Mami Bestseller Staffel 5 – Familienroman. Marianne Schwarz
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Dann sah er das kleine Mädchen an, und es durchzuckte ihn förmlich. Wenn er je auch nur den geringsten Zweifel gehabt hätte, sie könne vielleicht doch nicht seine Tochter sein, in diesem Augenblick hätte er ihn aufgegeben. Sie war eine Brambeck, nicht nur wegen der dunklen Haare, die sie zweifellos von ihm hatte, sondern auch was den ganzen Gesichtsschnitt betraf. Unter dem forschenden Kinderblick wurde Guido ganz sonderbar zumute, als er ihr die Hand hinstreckte.
»Du bist also die Conny?« fragte er, um überhaupt etwas zu sagen.
»Richtig heiße ich Constanze«, erklärte die Kleine.
»Ein schöner Name«, murmelte er und ließ sich nun auch nieder. Ihm wurde jetzt bewußt, was für eine seltsame Situation es war.
»Sie ist goldig, nicht?« lächelte Christina. Ein wehmütiger Zug flog über ihr Gesicht, denn sie dachte, daß das kleine Mädchen eigentlich so aussah, wie sie sich ein Kind von Guido selbst immer vorgestellt hatte. Schon als sie Conny zum ersten Male gesehen hatte, hatte sie das denken müssen, doch beide Male war es ihr ganz ohne Arg durch den Kopf geschossen.
»Bitte nicht«, bat Astrid, »es tut Kindern nicht gut, das zu hören. Wenn ich eines nicht mag, dann sind es Kinder, die schon in dem Alter so eingebildete kleine Fratzen sind.«
»Findet ihr meine neuen Hosen und die Bluse auch schön?« fragte Conny kokett, aber es war offensichtlich, daß sie die Bemerkung mehr auf die neuen Sachen bezog.
»Bildschön, richtig fesch schaust du aus«, nickte Christina.
»Die hat mir meine Mami gerade gekauft«, berichtete Conny wichtig, »und da in der Tasche ist ein Kleid für Mami, soll ich es euch auch mal zeigen?« Sie rutschte von ihrem Stühlchen und machte Anstalten, die Tragetasche zu öffnen.
»Aber Schatz, das interessiert doch niemanden!« Hastig nahm Astrid sie ihr fort und hängte sie an die Lehne ihres Stuhls.
Christina lachte amüsiert. »Also, was Unbefangenheit und Natürlichkeit anbelangt, so brauchen Sie sich wegen ihrer Tochter keine Sorgen zu machen.«
Conny, die neben Guido saß, war stehengeblieben und betrachtete die Armbanduhr, die er trug.
»So eine hat Onkel Michael auch«, stellte sie fest.
»So?« Es klang ein wenig verwundert, denn es war eine ziemlich kostbare Uhr. »Und wer ist Onkel Michael?« konnte er sich nicht enthalten zu fragen.
»Das ist mein neuer Freund«, erklärte Conny wenig aufschlußreich.
»Was, ein kleiner Junge trägt schon solch eine Uhr?« staunte er, wohl
wissend, daß das wohl kaum möglich war.
Conny lachte. Niedliche Grübchen bildeten sich in ihren Wangen.
»Michael ist doch kein Junge, sondern ein großer Mann wie du. Wie Sie«, verbesserte sie sich hastig, denn sie kam in das Alter, da man allmählich begriff, daß man nicht alle Erwachsenen duzen durfte.
»Ach so. Aber du darfst ruhig du zu mir sagen«, lächelte er, und sein Herz schlug plötzlich höher. Was für ein entzückendes Geschöpfchen war dieses kleine Mädchen, und es war sein Kind!
»Wie heißt du denn mit dem Vornamen?« wollte sie nun wissen.
Astrid gefiel ganz und gar nicht, was sich da abspielte. Guidos Miene zeigte unverhohlen, wie sehr ihm sein Töchterchen gefiel. Sein Töchterchen? Nein, es war ihr Kind allein, nachdem er sich in all den Jahren nie für sie interessiert hatte! Wäre sie weniger niedlich, hätte er sich wohl kaum so mit ihr befaßt, sie kannte ihn doch!
»Ich heiße Guido«, sagte dieser nun.
»Ach, das ist aber ein komischer Name.«
»Gefällt er dir nicht?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte sie unschlüssig.
Er lachte kurz auf, hob dann den Kopf und sah Astrid an. Die winzige Falte zwischen ihren Brauen entging ihm nicht. Gefiel es ihr nicht, daß er sich so mit dem Kind befaßte?
»Wo sind Sie eigentlich abgestiegen?« erkundigte sich Christina nun bei ihr und berichtete dann, daß sie hier mit ihrer Segeljacht ankerten.
Astrid konnte nicht verhindern, daß ihr das Blut ins Gesicht schoß, weil sie der Gedanke durchfuhr, ob es wohl noch die war, auf der sie seinerzeit mit Guido geschippert war.
Zum Glück merkte Christina Brambeck ihre Verlegenheit nicht. Aber Guido registrierte ihren Farbwechsel sehr wohl. Daß sie einfach peinlich berührt war, konnte er sich nicht vorstellen. Er glaubte sicher zu sein, daß sie in diesem Augenblick an die Intimität ihres Zusammenseins gedacht hatte. Hatte sie die Tage nie vergessen? War das am Ende der Grund, daß sie nicht geheiratet hatte? Denn so, wie sie aussah, konnte es ihr doch trotz des Kindes kaum an Verehrern gemangelt haben. Es tat seiner männlichen Eitelkeit sehr gut, sich das vorzustellen, zumal er sie jetzt ungeheuer reizvoll fand. Sie war nicht mehr das dumme kleine Mädchen von einst, das war unübersehbar!
»Übrigens, wie wäre es, wenn Sie morgen beide eine Fahrt mit uns machten?« schlug Christina plötzlich vor. »Das wäre doch mal eine hübsche Abwechslung, und ganz sicher auch für uns, nicht wahr, Guido?«
»Das ist sehr freundlich, aber…«, wollte Astrid schon ablehnen, aber Conny fiel ihr ins Wort.
»Bitte, bitte, Mami, laß uns mitfahren!« bettelte sie. »Mit einem Boot wollte ich immer schon mal fahren!«
»Also, dann ist es abgemacht, da können Sie doch gar nicht nein sagen, liebe Frau Hollmann«, entschied Christina. »Wir erwarten sie nachmittags um drei am Hafen und zwar…« Sie beschrieb die genaue Stelle.
Astrid warf Guido einen schnellen Seitenblick zu. Sehr begeistert wirkte er auch nicht gerade. Diese Begegnung heute war unausweichlich gewesen, er hatte das Beste daraus gemacht. Aber daß er sie und Conny nun einen ganzen Nachmittag auf dem Hals haben sollte, schien ihm doch nicht so zu passen. Fürchtete er womöglich, irgend etwas könne herauskommen?
Eigentlich geschähe es ihm recht, dachte Astrid schadenfroh. Dann nickte sie und versprach, mit Conny pünktlich am Treffpunkt zu sein.
*
Astrid hatte richtig vermutet. Guido machte seiner Frau Vorwürfe, als sie außer Hörweite waren.
»Pflegst du deinen gesellschaftlichen Umgang neuerdings unter deinen Friseusen zu suchen?« fragte er mit ätzendem Spott.
»Ich weiß, du warst immer ein Snob«, erwiderte sie gelassen. »Aber ich finde Frau Hollmann und ihre Tochter reizend, mir ist es ganz wurscht, was sie macht. Im übrigen gehört ihr inzwischen einer der ersten Friseursalons in Hamburg.«
»Was für ein enormer Aufstieg« höhnte er.
»O ja, sie ist eine sehr tüchtige Frau. Du solltest mal die vielen Preise sehen, die sie in ihrem Metier schon gewonnen hat.«
»Und die sie natürlich alle sichtbar an die Wand hängt.«
»Natürlich! Klappern gehört bekanntlich zum Handwerk. Sogar die Firma Brambeck betreibt Reklame. Außerdem habe ich sie eingeladen, weil ich sie gern mag.