Hetzwerk. Peter Gerdes

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Hetzwerk - Peter Gerdes

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nicht, wenn ihr Alibi bestätigt wird«, erwiderte Stahnke. »Aber wie darf ich denn Ihre Bemerkung verstehen?«

      Annika Brühl lachte wieder. »So steif, Herr Kollege! In unserem Fachkommissariat in Wiesbaden haben wir uns alle geduzt. Ich bin zwar vermutlich die Jüngere von uns beiden, aber – wie sieht’s aus? Ich bin die Annika.« Sie streckte die Hand aus.

      Stahnke griff zu, war von der Festigkeit ihres Händedrucks angenehm überrascht. »Na klar, einverstanden. Ich bin, äh – einfach Stahnke. Stahnke reicht.«

      Zwei blitzende dunkelbraune Augen, ein breites Grinsen. »Hätte ja klappen können!«, rief Annika Brühl fröhlich. »Hab schon gehört, dass du aus deinem Vornamen ein Haupt- und Staatsgeheimnis machst. Runde eins geht an dich, aber warte nur, den krieg ich noch raus!«

      Jetzt erst ließ sie seine Hand los. Verblüfft starrte Stahnke auf seine Finger, als müsste er sie auf Vollzähligkeit überprüfen.

      »Zu deiner Frage«, fuhr Annika Brühl fort: »Frau Röben hat einen Ruf in Aurich. Es heißt, sie sei vom Stamme Nimm. Achtet immer darauf, dass sie auch ihr Recht bekommt – und nach Möglichkeit etwas mehr. Ihr Auto hast du ja gesehen, ihr Haus ist eher eine Villa, und Mitglied im Golfklub Wiesmoor ist sie auch. Ihr Vater hatte in Leer bei der Müllabfuhr gearbeitet. Ist schon lange verstorben, und sie redet auch nie über ihn. Vielleicht weiß gerade deswegen jeder Bescheid.«

      »Sozialneid? Oder liegt irgendetwas Handfestes gegen die Dame vor?«

      Annika Brühl schüttelte den Kopf. »Nichts. Die Leute reden eben, das ist in Ostfriesland auch nicht anders als in Hessen.«

      Stahnkes Smartphone meldete sich. Ekincis Nummer. »Was gibt es?«, fragte der Hauptkommissar.

      Sein junger Kollege atmete schwer. »In Leer ist gerade eine Bombe hochgegangen«, sagte er.

      »Ach ja, etwas so Brisantes? Was denn genau? Hat es etwas mit unserem Fall zu tun?«, fragte Stahnke.

      »Ich wiederhole«, keuchte Ekinci, »hier ist eine Bombe hochgegangen! Keine metaphorische Bombe. Eine echte! Es hat eine Explosion gegeben!« Er nannte eine Adresse, dann beendete er das Gespräch. Stahnke stand mit offenem Mund da; wieder starrte er auf die Finger seiner Hand. Und das Mobiltelefon darin.

      »Irgendwas los in Leer?«, fragte seine Kollegin.

      »Allerdings«, murmelte Stahnke. »Mehr, als man denkt.«

      8.

      Déjà-vu, dachte Stahnke, als er vor dem Gewerkschaftsbüro in der Leeraner Jahnstraße stand. Absperrung, zweierlei Uniformen, Gaffergrüppchen. Eine zersplitterte Scheibe im Erdgeschoss, ein angekohlter Fensterrahmen, die Hauswand verrußt. Andere Stadt, andere Art Haus, trotzdem ähnliches Bild.

      »Brandstiftung?«, fragte er, sobald er Nidal Ekinci erblickte.

      Der junge Oberkommissar nickte. »Eindeutig. Scheibe eingeschmissen, Molli reingeworfen, abgehauen. Am helllichten Tag! Tatzeugen Fehlanzeige, jedenfalls bis jetzt.«

      Stahnke schaute nach beiden Seiten die Jahnstraße hinunter. Dies war die Zufahrt zum Parkhaus nahe der Fußgängerzone; die Geschäfte hatten heute zu, also war nicht viel los. Das Gebäude gegenüber beherbergte die Neuapostolische Kirche, rechts stand ein Haus leer, dahinter befand sich ein anonym und unbelebt wirkender Neubau. Auf der anderen Seite überwiegend Büros. Ja, dachte er, das mochte angehen, dass hier keiner etwas mitbekommen hatte, weil einfach keiner da gewesen war. Jedenfalls nicht auf der Straße. Die Gewerkschafter waren auch alle ausgeflogen gewesen, zur Maikundgebung in Emden.

      Einige von ihnen waren inzwischen zurück, darunter der Vorsitzende, kurz vor Stahnke am Tatort eingetroffen. Er korrigierte den Hauptkommissar gleich bei der Anrede: »Erster Bevollmächtigter, bitte. Vorsitzenden haben wir keinen.«

      Stahnke ließ sich nicht irritieren. »Haben Sie einen Verdacht, irgendeine Tätervermutung?«, fragte er. »Gab es Ärger mit jemandem? Hat sich jemand beschwert oder gar gedroht?«

      »Wann beschwert sich mal keiner über uns? Und wann wird nicht gedroht?« Der Bevollmächtigte war ein kleiner, dünner Mann mit einem Gesicht voller Falten und einer riesigen Brille. Auf dem Namensschild, das an seiner schmalen Brust kaum Platz fand, stand sein Name: »Paul Hinderks«. Schwer vorstellbar, dass dieses Männchen früher einmal als Schweißer auf einer Werft gearbeitet haben soll, dachte Stahnke. Der Mann schien schon zwischen Aktendeckeln zur Welt gekommen zu sein, gezeugt von Stempel und Stempelkissen. Er tigerte in den Büroräumen seiner Gewerkschaft herum, soweit die Spurensicherer das zuließen, und versuchte, sich ein Bild des angerichteten Schadens zu machen. »Was das wieder kostet, allein die Entrauchung! Dazu die Fensterscheibe. Und neu streichen. Mann, Mann, Mann!«

      »Sind Sie nicht versichert?«, fragte der Hauptkommissar.

      Hinderks lachte höhnisch. »Haben Sie eine Ahnung von unserer Mitgliederentwicklung? Schlimmer als bei den Kirchen, sage ich Ihnen! Die Einnahmen aus den Beiträgen reichen hinten und vorne nicht, dabei sparen wir schon, wo wir können. Aber wenn neue Tarife verhandelt werden, dann kommen sie alle angedackelt und wollen, dass wir uns für sie reinknien! Unglaublich, die Zustände heutzutage. Keine Solidarität mehr, nichts.«

      Also kein Versicherungsschutz, schlussfolgerte Stahnke. »Mal etwas konkreter, bitte«, sagte er. »Wer hat sich beschwert, wer hat gedroht?«

      »Ach, der übliche Mist.« Hinderks nahm seine Brille kurz ab und wischte sich über die geröteten Augen. »Wir sind mal wieder an den Verträgen für die Externen dran, auf der Leiner-Werft. Sie wissen schon, die Leiharbeiter aus Rumänien und so, die für wenig Geld die Luxusdampfer zusammenschweißen und für viel Geld in irgendwelchen Kellern übernachten müssen. Ganz arme Schweine sind das! Aber die verderben nun mal die Preise für ihre fest angestellten deutschen Kollegen. Am Ende werden deren Löhne auch gedrückt, man weiß ja, wie das läuft. Aber die Sklavenhändler, also die Leiharbeitervermittler, setzen ihre Leute mächtig unter Druck. Uns ebenso! Und von der anderen Seite wirft uns die Werftleitung Knüppel zwischen die Beine. Die wollen, dass alles genauso bleibt, wie es ist, weil sie so die höchsten Profite machen können! Und die Ost-Arbeiter, diese armen Socken, die werden ebenfalls gegen uns aufgewiegelt. Wir würden nur dafür sorgen, dass sie am Ende abgeschoben werden, redet man ihnen ein. Und dass sie sich ja die Differenz, die an ihrem Lohn fehlt, beim Arbeitsamt holen können, als Aufstocker. Es ist zum Heulen! Und der Betriebsrat der Werft fällt uns auch noch in den Rücken, weil wir uns gefälligst nur um die fest angestellten deutschen Kollegen kümmern sollen. Wie kann man unter solchen Bedingungen etwas erreichen?«

      Der Bevollmächtigte ließ sich auf einen zerschlissenen Drehstuhl sinken; er wirkte erschöpft. Stahnke war beeindruckt von der Vehemenz, mit der der kleine Mann seine Rede vorgebracht hatte. Und gleichzeitig alarmiert. »Können Sie mir Namen nennen?«, fragte er.

      »Namen?« Jetzt klang Hinderks’ Lachen hysterisch. »Telefonbücher kann ich Ihnen geben! Das von Leer und das von Papenburg dazu! Dann können Sie sich raussuchen, wen Sie wollen. Die kommen alle infrage! Aber wenn die mich anrufen und am Telefon rumpöbeln, dann sind sie alle anonym, das können Sie mir glauben.«

      Einer der Spurensicherer schaute in den Raum. »Mit dem hinteren Büro sind wir auch durch, da können Sie jetzt wieder rein«, sagte er, an Hinderks gewandt. Und zu Stahnke: »Über die Spurenlage können wir noch nicht viel sagen, erst müssen wir die gesicherten Abdrücke mit denen aller Leute, die hier arbeiten, abgleichen. Fußspuren Fehlanzeige. Vielleicht war der Täter überhaupt nicht hier drin.«

      »Warum

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