Sophienlust Staffel 15 – Familienroman. Elisabeth Swoboda

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Sophienlust Staffel 15 – Familienroman - Elisabeth Swoboda Sophienlust Staffel

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Noch nie war jemand so gut zu mir, dachte er. Und nun rutschte ihm doch die Frage heraus, die ihn so brennend interessierte: »Warum …, warum tun Sie das alles für mich, Herr Fernau?«

      Daniel legte die Speisekarte, die er gerade in der Hand hielt, beiseite. »Weil ich möchte, dass du gut aussiehst, wenn du zu deiner Mutter kommst.«

      Jens begann zu zittern. Er setzte zum Sprechen an, brachte aber kein Wort hervor.

      »Entschuldige«, bat Daniel. »Ich hätte dir das nicht so plötzlich sagen dürfen. Aber du wusstest doch, dass Herr und Frau Nissen nicht deine richtigen Eltern sind? Das hast du jedenfalls vorgestern Abend zu mir gesagt.«

      »Ja, ja«, antwortete Jens schnell. »Aber ich habe nicht gedacht, dass ich meine richtigen Eltern jemals kennenlernen würde.«

      »Vorerst lernst du nur deine Mutter kennen.« Daniel wusste selbst nicht, warum er dem Jungen nicht sagte, dass er selbst der Vater war. Doch er wollte erst einmal Jens’ Vertrauen gewinnen.

      »Kennen Sie meine Mutti schon lange?«, fragte Jens scheu.

      Daniel nickte. »Sehr lange. Sie ist sehr krank und hat keinen sehnlicheren Wunsch, als dich kennenzulernen.«

      Jens erschrak. »Wird sie wieder gesund?«

      »Ich weiß es nicht«, log Daniel.

      »Warum durfte ich sie nicht schon früher kennenlernen?«, fragte Jens weiter. In seinem Kopf ging alles drunter und drüber. So viele Jahre hatte er sich gesehnt, seine Eltern kennenzulernen. Und zwar genau seit der Nacht, in der er ein Gespräch seiner Stiefeltern belauscht hatte. Damals war seine kleine Welt für ihn zusammengebrochen, obwohl er nie gut von den Nissens behandelt worden war. Aber er hatte geglaubt, wenigstens richtige Eltern zu haben, auch wenn sie arm waren. Und dann dieser Schock. Eine ganze Nacht lang hatte er geweint. Und vom nächsten Morgen an hatte er seine Stiefeltern gehasst. Dafür, dass sie seine Stiefeltern waren. Dafür, dass sie ihn immer schlugen. Und dafür, dass er immer zerlumpt und barfuß herumlaufen musste und von allen Kindern ausgelacht und gehänselt wurde.

      »Ich werde dir die Geschichte deiner Mutter erzählen«, versprach Daniel ihm. »Dann wirst du alles verstehen. Jetzt such dir erst einmal etwas zu essen aus.«

      Hilflos betrachtete Jens die umfangreiche Speisekarte.

      »Du kannst doch lesen, oder?«, fragte Daniel.

      »Schon, aber …«

      »Was aber?«

      »Ich weiß nicht, was das alles ist. Zu Hause gab es immer nur Eintopf, und sonntags Schweinebraten.«

      »Dann frag mich doch einfach«, riet Daniel ihm.

      »Kennen Sie das alles?« Grenzenlose Bewunderung lag in Jens’ Stimme. Da standen französische und englische Ausdrücke auf der Karte. Die hatte der alte Nissen nicht einmal aussprechen, geschweige denn verstehen können.

      »Ich bin ja auch ein bisschen älter als du«, sagte Daniel lächelnd.

      Da Daniel gerade so guter Laune war, hätte Jens ihn gern gefragt, in welchem Verhältnis er zu seiner Mutter stand. Doch er traute sich nicht. Deshalb sagte er nur, dass er gern Schweinswürstel essen würde.

      »Schweinswürstel?«, fragte Daniel. »Warum bestellst du dir nicht etwas Richtiges? Einen Schweinebraten oder ein Steak?«

      »Ich habe noch nie ein Steak gegessen«, gestand Jens leise.

      »Dann wird es Zeit, dass du es kennenlernst.« Er bestellte für Jens ein Steak und für sich einen Schweinebraten. Dann erzählte er Jens Anjutas Geschichte. Er ließ kaum etwas aus – außer der Tatsache, dass er selbst Jens’ Vater war.

      »Dann sind diese Leute in Hamburg wohl meine Großeltern?«, fragte Jens scheu.

      »Das sind sie. Aber ich glaube nicht, dass du sie jemals kennenlernen wirst.«

      »Das will ich auch gar nicht«, sagte Jens, »wenn sie so gemein zu meiner Mutti waren.«

      Das Wort Mutti kam ihm schon ganz selbstverständlich über die Lippen.

      Sie unterbrachen ihr Gespräch, als der Ober mit dem Essen kam. Jens’ Augen wurden groß und rund. Sogar Pommes frites lagen auf seinem Teller. Die aß er für sein Leben gern, hatte sie aber nie bekommen, nur ein einziges Mal probiert.

      Jens aß mit großem Appetit. Es machte Daniel Freude, ihm dabei zuzusehen. Jens war ein hübscher Junge. Besonders in den neuen Sachen. Man konnte direkt stolz auf ihn sein.

      »Jetzt müssen wir aber losfahren«, sagte Daniel nach dem Essen. »Sonst erreichen wir Davos heute nicht mehr.«

      Die Fahrt nach Davos war für Jens ein großartiges Erlebnis. Das begann schon mit dem schönen großen Wagen, in dem er fahren durfte. Und was er alles sah! Er war ja bisher noch nie aus Deutschland herausgekommen. Schon Österreich begeisterte ihn. Und dann erst die Schweiz. Seine Wangen glühten, und seine Augen leuchteten.

      Daniel selbst stellte ebenfalls fest, dass ihm eine Autofahrt noch nie soviel Spaß bereitet hatte. Er kannte die Namen aller Berge, die sie sahen, und machte Jens auf besonders schöne oder alte Bauten aufmerksam. Er erwähnte auch wichtige Begebenheiten aus der Geschichte der Schweiz.

      Sie erreichten Davos am späten Nachmittag. Hier wurde Jens vor Staunen ganz still. Aber als Daniels Wagen vor dem Sanatorium hielt, überfiel den Jungen ängstliche Nervosität. »Ist sie darin?«

      »Ja.« Daniel stieg aus.

      »Weiß sie, dass wir kommen?«

      »Ich habe sie angerufen«, sagte Daniel. »Aber ich habe ihr nicht gesagt, dass ich dich mitbringe. Das soll eine Überraschung sein.«

      »Ich habe Angst«, erklärte Jens unvermittelt, als sie vor dem großen Portal standen. Hilfe suchend griff er nach Daniels Hand.

      Der hielt sie fest und trat mit dem Jungen ein. Er sagte der Schwester am Empfang, wen er besuchen wolle. »Vielen Dank, Schwester. Wir brauchen keinen, der uns hinaufbegleitet. Wir kennen den Weg.«

      Sie fuhren mit dem Lift nach oben und gingen einen langen Korridor entlang. Vor Anjutas Zimmertür blieb Daniel stehen.

      »Bitte, bleib eine Minute hier draußen stehen«, bat er Jens. »Ich möchte sie zuerst vorbereiten. Dann hole ich dich herein. Es dauert nicht lange.«

      Jens nickte und stellte sich neben die Tür.

      Daniel klopfte an und trat ein.

      »Daniel!« Anjuta streckte ihm beide Arme entgegen. »Ich freue mich so über deinen Besuch.«

      »Du wirst dich noch mehr freuen, wenn du hörst, wen ich mitgebracht habe.«

      Anjuta schaute zu ihm auf. »Mitgebracht? Daniel, du hast doch nicht etwa …, aber nein …«

      »Aber ja, Anjuta. Ich habe ihn gefunden. Unseren Sohn«, fügte er leise hinzu und ging zur Tür.

      Anjuta griff sich ans Herz.

      Im nächsten Moment stand Jens im Zimmer.

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