Hetzwerk. Peter Gerdes

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Hetzwerk - Peter Gerdes

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sie mit einem Zopfband im Nacken gebändigt. »Annika Brühl, grüß Gott, Herr Kollege!«, strahlte sie Stahnke an. »Oder vielmehr Moin, wie ihr hier sagt, gell? Muss ich mich noch dran gewöhnen.« Sie lachte laut, ebenso unpassend wie ansteckend. »Ab morgen bin ich bei euch in Leer. Passt gut, dass wir uns hier treffen.«

      Stahnke runzelte nur kurz die Stirn, dann fiel es ihm wieder ein. »Ach, die neue Hauptkommissarin aus Hessen! Tja, dann mal herzlich willkommen in Ostfriesland. Oder vielmehr Moin, wie wir hier sagen.«

      Laut Aktenlage war Annika Brühl 39, also nur drei Jahre jünger als Christel Röben. Rein optisch aber schienen mindestens zehn Jahre zwischen den beiden Frauen zu liegen. Lag es am strahlenden Lächeln und den blitzenden dunkelbraunen Augen? Christel Röben hatte momentan gerade gar nichts zu lachen, war um die Aufgabe, schnellstens ein anderes geeignetes Wohnhaus zu beschaffen, nicht zu beneiden. Wohl deshalb wirkten ihre grauen Augen so stumpf.

      Annika Brühl strahlte schon wieder. »Vielen Dank, aber in Ostfriesland bin ich schon seit einem Monat! Witzige Geschichte. Meine neue Stelle in Leer wird offiziell erst heute frei, während mein Nachfolger in Wiesbaden schon Ende Februar angerückt ist. Und Aurich hat einen chronisch hohen Krankenstand. Also hat man mich für einen Monat in der Inspektion am Fischteichweg zwischengelagert. Zur Eingewöhnung.«

      Stahnke war baff; so etwas hatte er noch nie gehört. »Warum wurden Sie denn nicht gleich nach Leer versetzt?«, fragte er. »Wir haben auch immer Personalbedarf!«

      Annika Brühl zuckte mit den kräftigen Schultern. »Aber nicht so viel wie Aurich, sagt die Statistik. Und die entscheidet.« Ihre Stimme sank zu einem verschwörerischen Flüstern herab: »Passte mir außerdem ganz gut, mich vorher schon mal in der Gegend umtun zu können, dienstlich wie privat. Dann ist man nachher, wenn es richtig losgeht, nicht mehr das heurige Häschen.«

      Christel Röben trat von einem Gummistiefel auf den anderen. Die wachsende Ungeduld war ihr anzusehen. »Haben Sie denn jetzt Erkenntnisse bezüglich der Brandursache?«, fragte sie die Hauptkommissarin drängend. »Ihr Kollege fragt schon, ob wir das vielleicht selbst waren, weil wir nicht mit einem Grill umgehen können.«

      Stahnke wollte empört widersprechen, kam aber nicht zu Wort. »Haben wir«, antwortete stattdessen Annika Brühl. »Größere Mengen Brandbeschleuniger konnten nachgewiesen werden. Außerdem wurde das hier gefunden.« Sie winkte einen weiß gekleideten Kollegen von der Spurensicherung herbei, der etwas vorzeigte, das an einen unappetitlichen Nachtisch in einem zersplitterten Schälchen erinnerte. »Das war mal eine Haushaltskerze, fixiert in einer gläsernen Schale, die mit einer brennbaren Paste gefüllt war«, erläuterte die Hauptkommissarin. »Diente vermutlich als Zünder. Primitiv, aber wirkungsvoll. So konnte der Brand vergangene Nacht vorbereitet werden, brach aber erst heute Morgen aus.«

      »Also Brandstiftung«, fasste Christel Röben zusammen und nickte. Ihr Gesicht wirkte hart und keineswegs überrascht.

      Stahnke hatte diesen Schluss längst selbst gezogen. Seine Gedanken kreisten gerade um etwas anderes. Hauptkommissarin, dachte er, noch keine 40, die kann etwas und will noch mehr. Schaue ich hier in das Gesicht meiner Nachfolgerin?

      Ein hübsches Gesicht noch dazu. Und kräftige Hände mit langen Fingern, um die sie bestimmt ihre sämtlichen männlichen Vorgesetzten wickeln konnte, angefangen beim Inspektionsleiter. Oder womöglich bei ihm?

      »Haben Sie einen Verdacht, Frau Röben?«, fragte Annika Brühl. Erneut an Stahnkes Stelle. Er musste wirklich aufmerksamer sein.

      »Na ja, wen wohl? Die üblichen Ausländerfeinde eben.« Christel Röben schnaubte abfällig. »Aber eine nennenswert schlagkräftige NPD gibt es hierzulande nicht, und die AfD hat mehr mit sich selbst zu tun, zerstritten, wie die ist. Konkret wüsste ich also nicht, wen ich da nennen sollte.« Sie hielt kurz inne, rieb sich mit beiden Händen über die blassen Wangen. »Es kann natürlich auch etwas ganz anderes dahinterstecken.«

      »Nämlich?«, fragte Stahnke. Überflüssigerweise, aber immerhin als Erster.

      »Spekulanten«, sagte die blasse Frau und schaute den Hauptkommissar an, als sei damit alles gesagt.

      War es nicht. »Um mit Immobilien spekulieren zu können, muss man doch deren Besitzer sein«, erwiderte er. »Und sind das nicht – Sie? Beziehungsweise Ihre Organisation?«

      »Stiftung«, korrigierte Christel Röben. »Ich vertrete die Stiftung Integer pro Integration, deren Geschäftsführerin ich bin, wie Sie sicher wissen. Und nein, die Stiftung besitzt dieses Haus nicht, sie hat es angemietet. Langfristig. Mit dem Ziel, Migrantenfamilien mit Bleiberecht aus der Isolation der Flüchtlingsunterkünfte und aus überteuerten Wohnungen in prekären Gebieten herauszuholen und ihnen zu helfen, in Wohnlagen mit mehrheitlich deutscher Einwohnerschaft umzusiedeln.«

      »Löblich«, sagte Stahnke. »Aber wo wäre die Spekulation?«

      »Wie Sie sehen, ist dies ein Zweifamilienhaus«, erklärte Christel Röben. »Der Trend geht jedoch zur Nachverdichtung bestehender Wohngebiete. Viele Menschen leben in Ein- oder Zweipersonenhaushalten, die wollen keine großen Häuser am Stadtrand mit ausgedehnten Gärten, die wollen pflegeleichte Kompaktwohnungen in verkehrsgünstiger Lage. Auf einem Grundstück wie diesem kann locker ein Acht-Parteien-Wohnblock stehen, ohne gegen bestehende Bauvorschriften zu verstoßen. Ich schätze, genau das hat der Besitzer vor.«

      »Beschuldigen Sie den Eigentümer damit der Brandstiftung?«, fragte Annika Brühl. »Auf welcher Grundlage?«

      »Ich wurde nach einem Verdacht gefragt, dies ist meine Antwort«, erwiderte die blasse Frau spitz. »Beweise sind Ihre Sache, oder nicht?«

      Annika Brühl ging nicht darauf ein. »Sagen Sie, als Sie und Ihre Stiftung planten, die Migrantenfamilien genau hier anzusiedeln, haben Sie eigentlich vorher die Nachbarn befragt, was die davon halten?«

      »Ich verstehe nicht.« Genauso guckte Christel Röben auch. »Das Objekt war zur Vermietung angeboten, und wir haben gemietet. Man kennt unsere Stiftung, also war klar, wer hier einziehen würde. Und dann haben wir ja gestern das Kennenlernfest mit den Nachbarn gefeiert.« Sie zögerte kurz. »Zugegeben, nicht alle Nachbarn sind gekommen.«

      Annika Brühl nickte nur, schickte Stahnke jedoch einen vielsagenden Blick. Ging sie davon aus, dass einige der Nachbarn nicht einverstanden mit dem geplanten Zuzug waren und dafür gesorgt hatten, dass Frau Röbens Stiftung sie kennenlernte? Natürlich im übertragenen Sinn? Nun, dachte der Hauptkommissar, Tätervermutungen durfte man anstellen. Solange man trotzdem in alle Richtungen ermittelte.

      Eine weitere Kollegin von der Spurensicherung trat hinzu, ebenfalls in einen weißen Overall gehüllt, und blickte von Stahnke zu Annika Brühl und zurück, offenbar unsicher, an wen sie ihre Frage loswerden konnte. Stahnke half ihr mit einem leichten Neigen des Kopfes. »Ich bin aus einem ganz anderen Grund hier«, sagte er und wandte sich ganz Christel Röben zu: »Ich müsste wegen gestern Abend mit Ihnen sprechen.«

      Die beiden gingen ein paar Schritte zur Seite. »Ich nehme an, damit meinen Sie nicht schon wieder unser Grillfest und den angeblich leichtfertigen Umgang mit glühender Holzkohle«, sagte sie. »Ich war heute früh bereits online und weiß von Carsten Fecht, falls Sie das meinen.«

      Stahnke nickte. Natürlich, heute war Feiertag, es gab keine Tageszeitung; da holte sich jeder seine aktuellen Informationen auf anderen Kanälen. Daran konnte man sich gewöhnen. Hatten Zeitungen unter diesen Umständen überhaupt noch eine Zukunft? Klar, auch sie bedienten die neuen Infokanäle – allerdings gegen Geld. Andere taten das kostenlos.

      »Wir ermitteln in alle Richtungen«, erklärte er.

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