterher. „Riech mal hinten dran.“

      Thamm warf einen prüfenden Blick in die Babyschale. „Ach was“, gab Thamm zurück, „der schläft ja noch halb.“

      „Dann schaukle ihn mal ein bisschen, dann pennt er wieder ein.“

      Als ob Thamm diesen Hinweis gebraucht hätte! Er kannte seinen Jungen doch mindestens genauso gut wie Anja. Also nahm er den Griff und ließ Benni knapp über das Gras baumeln, hin und her. Der Junge blinzelte kurz in die Sonne, so als müsste er sich vor dem Weiterschlafen erst noch versichern, wer sich da eigentlich an ihm zu schaffen machte, dann schloss er auch schon wieder die Augen.

      Ein paar Minuten noch, dachte Thamm, dann hat sich das auch schon wieder. Aber so lästig, wie er sich das vorgestellt hatte, war diese Schaukelei gar nicht. Endlich kam mal ein bisschen Bewegung in seine Arme, in seinen Körper – die Lethargie dieses lahmen Nachmittags verschwand langsam aus seinen Knochen. Und Thamm fiel plötzlich ein, wie er sich noch mehr Luft verschaffen könnte.

      „Du, ich dreh mal kurz ne Runde durchs Viertel, ja?“

      Anja sah ihn wieder so überrascht an. „Schläft er noch nicht?“, fragte sie ungläubig.

      „Nee, nur mal so“, meinte Thamm.

      „Na, wenn du unbedingt willst … “, meinte Anja bloß und zuckte mit den Schultern. Und Thamm steckte die Babyschale auf den fahrbaren Untersatz, schob das etwas sperrige Gerät die Einfahrt runter und bog in die Junkerstraße ein. Links standen die Fertigteilhäuser, rechts auch, alle hatten sie eine Garage, manche ein Vordach dazu, andere Solarzellen auf dem Dach – das Fliegerstädtchen sah in allen seinen Straßen gleich aus, überall gab es denselben scheiß prosperierenden Mittelstand samt Steingarten zu sehen. Und Thamm war es somit scheißegal, in welche Richtung es gehen sollte.

      Benni schlief.

      Thamm döste vor sich hin.

      Die Luft hing bleiern über der Siedlung. Könnte noch gewittern, dachte Thamm und besah sich prüfend den milchig weißen Himmel.

      Das Kind sah nicht gerade wie er aus. Überhaupt fand Thamm an dem Jungen nicht die geringste Ähnlichkeit mit irgendwem. Benni war ganz eigenartig, ganz für sich. Viel gab es noch nicht mit ihm zu machen, er konnte ja nicht mal sitzen oder auch nur den Kopf halten. Und den kleinen Wurm zu wickeln, zu baden und rumzutragen, wenn er schrie oder pupsen musste und nicht konnte – das waren ja eher so Funktionsaufgaben, das hatte ja nichts mit Spaß zu tun. Zumindest fühlte Thamm nichts besonders Erhebendes dabei. Aber wenn er mit Benni allein war und ihm irgendwas zuraunen konnte, als wäre er schon älter und ein guter Kumpel – dann war es cool, den ollen Hosenscheißer um sich zu haben.

      „Ach, der Herr Thamm“, kreischte ihn da plötzlich eine etwas zu hoch

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