Männerblues. Bernhard Spring

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Männerblues - Bernhard Spring

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verbranntes Holz halten können. Ja, dachte Thamm, die Arme, der Brustkorb, sogar der Kopf – nichts hatte mehr die vertraute Form, nichts löste in ihm den gewohnten Brechreiz aus, der ihn sonst beim Anblick von Toten so zuverlässig überkam. Das Unterbewusstsein hielt das, was sich ihm da bot, viel eher für das Überbleibsel von einem Lagerfeuer.

      Aber dann kapierte es doch langsam. Die unter der aufgelösten Haut hervorgetretenen Zähne, das versengte Haar hinter dem krustigen Ohr, der widerwärtige Gestank von verbranntem Fleisch. Und da war es auch schon, wie bestellt. Mühselig hielt sich Thamm den Ärmel vor die Nase und inhalierte tief den Geruch von Holzlack und abgestandenen Männerschweiß. Sofort fühlte er sich an einen Baumarkt erinnert, sein Magen beruhigte sich, er konnte wieder klar denken. Eine Leiche also, stellte er für sich fest.

      „Aber anfassen würde ich den nicht“, hörte er Krause dicht hinter sich sagen. „Der dürfte noch ein paar Grad über der Außentemperatur haben. Ah, da haben wir ja auch schon die Erklärung!“ Thamm fühlte sich beiseitegeschoben – was ihm nicht gerade ungelegen kam – und beobachtete nun Krause, wie er einen Kugelschreiber aus seiner Hemdtasche fingerte und vorsichtig in den Halsbereich der Leiche kiekste. „Ein Seil. Unser Freund hier wurde also angeschnallt. Seht ihr? Deshalb konnte ihn der Airbag nicht auf die Seite hauen.“

      Thamm nickte, ohne hinzusehen. Baumarkt, dachte er, ein Stück Holzkohle, Baumarkt. Wolff hingegen beugte sich fast bis an Krauses Kugelschreibermine heran. „Krass. Und sonst so?“, fragte er. Da aber nahm Krause schon sein Schreibgerät von der Leiche und klemmte es zurück an sein Hemd. „Mit deiner Erlaubnis werde ich unseren Freund hier erst mal zu Tisch in meine Pathologie bitten, dann mehr.“

      Krause wandte sich von Wolff ab und war für die Kommissare nicht mehr zu haben, fortan hatte er nur noch Augen für die Leiche. Wolff tapste etwas missmutig neben Thamm aus dem verbrannten Dreck, der das ganze Areal überzog. Die Feuerwehr hatte den Brand inzwischen in den Griff bekommen, es dampfte nur noch aus den Autowracks und aus der Dielung der Balkone. Die Morgenröte breitete sich zögerlich über der Silhouette der Stadt aus.

      „Also haben wir erst mal noch nichts“, konstatierte Wolff niedergeschlagen. „Hat sich ja voll gelohnt.“

      „Bedank dich bei Möllering, der hat uns zu der Leiche geschickt“, meinte Thamm. „Und genau das macht die Sache so spannend.“

      Wolff sah seinen Partner fragend an.

      „Na ja, Möllering muss doch klar gewesen sein, dass von dem Toten noch nicht viel zu haben ist. Aber trotzdem bestand er darauf, dass wir uns der Sache gleich annehmen und das alles natürlich nach dem üblichen Prinzip: Wer hat wen weshalb umgebracht? Und über diese Routine könnten wir ja dann ganz gut die im Moment viel interessanteren Fragen aus den Augen verlieren.“

      „Die da wären?“

      „Warum interessiert sich ein BKA-Mann für eine Brandleiche in Merseburg? Wieso ist der Kerl aus der Zentrale in Wiesbaden schneller vor Ort als wir? Oder anders: Warum war der schon in der Stadt, bevor der Brand losging? Warum bringt er nicht seine eigenen Leute mit, sondern lässt uns die Drecksarbeit machen?“

      „Du meinst, da will uns jemand für sein Spielchen einspannen?“, fragte Wolff und klang dabei alles andere als begeistert. Thamm zuckte mit den Schultern.

      „Ich meine, dass uns das Chefchen auf jeden Fall erst mal eine Erklärung schuldet.“

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