Sternschnuppen. Gudmund Vindland

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Sternschnuppen - Gudmund Vindland

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ließ mich ausnahmsweise bis zum äußersten provozieren, ehe ich explodierte.

      »Ja, hört, Leute, hört! Hier steht ein Dussel, der so paranoid ist, daß er findet, wir hätten ein unmoralisches Fernsehzimmer und zu schöne Möbel. Und mich hält er für einen CIA-Agenten, weil ich anderer Meinung bin als er und weil mein Vater Eisenarbeiter ist. Wo wollt ihr den denn nach der Revolution einsetzen, zum Teufel? Bei der Gedankenpolizei?«

      Das letzte hätte ich mir wohl verkneifen sollen – um meinetwillen. Das gefiel nämlich niemandem. Große Unruhe erhob sich unter dem Himmel, bis Inga sich zu mir durchkämpfte und die Unruhe noch vergrößerte.

      »Was soll denn das bloß, Yngve? Du brauchst doch nicht so böse zu werden, weißt du ...«

      »Geh doch mit diesem kurzsichtigen Frosch ins Arbeitszimmer und zeig ihm, daß Petrus und Maria im Telefonbuch stehen und in Lambertseter wohnen. Und dann kannst du ja bezeugen, daß sie wirklich hier zu Besuch gewesen sind, nicht Kronprinz und Kronprinzessin, die sich verkleidet hatten und Volk spielten.«

      »Jetzt reg dich ab! Du auch, Roy. Kommt beide her, dann setzen wir uns zusammen und lösen diesen Widerspruch unter Genossen.«

      Roy Adams sah sie verächtlich an und verkündete:

      »Glaub ja nich, ich würd auch nur einen Fuß in diesen Puff setzen!«

      Nun endlich erlebten meine inneren Spannungen eine willkommene Auslösung in Form eines schallenden Lachens, das die arme Inga nur noch verwirrter machte.

      »Was ist denn bloß los mit euch? Ich versuche doch nur, euch zu helfen ... aber dann schlagt euch eben die Zähne ein! Macht schon! Ich werd euch nicht daran hindern, verdammt noch mal!« brüllte Inga Lunde, ehe sie rasch in ihre perfekte Wirtin-Rolle zurückfand und weiter in der Gesellschaft zirkulierte. Genosse Roy imitierte einen Polizeihundblick und versuchte, unmerklich zu schlucken, ehe er leise, aber durchdringend sagte:

      »Diesmal hastes geschafft, aber fühl dich bloß nich zu sicher, du. Von jetzt an werden wir dich im Auge behalten ...«

      Ja, das sagte er tatsächlich, ehe er zwischen den anderen verschwand. Ich zuckte die Schultern und ließ ihn gehen, um mir weitere Idiotien zu ersparen, aber seine Worte hatten bei mir eine Langzeitwirkung, mit der nicht zu spaßen war. Er hatte jedenfalls genug Spürsinn, um mich an meinem schwächsten Punkt zu treffen.

      Ich brachte die Sache bei der nächsten Hausversammlung zur Sprache und erklärte, was passiert war und was der Typ gesagt hatte. Kyrre schüttelte den Kopf und versicherte, daß Genosse Roy übernervös war und in jeder Ecke einen Spitzel sah. Er würde ihm auf die Finger hauen. Auf meine direkte Frage, ob die Partei wirklich andere überwachte, antwortete Kyrre wortwörtlich: »Du glaubst wohl nicht, ich wäre blöd genug, um mit einem Provokateur zusammenzuwohnen?«

      Ja, das sagte Kyrre Eliassen, ehe er zum nächsten Punkt auf der Tagesordnung überging. Ich saß da mit meinen unbestätigten Meldungen, die ich wie folgt deutete: Kyrre weiß, daß ich kein Provokateur bin, und deshalb wird er dafür sorgen, daß weder Zeit noch Kräfte vergeudet werden, um das zu beweisen. Und danach beschloß ich, mich sicher zu fühlen, und das gelang mir auch ganz gut – aber nicht vollständig. Orwells Gedankenpolizei zeigte sich immer wieder und überall, vor allem in kleinen alltäglichen Situationen, die ich unter anderen Umständen für einen witzigen Zufall gehalten hätte. Wenn ich zum Beispiel zweimal hintereinander dasselbe Gesicht auf der Straße sah. Oder einen Mann mit einer Zeitung in einem parkenden Auto, der mir bekannt vorkam. Oder wenn es besonders laut im Telefon klickte. Oder wenn zwei Männer in einem Motorboot draußen in der Bucht herumdümpelten und das Haus mit dem Fernglas betrachteten. Wurde man dann überwacht oder nicht? Und wenn ja, von wem?

      Und so schaffte es der paranoide Genosse Adams, mir lange und spürbar das Leben zu vergällen. Er streute ganz bewußt Zweifel und Argwohn aus, die leicht Wurzeln schlagen und zu giftigem Verfolgungswahn erblühen konnten. Aber nicht bei mir. Gott sei Dank. Nie mehr! Ich hatte soviel darüber gelernt, wie Menschen sich in solchen geistigen Irrwegen verlaufen können, daß ich den verlockenden Fallen ausweichen konnte. Und obwohl ich Kraft und Aufmerksamkeit aufbringen mußte, um nicht wieder wahnsinnig zu werden, konnte ich doch damit leben – wie mit allem anderen. Also konnte der gedankenpolitische Roy Adams keine bleibenden Schäden anrichten. Bei mir, wohlgemerkt.

      Ansonsten wurde mir, soviel ich weiß, noch zweimal in meinem Leben die Ehre zuteil, mich im Brennpunkt seines intensiven Interesses zu befinden. Im folgenden Jahr trotzte ich abermals allem, was Phobie und Noia hieß, nahm höchstpersönlich an der Maidemo in Oslo teil und zeigte mich stolz und Glad to be Gay. Und unter den Zuschauern – wo sonst? – entdeckte ich plötzlich einen bebrillten Adamsapfel mit forschender Miene, die sich zu hochmütigem Grinsen verzog, als er mich erkannte. Er war wohl doch nicht so kurzsichtig, wie mir nun aufging, während das, was er gerade begriffen hatte, wie Gorgonzola aus seiner ganzen Gestalt dampfte: »Ach, schwul bist du! Ja, hab ich’s mir nich’ gedacht!«

      Zum letzten Mal sah ich ihn mehrere Jahre später ausgerechnet im Café Engebret. Damals zählte es zu Oslos besten Fischrestaurants, und ich hatte drei Schwule aus den USA mitgeschleift, um sie eine bessere norwegische Kabeljaumahlzeit mit viel französischem Rotwein genießen zu lehren. Wir wurden zu einem Fenstertisch geführt, und ich hatte noch nicht einmal den Aperitif bestellt, als ich den Gorgonzoladuft der Gedankenpolizei bemerkte. Am anderen Ende des Lokals hüpfte der Adamsapfel wie ein Yo-Yo auf und ab, während er klebrige Sprechblasen mit folgendem Klartext aussandte: »Aha! Du bist so dekadent, daß du hier verkehrst! Und was sind das für Agenten, diese aufgetakelten Schwulen, die mit dem Geld um sich schmeißen?«

      Als der Kellner uns einen Dry Martini brachte, prostete ich ihm mit einem förmlichen kleinen Nicken zu, und dann konnte ich ihn zum Vorteil des Kabeljaus vergessen – der trotz allem ein viel angenehmerer Fisch war.

      Hier und jetzt befinde ich mich in der hervorragenden Lage, hinterher klüger zu sein, und deshalb möchte ich gern eine letzte Runde für Genossen Adams schmeißen. Es stellte sich nämlich heraus, daß er allen Grund hatte, sich verfolgt zu fühlen, der Arme. Inzwischen ist gründlich belegt worden, daß Sicherheits- und Überwachungspolizei in den siebziger Jahren ganz schön viel Dreck am Stecken hatten, was abgehörte Telefone und allgemeine Registrierungen von Linksradikalen im Königreich Chlorwegen betrifft. Inzwischen haben sie ja exotischere Jagdgründe aufgetan. Jetzt sind es Phänomene wie dunkle Hautfarbe und grüne Haare – und alles andere, was auf rechte Politiker und ihre weißen Kaninchen anstößig wirkt –, die ausübende Macht und erzieherische Tätigkeit der Bullerei anregen. Aber die Sicherheitspolizei hat die politischen Archive, die sie damals so emsig angelegt hat, sicher nicht zerstört. Sicher haben sie immer noch ein liebevolles und vielleicht ein wenig nostalgisches Auge auf uns. Und wer und wieviele im großen Erinnerungsbuch einen Ehrenplatz einnehmen – ja, das weiß wohl nicht einmal der König.

      Die AKP wußte sicher schon zu Anfang der siebziger Jahre viel mehr als Seine Majestät und gab sich alle Mühe, immer ein oder zwei Schritte vor ihren Überwachern zu liegen. Sie beschäftigten sich fast manisch mit der sogenannten Sicherheitsfrage, und natürlich waren alle Kader auf der Hut vor Spionen und Provokateuren, von denen es sicher eine Menge gab. Und wenn man irgendwelche Zweifel hatte, weil man irgendwas nicht sicher wußte, dann gab es genug phantasievolle Vorstellungen, die Roy Adams and His Apple Bugs schluckten und schluckten und schluckten, ehe sie sie wie eine Viruspest weiterverbreiteten.

      Der Sauberkeitsgrad in der ML-Bewegung war deshalb ganz schön hoch, und mitten in dieser trügerischen Wirklichkeit war Genosse Adams mit seinem angeborenen Argwohn gelandet. Im Grunde waren Roy Adams und seine Gesinnungsgenossen sehr zu bedauern, denn die ganze Welt muß ja von seinem kurzsichtigen Standpunkt aus in jeder Einzelheit äußerst bedrohlich ausgesehen haben. Viele konnten den Druck, den der Machtapparat auf die ML-Bewegung

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