Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman - Toni Waidacher Der Bergpfarrer

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seiner Bewegungen kannte sie, im Traum sah sie sein Gesicht, und wenn er sie ansprach, dann liefen ihr Schauer über den Rücken.

      So etwas hatte sie bei Lorenz nie verspürt. Gewiß war der Freund ihres Bruders kein unattraktiver Mann, und die Frau, die er einmal heiratete, konnte auf eine gesicherte Zukunft blicken. Doch das alles reichte nicht, um einen Mann wirklich ein ganzes Leben lang zu lieben.

      Seufzend zog sich Andrea für den Krankenhausbesuch um. Dann ging sie wieder hinunter. In der Küche rumorte die Mutter. Vom Vater und dem Knecht war nichts zu sehen und zu hören. Die Bauerntochter ging in den Garten hinaus und schnitt Blumen für einen Strauß ab, den sie Tobias Pahlhuber ins Krankenhaus mitnehmen wollte. Wunderschöne Dahlien, Ringelblumen und Anemonen. Zufrieden schaute sie den bunten Strauß an und ging ins Haus zurück.

      »Bist’ da?« hörte sie ihre Mutter rufen.

      »Ja, in der Diele«, antwortete sie. »Ich hab’ die Blumen für Tobias abgeschnitten. Ich komm’ gleich und helf’ dir.«

      Andrea hatte die Blumen in eine Vase mit Wasser gestellt, damit sie frisch blieben. Maria Brandtner kam aus der Küche.

      »Der Abwasch ist schon gemacht«, sagte sie. »Ich zieh’ mich schnell um, dann können wir fahren.«

      Sie schaute ihre Tochter forschend an.

      »Hat das wirklich sein müssen, Andrea?«

      Das Madel erwiderte den Blick.

      »Was meinst…?« fragte es zurück, obwohl es genau wußte, worum es ging.

      »Der Thomas hat’s doch net bös’ gemeint.«

      »Darüber hab’ ich mich auch net geärgert«, erklärte Andrea. »Aber mußte Papa wirklich wieder mit diesem leidigen Thema anfangen?«

      Ihre Mutter hob hilflos die Hände und ließ sie wieder fallen.

      »Du weißt doch, wie er ist«, meinte sie. »Er würd’s gern seh’n, daß du und der Lorenz…«

      »Aber ich net«, unterbrach die Tochter sie laut. »Und wenn Papa es hundertmal will – ich werd’ den Lorenz net zum Mann nehmen. Eher geh’ ich ins Kloster.«

      Die Bäuerin war von diesem Ausbruch überrascht. Sonst, wenn darüber gesprochen wurde, nahm Andrea es eher auf die leichte Schulter, spaßte sogar darüber. Daß sie jetzt so vehement ablehnte, den Nachbarssohn zu heiraten, machte die Mutter nachdenklich.

      »Gibt’s denn einen and’ren…?« fragte sie zaghaft.

      Das Madel spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoß und drehte sich schnell zur Seite.

      »Ach, was du redest…!« sagte Andrea Brandtner schnell.

      Ob die Mutter ihre Verlegenheit bemerkt hatte? Jedenfalls ließ sie sich nichts anmerken. Die Brandtnerin wandte sich der Treppe zu.

      »Ich geh’ rasch und zieh’ mir was and’res an«, erklärte sie. »Dann kann’s losgehen. Vielleicht magst’ derweil ja noch ein bissel was essen. Ich hab’ deinen Teller steh’n gelassen.«

      Andrea nickte und ging in die Küche. Aber mehr als ein, zwei Gabeln bekam sie nicht hinunter. Als ihre Mutter herunterkam, saß sie schon wieder in der Diele und wartete. Die Blumen hatte sie in Papier eingewickelt und hielt den Strauß in der Hand.

      Die Fahrt zum Krankenhaus verlief schweigsam. Maria Brandtner hütete sich, das Thema wieder anzuschneiden, und ihre Tochter hing den eigenen Gedanken nach.

      Tobias freute sich über die Blumen. Es ging ihm heute schon wesentlich besser, als bei ihrem ersten Besuch, und er durfte aufstehen und mit ihnen im Park herumspazieren.

      »Wie geht’s auf dem Hof?« war seine erste Frage.

      »Gut«, antwortete die Bäuerin und erzählte von dem neuen Knecht, der so überraschend aufgetaucht war.

      »Da habt ihr ja mächtiges Glück gehabt«, meinte der Alte. »Wenn er auch noch tüchtig ist.«

      »Der Loisl ist jedenfalls zufrieden mit ihm«, nickte Maria.

      »Und du, Madel«, wandte sich Tobias an Andreas, »kommst allein zurecht, in uns’rem Garten?«

      Sie lächelte.

      »Schon«, erwiderte sie. »Aber die Blumen und Bäume rufen nach dir. Sie vermissen dich und deine pflegenden Hände. Es wird Zeit, daß’ wieder nach Haus’ kommst.«

      Tobias Pahlhuber schluckte.

      »Na ja, ein bissel wird’s wohl noch dauern«, sagte er. »Grüß’ den Garten einstweilen von mir.«

      *

      Thomas saß in seiner Kammer im Gesindehaus und schaute aus dem Fenster. An sich hätte er mit seiner jetzigen Situation zufrieden sein können, aber er wußte auch, daß es kein Dauerzustand war. Er konnte nicht ewig hier auf dem Hof versteckt bleiben, während der Mensch, der ihn in diese Lage gebracht hatte, sich seines freien Lebens erfreute.

      Hinzu kam, daß er sich auf dem Brandtnerhof nur in einer relativen Sicherheit befand. Jeden Tag bangte er, daß der Bauer oder jemand aus der Familie etwas über ihn in der Zeitung entdeckte. Dann war ohnehin alles aus.

      Thomas spürte, daß er aktiv werden mußte, aber er fragte sich, ob jetzt wirklich schon der rechte Zeitpunkt war. Eines stand jedenfalls fest – alleine würde er es kaum schaffen, die Vorwürfe gegen ihn zu entkräften und den wahren Schuldigen vor Gericht zu bringen. Dazu brauchte er Hilfe. Aber an wen sollte er sich wenden? Er kannte außer der Brandtnerfamilie niemanden im ganzen Wachnertal.

      Dieser Priester fiel ihm ein, der ihn so überrascht hatte, weil er in ihm niemals einen Gottesmann vermutet hätte.

      Aber konnte er ihn wirklich um Hilfe bitten? Wahrscheinlich machte sich Pfarrer Trenker strafbar, wenn er erfuhr, wer Thomas Korber wirklich war und ihn nicht den Behörden meldete.

      Der Knecht grübelte weiter. Er war nie sehr religiös gewesen. Aber er erinnerte sich an die Beichtstunde früher. Was er darüber wußte war, daß es das Beichtgeheimnis gab. Nichts, was man da einem Geistlichen anvertraute, durfte dieser an Dritte weitergeben.

      Aber galt das auch für Straftäter?

      Thomas setzte sch unruhig auf. Was wäre, wenn er in die Kirche zur Beichte ginge und bei dieser Gelegenheit um Hilfe bat? Durfte Pfarrer Trenker sie ihm gewähren? Oder mußte er die Polizei rufen?

      Je mehr Thomas darüber nachdachte, um so besser erinnerte er sich an die Stunden Religionsunterricht, die er als Schüler gehabt hatte. Das Wort ›Kirchenasyl‹ fiel ihm ein.

      Kirchenasyl – konnte das die Lösung seines Problems sein?

      Seit ewigen Zeiten galt dieses ungeschriebene Gesetz – kein Verfolgter, der sich in den Schutz der Kirche flüchtete, durfte seinen Häschern ausgeliefert werden.

      Der junge Mann war aufgesprungen und ging nachdenklich auf und ab. Fieberhaft überlegte er und ihm fiel ein, daß sich auch in neuerer Zeit Menschen mit der Bitte um Schutz an Geistliche gewandt hatten.

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