Hetzwerk. Peter Gerdes

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Hetzwerk - Peter Gerdes

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Typ, aber das war ja auch etwas ganz anderes, da machte er klare Unterschiede. Frau Fecht jedenfalls sah richtig gut aus.

      Eigentlich. Bis auf den verhärmten Zug um den Mund. Entweder war sie sehr erschöpft oder sehr enttäuscht. Mit Trauer hatte das jedenfalls nichts zu tun. Den Umriss ihres getöteten Gatten und die Spuren der inzwischen beseitigten Blutpfütze auf der Auffahrt des gemeinsamen Hauses musterte sie jedenfalls mit kühlem Interesse. Bestenfalls.

      »Darf ich?« Sie hob ihre rechte Hand mit dem Hausschlüssel. »Oder ist das hier noch gesperrt? Tatort und so?«

      »Sie dürfen.« Ekinci nickte. »Die Spurensicherung ist schon durch. Tatortreinigung auch. Ich würde gerne mit Ihnen einmal durch die Räume gehen, um zu prüfen, ob etwas fehlt.«

      Cornelia Fecht nickte und schloss auf.

      Ekinci folgte ihr in den hallenartigen Flur. »Bitte sagen Sie, wenn Ihnen etwas auffällt«, sagte er. »Jede Kleinigkeit könnte wichtig sein.«

      »Jede Kleinigkeit, ja? Okay.« Sie musterte den Oberkommissar von oben herab. Anscheinend hielt sie nur mit Mühe ein abfälliges Grinsen zurück. »Erste Beobachtung: An der Garderobe hängen keine typisch weiblichen Kleidungsstücke. Darauf hat er nicht immer geachtet.«

      Die Verachtung in ihrer Stimme überraschte Ekinci, aber sie lieferte ihm die Erklärung für ihren verbitterten Gesichtsausdruck. »Ihr Verhältnis zu Ihrem Gatten war also … gestört?«, fragte er.

      »Gestört ist gut!« Jetzt lachte sie wirklich, so böse, dass Ekinci Schauer über den Rücken liefen. »Carsten hat alles gevögelt, was nicht bei drei auf den Bäumen war. So was gilt doch als Sucht, oder? Also war er gestört. Obwohl, der eine sagt so, der andere sagt so. Viele hielten ihn für einen tollen Kerl, und tolle Kerle tun das eben. Tja, die waren entweder selber so, oder sie wären gerne so gewesen.«

      »Ihr Mann hat Sie also betrogen?«, fragte Ekinci sicherheitshalber nach.

      »Soll ich Ihnen ein Bild malen? Oder wollen Sie es schriftlich?« Wieder so ein geringschätziger Blick. »Obwohl, es liegt ja tatsächlich schriftlich vor. Wissen Sie das gar nicht?«

      Ekinci wusste nichts. Er verstand auch nichts. Das sah man ihm an.

      »Der Hacker«, erläuterte Cornelia Fecht, »der Carstens Chats öffentlich gemacht hat. Von dem wissen Sie doch? Gut. Dieser Hacker hat verschiedene Chatgruppen geknackt. Und auch online gestellt. Die lokale Zeitung hat sich natürlich auf die gestürzt, in denen es um Politik ging. Beziehungsweise Politiker. Sie kennen doch dieses Blatt, die lassen keine Chance aus, die SPD in die Pfanne zu hauen, stimmt’s?«

      Nidal Ekinci nickte, dabei gehörte Lokalpolitik zu den Aspekten der deutschen Kultur, die ihn am wenigsten interessierten. Europapolitik, transatlantische Beziehungen, vor allem natürlich der Nahe Osten und die Situation der Kurden, das waren Themen, in denen er sich bestens auskannte. Aber Landes-, Kreis- und Stadtpolitik hatte er stets geringschätzig ignoriert. Vielleicht ein Fehler, überlegte er. Immerhin lebte er hier, und was zum Beispiel der Stadtrat von Leer beschloss oder auch nicht, ging ihn unmittelbar etwas an.

      »Über Carstens ausschließlich private Chats aber haben sie nichts geschrieben«, fuhr Cornelia Fecht fort. »Da scheinen diese Schreiberlinge eine Hemmschwelle zu haben, die ihnen ansonsten abgeht. Einer von denen hat mir mal erzählt, dass Ex-Kanzler Gerhard Schröder, als er noch Ministerpräsident in Niedersachsen war, bei einem Pressetermin auf einer Bohrinsel in der Nordsee ganz offen mit einer Journalistin geturtelt hat, obwohl er noch anderweitig verheiratet war – und kein einziger der Pressekollegen hat auch nur eine Zeile darüber geschrieben! Scheint so eine Art Kerlekodex zu sein. Wenig später hat sich Schröders Gattin dann scheiden lassen, und die blonde Journalistin wurde seine Ehefrau Nummer vier. Inzwischen ist sie aber auch schon wieder Ex und abgelöst.«

      »Aber Ihnen hat man die Chats zugänglich gemacht?«, fragte Ekinci.

      »Zugänglich gemacht? Sagen wir lieber: unter die Nase gerieben«, erwiderte Cornelia Fecht. »Diese junge Tante bei der Ostfriesen-Post, Mareike Feeken, hat mich deswegen extra angerufen. Und mir ein paar Auszüge davon als Datei zugeschickt. Hat ihr bestimmt Spaß gemacht, wetten? Mir dafür weniger.« Sie schnaufte.

      »Warum hat sie das getan? Wenn sie ja doch nicht darüber schreibt?«

      »Was weiß ich.« Cornelia Fecht zuckte desinteressiert mit den Schultern. »Vielleicht für später? Oder sie schreibt unter anderem Namen etwas für die Bunten Blätter? Aber ob die sich für einen Hinterbänkler aus dem Landtag interessieren, ist noch die Frage. Obwohl – jetzt, nach dem Mord vielleicht schon. Na, das sehe ich dann ja beim nächsten Friseurbesuch.«

      So viel Kaltschnäuzigkeit schockierte Ekinci. Die nächsten Stationen ihrer Hausbegehung absolvierten sie einsilbig. Der Oberkommissar deutete auf die geöffneten Schubladen, und Cornelia Fecht kontrollierte, ob etwas fehlte. Meist mit negativem Resultat. Nur bei einer Kommode im Esszimmer war sie unsicher. »Ich meine, hier hätte Carstens altes Handy gelegen«, sagte sie. »Vielleicht hat er es selber wieder an sich genommen. Oder aber wir haben es bei einer Sammelaktion abgegeben. Manchmal werden ja Handys gesammelt, bei denen die Notruffunktion noch geht.«

      Mehr gab das Erdgeschoss nicht her, so weiträumig es auch war. Carsten Fechts Arbeitszimmer befand sich im ersten Stock. Die Treppe war ungewöhnlich breit und komfortabel geschnitten. Solche Details deuteten auf altes Geld hin, dachte Ekinci, nicht auf einen roten Emporkömmling. Hatte Carsten Fecht das Geld geheiratet?

      Im Arbeitszimmer ihres Mannes blieb Cornelia Fecht abrupt stehen. »Da stand sein Laptop, wenn er zu Hause gearbeitet hat«, sagte sie und deutete auf die leere Mitte einer Arbeitsplatte aus Edelholz. »Und da war die externe Festplatte. Beides weg. Schauen Sie, da sind noch Abdrücke von den Gummifüßchen.«

      Einen klassischen PC gab es in diesem Raum nicht, auch kein Tablet. Gespeicherte Dateien konnten sich also nur auf dem Laptop oder der Festplatte befunden haben. »Ihr Mann hat in der Presse verkündet, er verfüge noch über viel belastendes Material«, sagte Ekinci. »Vielleicht hätte er das besser lassen sollen.«

      »Vielleicht. Vielleicht auch nicht«, sagte Cornelia Fecht. »Mir erspart das einiges an Stress. So eine Scheidung zieht sich ja oft ganz schön hin.«

      »Sie haben also die Scheidung eingereicht«, konstatierte Ekinci.

      »Klar, was denken Sie denn? Ich wusste zwar, dass Carsten schon immer Ambitionen hatte, den Bezirksbeschäler zu spielen. Wenn ich ehrlich bin, haben wir uns genau deswegen überhaupt kennengelernt. Fand ich ja auch ganz reizvoll. Aber ich habe mir ernsthaft eingebildet, nach unserer Heirat hätte ich ihn an die Kette gelegt. Von kleinen Seitensprüngen mal abgesehen; so was passiert immer mal, da bin ich auch gar nicht so. Aber als ich erfuhr, dass er mich in diesem Ausmaß und dauerhaft betrogen hat, all die Jahre, immer wieder, da hatte ich dann doch genug. Schlagartig.«

      »Haben Sie seinerzeit Vermögen mit in die Ehe gebracht?«, fragte Ekinci.

      »Aber hallo! Erbteil meines Vaters, der kurz vorher verstorben war. Nicht gerade wenig. Für das Haus hier hat’s jedenfalls gereicht. Meine Mutter lebt noch, aber es geht ihr ziemlich schlecht. Meine Schwester und ich sind so oft es geht bei ihr, in Westerstede. Abwechselnd. Wir haben natürlich Pflege gebucht, zweimal täglich, aber Familie ist eben auch wichtig.«

      Das war auch einer von Nidal Ekincis Lebensgrundsätzen. In diesem kalten Ton ausgesprochen, ließen ihn die Worte jedoch erbeben.

      »Haben Sie einen Ehevertrag?«, fragte er.

      Cornelia

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