Hetzwerk. Peter Gerdes

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Hetzwerk - Peter Gerdes страница 8

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Hetzwerk - Peter Gerdes

Скачать книгу

wirkenden Gestalten, die an ihre Arbeitsplätze eilten. So hatten sie das Polizeibüro An der Kaapdüne nach wenigen Minuten erreicht. Es lag unterhalb des Wasserturms und nahe der Inselbuchhandlung, wo bereits reger Betrieb herrschte. Auch Badegäste hungerten nach Informationen, in diesem Fall auf Papier.

      Lüppo Buss setzte sich hinter seinen Schreibtisch mit der auf Hochglanz polierten Platte und wies Friedo Adams den Besucherstuhl zu. Beide beugten sich vor und legten ihre Unterarme sorgfältig auf den Tisch. »Friedo«, sagte der Inselpolizist, »ich brauche es genauer. Weil, du brauchst auch etwas. Nämlich ein Alibi für die Tatzeit. Und das sehe ich noch nicht.«

      Adams wurde bleich, extrem bleich sogar. Die Augen drohten ihm aus dem Kopf zu quellen. »Was heißt das denn?«, hauchte er. »Wieso brauche ich …« Er brach die überflüssige Frage ab.

      »Wir wissen doch alle, was du manchmal so treibst.« Wenn er wollte, beherrschte der Inselpolizist auch den Tonfall eines Therapeuten. »Und was du so redest. Am deutschen Wesen soll die Welt genesen. Ein Volk, ein Reich, eine neue Runde. Heil dir im Siegerkranz, nimm, was du kriegen kannst. Und bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit Sieg Heil! Bisschen merkwürdig für einen Sozialdemokraten, oder?«

      »Aber hör mal, Lüppo, das ist doch alles bloß Spaß!« Adams gab sich empört, aber seine Stimme zitterte. »Das hat doch nichts zu bedeuten! Ist doch nur, weil … so reden doch viele!«

      »Komisch. Die Leute, die ich kenne, reden nicht so.« Lüppo Buss verschränkte seine Arme vor der Brust. Er fand das nicht spaßig. »Ob das vielleicht eher an dir liegt? Ob du wohl solche Typen anziehst durch die Art, wie du dich gibst? Schon mal darüber nachgedacht?«

      »Was soll ich denn machen? Das sind die Leute, von denen ich gewählt werden will!«, rief Friedo Adams aus. »Die sind uns doch scharenweise weggelaufen in den letzten Jahren. Jetzt müssen wir sie zurückholen. Und dazu muss man eben dahin gehen, wo es wehtut!«

      Der Inselpolizist wusste sich zu beherrschen. »Reden wir mal nicht davon, was ich darüber denke«, sagte er. »Reden wir davon, wie deine Parteigenossen außerhalb von Langeoog und Wittmund darauf reagieren würden, wenn die das alles wüssten. Wenn jemand das veröffentlichen würde, mit Zitaten und vielleicht sogar mit Bildern. Was wäre dann?«

      Schweißperlen erschienen auf Friedo Adams’ bleicher Stirn. »Was dann wäre?«, flüsterte er. »Gar nichts mehr. Das darf auf keinen Fall passieren. Nie und nimmer.«

      Lüppo Buss entriegelte seine Arme und beugte sich wieder vor. »So ist das, Friedo«, sagte er. »Jetzt denk mal daran, dass du außerdem noch Mitglied im Langeooger Schießverein bist. Zweimal Vizemeister Kleinkaliber lang. Also brauchst du ein Alibi. Dringend. Von jemandem, der bezeugen kann, wann du wo warst. Und wir wissen beide, wen ich meine.«

      Adams schlug die Augen nieder. »Du weißt?«

      »Na klar weiß ich«, sagte der Inselpolizist. »So gut wie jeder hier auf Langeoog weiß das. Bis auf deine Frau.«

      »Oh Gott, wenn sie das erfährt.« Friedo Adams, ein Kerl wie ein Baum, hockte auf seinem Stuhl wie ein Häufchen Elend. »Nie darf sie das erfahren! Lüppo, da musst du für sorgen! Denk mal an unsere Kinder. Was das für die bedeuten würde, wenn meine Frau mich verlässt. Kannst du das verantworten?«

      »Was? Ob ich das verantworten kann?« Lüppo Buss platzte der Kragen. »Ob ich es verantworten kann, dass du deinen Schwanz nicht in der Hose lassen kannst? Sag mal, hast du völlig den Verstand verloren? Und so was will Politik machen! So einer will anderen Leuten sagen …«

      Der Inselpolizist unterbrach sich, denn Friedo Adams glotzte ihn nur an, ebenso erschrocken wie verständnislos. Da war jedes weitere Wort verschwendet.

      »Also, wir behandeln das vertraulich«, sagte er stattdessen. »Warst du nun gestern Abend bei deiner Freundin, ja oder nein?«

      »Ja«, sagte Friedo Adams heiser.

      »Gibst du mir ihre Telefonnummer, damit ich direkt fragen kann?«

      Adams nickte und zückte sein Handy. »Ich schick’ sie dir«, murmelte er.

      »Dann kannst du jetzt gehen«, knurrte der Inselpolizist. Aber als Adams schon aufgestanden war und die Hand an der Türklinke hatte, rief er ihn noch einmal zurück. »Du hältst dich zu meiner Verfügung, verstanden?«, sagte er mit viel Eisen in der Stimme.

      Als die Tür hinter Friedo Adams zugefallen war, lehnte Lüppo Buss sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte zufrieden die Hände hinter seinem Kopf. Das hatte er schon immer einmal sagen wollen.

      4.

      »Und jetzt machen Sie Ihre eigene Partei auf?«, fragte Stahnke und versuchte, nicht allzu ungläubig zu klingen. »Einfach so? Nur weil Carsten Fecht Sie beleidigt hat?«

      Jelto Harms lächelte mild. »Keineswegs einfach so«, korrigierte er den Hauptkommissar sanft. »Da kam schon eine Menge zusammen, ehe ich so weit war. Immerhin bin ich überzeugter Sozialdemokrat, da fiel es mir schon mal nicht leicht, aus der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands auszutreten. Geschweige denn eine neue Partei zu gründen! Es war ja nicht dieser Fecht alleine, der mich letztlich aus der SPD getrieben hat, das war ein regelrechtes Netzwerk! Es war auch nicht nur ein einzelner Vorfall, das erstreckte sich über Jahre. Und es waren mehr als nur Beleidigungen. Fecht und seine Corona haben mich massiv verleumdet! Das ging schon an die Substanz. Und letztlich auch an meine Existenz.«

      Grundschulrektor Harms hatte Stahnke in sein Büro in der Schule gebeten, als der ihn früh morgens zu Hause angerufen hatte: »Ich bin schon auf dem Sprung, muss noch aufarbeiten, das geht am besten an Feiertagen.« Das altehrwürdige, menschenleere Schulgebäude roch penetrant nach Bohnerwachs, draußen auf den Fluren war es betäubend still. Stahnke saß aufrecht auf seinem altersschwachen Stuhl, eingezwängt zwischen Armlehnen, die für einen so massiven Körper wie den seinen nicht gedacht waren, und fühlte sich unbehaglich. Weder war er so ausgesucht elegant gekleidet wie der Mann auf der anderen Seite des Schreibtisches noch so sorgfältig rasiert. Gewöhnlich drückte er sich auch nicht so kultiviert aus. Und dass er ähnlich verständnisvoll sein könnte, hatte ihm auch noch niemand unterstellt. Harms, zehn Zentimeter kleiner als er und bestimmt 30 Kilo leichter, beschämte ihn allein durch das Vorbild, das er abgab. War es das, was ein Pädagoge tun sollte? Oder empfanden Kinder das weniger einschüchternd als ein desillusionierter Staatsdiener jenseits der Lebensmitte?

      »Sie hören doch noch gut, oder?«, kommentierte Jelto Harms Stahnkes ausbleibende Erwiderung. »Wir Pädagogen haben ja vielfach Probleme mit dem Gehör. Hat sich was mit Kinderlärm ist Zukunftsmusik! Von zu viel Musik kann man auch taub werden, nicht wahr?«

      Der Hauptkommissar rieb sich die Ohren. »Danke der Nachfrage. Diese Unterstellungen, die Sie ansprachen – da handelte es sich um …«

      »Pädophilie«, ergänzte Harms lächelnd. »Indirekt verbunden mit dem Vorwurf des Missbrauchs. Sie wissen ja, Pädophilie an sich ist nicht justiziabel. Niemand kann schließlich etwas für seine sexuellen Präferenzen, nicht wahr? Erst wenn der Pädophile seinem Drang nachgibt, macht er sich strafbar. Aber diese Differenzierung findet in der öffentlichen Diskussion leider kaum statt.«

      In der Tat, dachte Stahnke. Pädophiler gleich Kinderschänder, das galt als gesicherte Wahrheit. Dass es viele pädophile Menschen gab, die ihrer Neigung widerstanden, die jede Versuchung mieden und ihr ganzes Leben auf Verzicht ausrichteten, wurde ignoriert. Womöglich hätte man denen sonst noch Anerkennung zollen müssen!

      »Nur zur Klarstellung.«

Скачать книгу