Target on our backs - Im Fadenkreuz. J.M. Darhower
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Sie hat es kaum gesagt, da ziehe ich mein Telefon aus der Tasche. „Wie wäre es, wenn ich dir stattdessen einen Wagen bestelle?“
Sie zuckt mit den Schultern, als wäre es ihr egal und kippt den jetzt abgekühlten Kaffee herunter. Aber es ist nicht egal. Die Fahrer des Autoservice sind sicherheitsüberprüft. Ich kenne ihre Namen und Adressen. Ich weiß, wo ihre Eltern wohnen.
„Was immer du willst“, sagt sie und stößt sich von der Arbeitsfläche ab, um die Küche zu verlassen. „Ich bin in ungefähr fünfundvierzig Minuten fertig.“
„Dann lasse ich dich um die Zeit abholen.“
Eine Stunde später steht das Auto am Bordstein vor dem Haus und der Fahrer wartet geduldig, während Karissa herumtrödelt, den Hund füttert und sich noch eine Tasse Kaffee macht – dieses Mal zum Mitnehmen. Als sie endlich fertig ist und all ihre Sachen zusammengesammelt hat, stellt sie sich auf die Zehenspitzen, küsst mich kurz auf die Lippen und geht dann Richtung Tür. „Ich wünsche dir viel Spaß beim Nichtstun.“
„Den werde ich haben“, sage ich und beobachte, wie sie hinausgeht und mich allein lässt. Ich hasse es, wenn sie geht, aber heute bin ich erleichtert, als sie weg ist. Ich kann wieder frei atmen und muss nicht mehr befürchten, dass sie herausfindet, was ich vorhabe – und ihren Blick sehen. Dieser Blick, der sagt, dass ich ihr immer noch manchmal Angst mache – bis zum heutigen Tag. Es ist eine Weile her, seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Und ich gebe mir Mühe, ihn mir vom Leib zu halten.
Mit einem Seufzen sehe ich mich in der makellos sauberen Küche um und nehme den scharfen Geruch des Bleichmittels wahr, der an allem klebt und lehne mich an die Arbeitsplatte. Killer steht im Türrahmen, hat die Ohren angelegt und starrt mich an. Als sich unsere Blicke treffen, höre ich das Grollen. Ein tiefes Knurren bildet sich tief in seiner Kehle.
„Sieh mich nicht so an“, sage ich. „Ich tue, was ich tun muss.“
Er bellt einmal, rührt sich aber nicht. Ich greife in den Schrank neben meinem Kopf und hole ein Leckerli heraus. Ich werfe es ihm zu, und das Knurren hört sofort auf. Er wedelt mit dem Schwanz, während er das Leckerli verschlingt und vergisst für den Moment, dass ich eigentlich sein Feind bin.
Er ist leicht abzurichten. Leicht auszutricksen. Wenn er so weitermacht, fange ich vielleicht sogar irgendwann an, ihn zu mögen. Oder auch nicht.
Ich greife nach meinen Schlüsseln und gehe in die Garage. Es ist jetzt etwas wärmer als letzte Nacht. Es wird ein heißer Tag.
Ich öffne den Kofferraum und verziehe das Gesicht, als mir der Gestank in die Nase steigt. Ich wedele mit der Hand vor meinem Gesicht herum und weiche zurück. Himmel, heute Morgen ist es sogar noch schlimmer. Ich werde eine Tonne Bleichmittel brauchen, um dieses Desaster zu beseitigen.
Armando ist ohnmächtig, aber ich sehe, dass sich seine Brust bewegt. Er atmet noch, hat die Nacht also überlebt. Der glückliche Schweinehund.
„Wach schon auf“, sage ich und gebe ihm ein paar Klapse ins Gesicht, die ihn wachrütteln. Es ist erstaunlich – er hat in einem verdammten Kofferraum mehr Schlaf gefunden als ich in meinem eigenen Bett. Es dauert eine Weile, bis er richtig zu Bewusstsein kommt, zu begreifen, wo er ist und was ich ihm angetan habe. Er schreckt zurück, als er mich sieht, blinzelt ein paar Mal heftig und verzieht vor Schmerz das Gesicht. „Du Nichts hast also bis zum Morgen überlebt. Glückwunsch.“
Wahrscheinlich hat er sich letzte Nacht in den Schlaf geweint, weil er glaubte, dass sein Ende naht, weil ich seinen Tod nur hinauszögern und ihn ein bisschen quälen würde, bevor ich ihm das Leben nahm. Er hat wahrscheinlich bei dem Gedanken das Bewusstsein verloren, dass er nie mehr einen neuen Tag sehen würde.
Ich bin immer noch geneigt, den Bastard nur aus Prinzip zu töten. Lass keine Zeugen übrig. Er kann mit Sicherheit bezeugen, was ich gestern vorhatte. Aber ich tue es nicht. Stattdessen gebe ich ihm eine zweite Chance. „Heute werde ich dich nicht umbringen, Armando. Ein Deal ist ein Deal, und ich stehe zu meinem Wort. Aber das bedeutet nicht, dass ich dich nie töten werde. Sobald du einen Fehler machst oder mir in die Quere kommst, beende ich dein Leben. Und es wird nicht so gnädig sein wie ein Messer in deiner Kehle. Hast du das verstanden?“
Er nickt und fängt wieder an zu weinen, die Tränen strömen über seine Wangen. Angewidert knalle ich den Kofferraum zu, gehe ums Auto herum und setze mich ans Lenkrad. Ich bringe ihn nach Hause, wie ich es gesagt habe, und ich lasse ihn laufen, wie ich es gesagt habe. Ich gebe ihm die Chance, bis zu seinem natürlichen Ende zu leben. Und er enttäuscht mich besser nicht. Meine Geduld ist ohnehin fast am Ende.
Kapitel 3
Karissa
Das Café in der New York University ist um zwei Uhr an einem Dienstagnachmittag fast leer. Die meisten Studenten sitzen entweder in ihren Kursen oder sind bereits auf dem Weg nach Hause. Nur wenige Tische sind besetzt und es gibt keine Warteschlange für die Bestellung von Getränken. Ich nippe an meinem Schoko-Minze-Tee und sehe mich um, wobei ich mit dem Fuß auf dem Linoleumboden trommle. Ich hatte heute schon ungefähr eine Tonne Koffein, genug, um ein betäubtes Pferd zu wecken, aber das macht mich nicht so ruhelos.
Nein, es ist das, was im Feinkostladen passiert ist. Ich bekomme es nicht aus dem Kopf. Ich frage mich, wie es Giuseppe geht und was er denkt. Ich erinnere mich, dass Naz gesagt hat, sein Vater habe vor Jahren zusätzliche Sicherheitseinrichtungen installieren lassen, nachdem sein Sohn sich mit Raymond Angelo verbündet hatte, aber diese Vorsichtsmaßnahmen schienen nun zum ersten Mal nötig gewesen zu sein. Ich kann mir nur vorstellen, was das für die Beziehung bedeutet, die die beiden gerade anfingen wieder aufzubauen. Können sie das überwinden?
„Erde an Karissa!“ Finger schnipsen vor meinem Gesicht und schrecken mich auf. „Hast du eine psychotische Phase?“
Ich zucke zusammen und mein Blick begegnet Melodys, die mir an dem kleinen, runden Tisch gegenübersitzt. „Was?“
„Himmel, ich dachte, du hättest einen psychotischen Zusammenbruch oder so was“, sagt sie und sieht mich kopfschüttelnd an. „Ich habe ungefähr dreißig verdammte Minuten mit dir geredet, und du hast nicht mal gemerkt, dass ich hier bin.“
Ich ignoriere die Tatsache, dass wir höchstens seit zehn Minuten hier sind, lehne mich auf dem Stuhl zurück, nehme mit beiden Händen mein Getränk und schenke ihr meine ungeteilte Aufmerksamkeit. „Was hast du gesagt?“
„Ich weiß es nicht mal mehr.“ Sie stöhnt, lässt den Kopf auf das geöffnete Buch vor ihr auf dem Tisch sinken und murmelt gegen die Seiten: „Warum tue ich mir das bloß immer wieder an?“
„Vielleicht bist du eine Masochistin“, schlage ich vor. „Du brauchst einen guten Sadisten in deinem Leben.“
Das hat einen leicht angehobenen Kopf und einen höllisch bösen Blick zur Folge. Ich lache und zucke mit den Schultern. Wer weiß? In einer Million Jahren hätte ich nicht gedacht, eine Exhibitionistin zu sein, aber Naz schwört, dass ich eine sein könnte und ich leugne nicht, dass mich der Gedanke, beobachtet zu werden, erregt. „Hey, man weiß nie. Wir haben alle unsere Macken.“
„Ich bin eine Idiotin“, erwidert sie und ignoriert meinen Vorschlag. „Ich bin zu hundert Prozent ein verfluchter Vollpfosten. Es gibt keine andere Erklärung. Ich werde es nie lernen.“
Sie knallt ein paar Mal dramatisch den Kopf auf ihr brandneues Lehrbuch, bevor sie