Hopfenbitter. Alexander Bálly

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Hopfenbitter - Alexander Bálly Allgäu Krimi

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hatte Wimmer am Vormittag abgeholt.

      »Wo ham S’ denn Ihren Wagen?«, fragte Wimmer und sah sich um.

      »Sie stehn davor«, antwortete Biss und ließ die Schlösser per Funk aufschnappen. Es war ein japanischer Mittelklassewagen, schon älter, eierschalenfarben und so wenig markant, dass erst ein Blick auf das Markenlogo mit seinen drei Rauten ihm verriet, dass es sich um einen Mitsubishi handelte. Die Enttäuschung stand Wimmer wohl ins Gesicht geschrieben, denn Biss fragte ihn, als sie losgefahren waren: »Sind Sie enttäuscht? Haben Sie was anderes erwartet? Ich fahre die Schüssel ganz gern. Sie ist wunderbar unauffällig.«

      »Na ja. Ich denk da an Verfolgungsjagden. Da hab ich mir schon a bisserl was Sportlicheres vorg’stellt.«

      »Was hätte Ihnen denn da vorgeschwebt? Ein Aston Martin wie der James Bond, ein roter Jaguar wie Jerry Cotton oder Thomas Magnums Ferrari? Das wären so ziemlich die letzten Autos, die ich wählen würde. Und nicht nur wegen der teuren Reparaturkosten. Was die Verfolgungsjagden angeht, da hatte ich bisher sowieso nie eine. Eher kommt es vor, dass ich jemanden beschatte, dann aber immer mit Abstand.« Biss lächelte. »Trotzdem hat das Auto eine Sonderausstattung.«

      »Ach was?« In Wimmers Kopf spukten Ölsprühdüsen, Ortungsradar und Wendekennzeichen herum. Doch das war natürlich cineastischer Unsinn, der in der Realität kaum etwas verloren hatte. Aber was konnte es dann sein?

      »Der Wagen hat eine Standheizung. Sehr angenehm, wenn man im Winter observieren muss. Da beschlagen die Scheiben nicht dauernd. Kann ich nur empfehlen.«

      Biss kramte in einer Aktentasche und nahm eine großformatige Fotografie aus einer Mappe heraus.

      »Das ist die Vergrößerung, dies hier ist das Original. Sie sehen, die Qualität ist bescheiden. Auch digital kann man da nichts mehr rausholen. Wo nichts ist, kann das beste Programm nix machen.«

      Es war eine quadratische Schwarz-Weiß-Aufnahme, in der Mitte schärfer als am Rand und insgesamt sehr hell und kontrastarm.

      »Erkennen Sie das Haus? Wissen Sie, wo das ist?«

      Wimmer schüttelte den Kopf. Das Bild zeigte drei Frauen, die in die Kamera lachten. Sie standen vor einem Bauernhaus, wie es in der Gegend Hunderte gab: Die Eingangstür wies zum Hof, zwei Reihen Fenster, weiter hinten Stalltüren und alles unter einem regelmäßigen Ziegeldach. Wimmer sah genauer hin. Über der Eingangstür wich die Wand ein wenig zurück und schuf Raum für einen kleinen Balkon. Zwischen den Fenstern war eine kleine Nische mit einer Heiligenfigur. Es gab noch ein paar markante hohe Laubbäume im Hintergrund. Doch die waren leider kaum mehr erkennbar. Im Vordergrund sah er große Körbe aus Bast gestapelt, sogenannte Hopfakirn, in die man beim Hopfenzupfen die Dolden sammelte.

      »Das Jahr kann i Ihnen ned sagen, aber die Aufnahme ist beim Hopfenzupfen entstanden, Ende August oder Anfang bis Mitte September«, erklärte Wimmer. »Sie suchen den Hof von einem Hopfenbauern.«

      Biss nickte. »Das hat mir schon mein Mandant gesagt, aber schön, dass Sie es mir bestätigen. Das Bild entstand wohl Ende der fünfziger Jahre. Vermutlich mit einer Boxkamera. Da hab ich mich erkundigt.«

      »Tut mir leid, den Hof erkenn i ned.«

      »Das wäre ja auch zu schön gewesen, Herr Wimmer! Dann müssen wir halt suchen.«

      Den Rest des Tages fuhren sie der Reihe nach die Höfe von allen Hopfenbauern ab, die Wimmer persönlich kannte und betrachteten im Vorüberfahren einige andere. Biss nannte es zähneknirschend eine »Geduldsaufgabe«. Doch nirgends sah es aus wie auf dem Bild.

      27.8.1954

      Nach einem raschen Frühstück auf dem Hof – Malzkaffee und dick bestrichene Butterbrote mit Schnittlauch – hieß es: »Auf in den Hopfengarten!« Der Anhänger des Traktors wurde mit einem Haufen Ausrüstung beladen, und dann rumpelte er hinaus, gefolgt von einer schnatternden Schar Arbeiter.

      »Hast du dein Pflaster dabei?«, fragte Eleonore ihre Freundin.

      »Ja, freilich.« Franziska hatte in München noch eine große Rolle mit breitem Hansaplast gekauft, wie Eleonore es ihr geraten hatte. »Aber wofür brauch ich es denn?«, wollte sie wissen.

      »Wou kummst denn her, Kind? Aos da Stodt g’wieß. Da houn s’ woul koan Hopfa ned«, mischte sich eine dicke Frau ein und lachte. Wenn sie sprach, klang ihr breiter Oberpfälzer Dialekt ein wenig wie das Gebell eines freundlichen Hundes. Später lernten sie die immer gut gelaunte Kameradin kennen. »Leopoldine haiß i, dearfsch oba Poldi song«, stellte sie sich vor.

      »Das Pflaster schützt die Händ a bisserl«, kam Eleonore auf die Frage zurück. »Weißt, der Hopfen ist keine sehr angenehme Pflanze.«

      Das war eine gelinde Untertreibung, fand Franziska bald. Ein paar Minuten später saß sie mit den anderen am Hopfengarten auf einem Schemel, vor sich zwischen den Beinen einen großen Spankorb und eine Hopfenranke auf dem Schoß. Den Daumen und Zeigefinger hatte Eleonore ihr mit einem Stück Pflaster abgeklebt, und sie war froh für diese Hilfe. Nur gestandene Bäuerinnen mit hornigen, eisenholzharten Händen fassten hier ohne die Schutzmaßnahme zu.

      »Geh, Franzi!«, tröstete Leopoldine. »Des hao ma olle leana miassen! Do is nou a jede mit z’rechtkumma.«

      Schon die erste Hopfenranke hatte Franziska gelehrt, wie gemein die Pflanze war. Alles an ihr – bis auf die Dolden – war hart. Was immer sie anfasste, die Stängel und sogar die gefingerten Blätter, so ziemlich alles war erstaunlich stachelig. Das Pflaster half, dass es ihr nicht die Haut aufriss, wenn sie zupackte. Wogegen es nicht half, und was Franziska bald sehr lästig fand, waren die Hafthaare an den Stängeln. Als Schlingpflanze, die etwas braucht, um nach oben zu ranken, benutzte der Hopfen diese groben Haare, die kaum weniger stachelig waren als die eigentlichen Stacheln selbst.

      Nach einer Stunde besah sich Franziska ihre Hände. Sie waren wie von einer Schicht Pattex überzogen, und daran haftender Schmutz färbte die Finger schwarzbraun.

      »Jessas, bekomm i den Dreck je wieder runter?«, fragte sie Leopoldine, die neben ihr arbeitete.

      »Mit am Wasser und a Soafen geht’s schou ob. Ouwa tüchtig schrubben mousst halt. Blous wouzu? Morgen houst an Dreck ja glei wieder drauf. Des deppade Harz gehört halt douzua. Da Hopfen is eh a recht a garstiges G’wachs. Das oanzig weiche, wous a bisserl angenehm is, des san die kleinen Hopfadroin.«

      Diese Dolden, die in dichten Trauben wie winzige grüne Tannenzapfen üppig an den Reben hingen, galt es abzuzupfen. Das war die Arbeit der Pflückerinnen. Die kleinen Zapfen waren der Schatz der Region. Ihretwegen hatte der Bauer einen Kredit für den teuren Stangengarten bei der Raiffeisenbank aufgenommen. Wegen dieser Dolden, den weiblichen Blütenständen, waren der Bauer oder seine Frau beinahe täglich herausgekommen und hatten immer wieder dafür gesorgt, dass es den Pflanzen an nichts fehlte.

      Wegen dieser kleinen goldgrünen Zapfen beobachteten alle Bierbrauer die Nachrichten aus der Holledau. Wehe, es gab größere Einbußen in der Menge oder gar einen Einbruch in der Qualität! Dann stieg der Hopfenpreis, oder, weit schlimmer noch, es sank die Qualität des Bieres.

      Die Bäuerin, die Leopoldine zugehört hatte, meinte: »Der Hopfen is a rechter Segen, aa wenn er sich garstig anlangt. In den Zapferl drin, da sitzt nämlich des Lupulin!«

      Sie nahm eine Hopfenblüte und bog die Schuppen zurück. »Siehst die kleinen gelben Körnderl? Des san Drüsen, da sitzt das Lupulin. Das is was ganz Kostbares.

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