Zersplittert. Teri Terry

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Zersplittert - Teri Terry страница 3

Zersplittert - Teri Terry Dystopie-Trilogie

Скачать книгу

balle ich die Fäuste. Ich hatte ihn vor mir, klar und deutlich – und dann? Nichts.

      Nico kennt die Antwort. Aber soll ich ihn fragen? Eines weiß ich nämlich sicher: Er ist gefährlich. Wenn ich nur an seinen Namen denke, verkrampft sich mein Magen vor Angst und vor Sehnsucht. Ich möchte um jeden Preis bei ihm sein, koste es, was es wolle.

      Er wird mich überall finden.

      Es klopft an der Tür. »Kyla, bist du wach? Du kommst noch zu spät zur Schule.«

      »Ihr Wagen, die Damen«, sagt Jazz und verbeugt sich. Er stemmt einen Fuß gegen das Auto, um die Tür aufzureißen. Ich klettere auf den Rücksitz, Amy steigt vorn ein. Und obwohl es sich wie ein Ritual anfühlt, das sich jeden Morgen wiederholt, ist es mir fremd. Eine Monotonie, die mir zu schaffen macht.

      Unterwegs schaue ich aus dem Fenster, Bauernhöfe und Stoppelfelder ziehen an uns vorüber. Kühe und Schafe stieren friedlich kauend vor sich hin. Wie unterscheiden wir uns eigentlich von ihnen? Auch wir werden wie eine Viehherde jeden Morgen zur Schule gekarrt und bewegen uns auf vorgeschriebenen Bahnen, ohne je das Warum zu hinterfragen.

      »Kyla? Erde an Kyla.«

      Amy hat sich in ihrem Sitz herumgedreht.

      »Sorry. Hast du was gesagt?«

      »Ich hab gefragt, ob es dir was ausmacht, wenn ich nach der Schule arbeiten gehe? Vier Tage die Woche, von Montag bis Donnerstag. Mum ist sich nicht sicher, ob es gut ist, wenn du so viel allein bist. Sie wollte noch mit dir darüber reden.«

      »Kein Problem, wirklich. Es macht mir nichts aus. Wann fängst du an?«

      »Morgen«, sagt sie mit schuldbewusstem Blick.

      »Du hast doch ohnehin schon zugesagt, oder?«, frage ich.

      »Erwischt!«, meint Jazz. »Aber was ist mit mir? Wann hast du überhaupt Zeit für mich?« Die restliche Fahrt über tun sie so, als würden sie sich deshalb streiten.

      Der Vormittag rauscht einfach so an mir vorbei. Ich scanne meinen Schülerausweis vor jeder Stunde ein und tue im Unterricht so, als würde ich zuhören. Versuche auszusehen, als wäre ich aufmerksam und lernwillig, damit niemand Grund hat, mich genauer ins Visier zu nehmen. Nach der Stunde scanne ich meine Karte dann wieder. Ich esse allein, und wie üblich werde ich von den anderen Schülern ignoriert, die sich von den Slatern fernhalten. Ben mochten die meisten, aber ich bin nicht besonders beliebt. Vor allem jetzt nicht mehr, seit er verschwunden ist.

      Ben, wo bist du? Sein Lächeln, das warme, sichere Gefühl seiner Hand in meiner, das Leuchten in seinen Augen – die Erinnerung schmerzt, als würde mir jemand ein Messer in den Bauch rammen. Der Schmerz ist so real, dass ich die Arme um mich schlingen muss, um nicht laut loszuschreien.

      Insgeheim weiß ich aber, dass ich das nicht mehr viel länger aushalte. Gefühle lassen sich nicht für immer verschließen.

      Aber nicht hier. Nicht jetzt.

      Dann ist es endlich Zeit für den Biounterricht. Mein Unbehagen wächst auf dem Weg zum Labor. Was, wenn ich durchgedreht bin und er gar nicht Nico ist? Gibt es ihn überhaupt?

      Was, wenn er es ist? Was dann?

      Ich lese meine Karte an der Tür ein, gehe nach hinten und setze mich, bevor ich es wage aufzublicken. Vielleicht hätten mir die Beine versagt, wenn ich ihn, der mir ständig im Kopf herumspukt, nun in natura vor mir sehe.

      Und da ist er: Mr Hatten, unser Biolehrer. Ich starre ihn an, aber das ist nichts Außergewöhnliches, denn das tun alle Mädchen. Er ist nicht nur zu jung und zu gut aussehend für einen Lehrer. Er hat etwas Besonderes an sich. Und das hängt nicht nur mit den schönen Augen, dem welligen, blond gesträhnten Haar, das für einen Lehrer ziemlich lang ist, oder seiner großen, durchtrainierten Gestalt zusammen. Es liegt vielmehr an seinem Auftreten: ruhig, aber immer alarmbereit wie ein Gepard, der auf den Sprung wartet. Alles an ihm verströmt Gefahr.

      Nico. Es ist Nico, keine Frage, kein Zweifel. Seine unvergesslich hellblauen Augen mit den dunklen Rändern schweifen durch den Raum. Unsere Blicke begegnen sich. Wir sehen uns an und seine Augen bekommen einen warmen Ausdruck. Wir erkennen uns wieder, und es ist fast wie ein körperlicher Schock, der alles real macht. Als er den Blick schließlich löst, fühlt es sich an, als würde er mich aus einer Umarmung entlassen.

      Das bilde ich mir nicht ein. Genau in diesem Moment steht er, Nico, auf der anderen Seite des Raums. Bislang habe ich es nur geahnt, doch jetzt, mit meinem neu erwachten Bewusstsein, bin ich mir hundertprozentig sicher.

      Dann fällt mir ein, dass ihn zwar die anderen Schülerinnen anstarren, ich das aber normalerweise nicht tue. Zumindest nicht so auffällig.

      Also versuche ich, es während des Unterrichts nicht zu tun, aber vergeblich. Seine Augen suchen immer wieder meine. Lese ich darin Neugierde, Fragen? Amüsiertes Interesse?

      Vorsicht. Er darf nicht wissen, dass sich etwas verändert hat, ehe ich nicht herausgefunden habe, wer er ist und was er will. Ich zwinge mich, auf das Heft und den Stift vor mir zu schauen, der über die Seite fliegt und wie zufällig blaue Wirbel und halb fertige Skizzen hinterlässt, wo eigentlich Notizen stehen sollten. Als würde meine Hand ein Eigenleben führen.

      Der Stift, die Hand – die linke Hand. Ohne nachzudenken, halte ich ihn in der linken Hand.

      Aber ich bin Rechtshänderin. Oder?

      Ich muss Rechtshänderin sein!

      Mir stockt der Atem und ich bekomme Angst. Ich zittere.

      Alles um mich herum wird schwarz.

      Sie streckt die Hand aus. Die rechte Hand. Tränen laufen ihr übers Gesicht. »Bitte hilf mir …«

      Sie ist so jung, noch ein Kind. Ein solch bettelnder, flehentlicher Ausdruck liegt in ihren Augen, dass ich alles tun würde, um ihr zu helfen, aber ich erreiche sie einfach nicht. Je näher ich komme und umso mehr ich versuche, nach ihrer Hand zu fassen, desto weiter ist sie von dort entfernt, wo sie zu sein scheint. Durch irgendeinen optischen Trick rutscht sie mehr und mehr nach rechts. Und immer ist sie ein Stück zu weit weg, um nach ihr greifen zu können.

      »Bitte hilf mir …«

      »Gib mir deine andere Hand!«, sage ich, doch sie schüttelt den Kopf und reißt die Augen weit auf. Aber ich wiederhole die Bitte, bis sie schließlich die linke Hand hebt, die bislang neben ihrem Körper lag, sodass ich sie nicht sehen konnte.

      Die Finger sind gekrümmt und blutig. Gebrochen. Eine plötzliche Erinnerung schießt mir durch den Kopf – ein Ziegel. Finger, die von einem Ziegel zertrümmert werden. Ich keuche auf.

      So verletzt, wie sie ist, kann ich ihre Hand nicht anfassen.

      Ihre Hände sinken nach unten. Sie schüttelt den Kopf und ihr Körper verblasst. Sie löst sich allmählich auf, bis ich durch sie hindurchsehen kann wie durch feinen Nebel.

      Ich will sie festhalten, aber es ist zu spät.

      Sie ist weg.

      »Mir geht’s schon wieder gut. Ich habe letzte Nacht einfach zu wenig geschlafen, das ist alles. Mir geht’s wirklich gut«, beteuere ich. »Kann ich jetzt in meine letzte Stunde gehen?«

      Die

Скачать книгу