Zersplittert. Teri Terry

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Zersplittert - Teri Terry страница 5

Zersplittert - Teri Terry Dystopie-Trilogie

Скачать книгу

Ben passiert ist. Vielleicht wird sie Mum berichten, dass ich dort war, bevor die Lorder ihn mitgenommen haben. Bilder blitzen schmerzhaft in mir auf: Ben im Todeskampf, das Rütteln an der Tür, ehe seine Mutter hereinkam. Ich habe ihr nur erzählt, dass ich ihn mit dem abgeschnittenen Levo vorgefunden habe …

      Das Rütteln an der Tür. Sie musste erst aufschließen, um reinzukommen. Ihr gegenüber habe ich behauptet, dass ich ihn so vorgefunden habe, aber sie weiß, dass es eine Lüge war. Wie hätte ich durch die verschlossene Tür kommen sollen?

      Unten geht die Haustür auf und man hört Gemurmel.

      Ich muss es wissen.

      Lautlos schlüpfe ich aus dem Zimmer und die Treppen hinunter.

      Der Wasserkessel pfeift leise und ich höre gedämpfte Stimmen. Sie sind in der Küche.

      Behutsam setze ich einen Fuß vor den anderen. Die Küchentür steht halb offen.

      Etwas berührt mich am Bein und ich schrecke auf. Fast hätte ich laut aufgeschrien, doch es ist nur Sebastian. Schnurrend streicht er mir um die Beine.

      Bitte sei still, flehe ich stumm und beuge mich hinab, um ihn hinter den Ohren zu kraulen. Dabei stoße ich mit dem Ellbogen an das Tischchen im Gang.

      Ich halte den Atem an. Schritte! Schnell verstecke ich mich im dunklen Büro gegenüber.

      »Es ist nur der Kater«, höre ich Mum sagen, dann bewegt sich etwas und ich höre ein leises Miauen. Mum schließt die Küchentür hinter sich. Ich schleiche mich wieder in den Gang und lausche abermals.

      »Es tut mir so leid, was mit Ben passiert ist«, sagt Mum. Ich höre, wie Stühle gerückt werden. »Aber Sie hätten nicht herkommen sollen.«

      »Bitte, Sie müssen mir helfen.«

      »Ja, aber wie denn?«

      »Wir haben alles versucht, um herauszufinden, was mit ihm passiert ist. Alles. Man sagt uns überhaupt nichts. Ich dachte, vielleicht können Sie …« Sie verstummt.

      Mum hat Beziehungen, politische Beziehungen. Ihr Vater war Premierminister, bevor er ermordet wurde, und hat das System der Lorder eingeführt. Kann sie ihr helfen? Angestrengt spitze ich die Ohren.

      »Es tut mir leid. Ich habe bereits für Kyla versucht, etwas herauszufinden. Aber ich renne da gegen eine Wand. Man sagt mir rein gar nichts.«

      »Ich weiß nicht, an wen ich mich noch wenden soll.« Dann höre ich leises Schniefen und Schluchzen – sie weint. Bens Mutter weint.

      »Hören Sie mir zu. Zu Ihrem eigenen Wohl müssen Sie aufhören, Fragen zu stellen. Vorerst zumindest.«

      Mein Verstand schaltet sich aus und ich kann nichts dagegen tun. Meine Augen füllen sich mit Tränen, meine Kehle schnürt sich zu. Mum hat versucht, in Erfahrung zu bringen, was mit Ben passiert ist. Meinetwegen. Das hat sie mir nie gesagt, weil sie nichts herausgefunden hat. Was für ein Risiko sie eingegangen ist! Es ist gefährlich, Nachforschungen zu Geschehnissen anzustellen, in die Lorder involviert sind. Vielleicht sogar lebensgefährlich.

      Und auch Bens Mutter setzt gerade viel aufs Spiel.

      Während sie sich verabschieden, schleiche ich zurück in mein Zimmer. Zu der Erleichterung, dass Bens Mutter nichts von meiner Anwesenheit an jenem Tag gesagt hat, mischt sich Trauer. Mrs Nix leidet wie ich unter dem schrecklichen Verlust. Ben war seit mehr als drei Jahren ihr Sohn – seit er geslated wurde. Er hat mir gesagt, dass sie sich nahestanden. Ich sehne mich danach, zu ihr zu gehen, damit wir unseren Kummer teilen können, traue mich aber nicht.

      Fest schlinge ich die Arme um mich. Ben. Ich flüstere seinen Namen, doch er kann nicht antworten.

      Der Schmerz fühlt sich an, als wollte er mich zermalmen. Niedertrampeln. Mich in tausend Stücke reißen. Bislang hatte ich diese Gefühle immer unterdrücken müssen, sonst hätte mich mein Levo ausgeschaltet. Doch jetzt, da es nicht mehr funktioniert, ist der Schmerz dermaßen übermächtig, dass ich laut aufstöhne. Mir ist, als würde ich ohne Narkose operiert, es ist kein dumpfer Schmerz, sondern ein tiefer Schnitt mit dem Skalpell.

      Ben ist weg. Trotz der wirren Erinnerungsfetzen funktioniert mein Gehirn jetzt besser. Er ist weg und kommt nicht wieder. Selbst wenn er das Abschneiden des Levos überstanden hat, gibt es keine Hoffnung, dass er die Lorder überlebt hat. Mit meinen Erinnerungen kehrt auch diese Erkenntnis zurück. Wen die Lorder einmal mitgenommen haben, kehrt nie mehr zurück.

      Diese Einsicht tut so weh, dass ich sie wegschieben und mich davor verstecken will. Aber die Erinnerung an Ben will ich mir erhalten. Der Schmerz ist alles, was mir von ihm bleibt.

      Seine Mutter tritt Augenblicke später aus der Haustür. Sie setzt sich ins Auto, und ehe sie losfährt, bleibt sie noch ein paar Minuten über das Lenkrad gebeugt sitzen. Als sie den Motor anlässt, fängt es leicht an zu regnen.

      Sobald sie außer Sichtweite ist, mache ich das Fenster weit auf, beuge mich nach draußen und strecke die Arme in die Nacht. Kalte Tropfen fallen auf meine Haut und heiße Tränen laufen mir über das Gesicht.

      Regen. Er erinnert mich an etwas Wichtiges, doch gleich darauf ist der Gedanke wieder verschwunden.

      Ich beuge mich über meine Skizze, zeichne wie wild Blätter und Äste und achte darauf, dass ich die rechte Hand benutze. Der neue Kunstlehrer, den die Schule jetzt endlich eingestellt hat, sieht weder gefährlich noch inspirierend aus. Er wirkt völlig uninteressant und kann Gianelli, dem Mann, den er ersetzen soll, überhaupt nicht das Wasser reichen. Aber solange ich irgendetwas zeichnen kann – selbst wenn es wie heute nur Bäume sind –, ist es mir egal, wie öde der Lehrer ist.

      Er geht durch den Raum, macht ab und zu nichtssagende Kommentare, bis er bei mir stehen bleibt. »Hm … nun, das ist interessant«, sagt er und geht weiter.

      Ich schaue auf das Papier vor mir. Ich habe einen Wald voller wütender Bäume gezeichnet, in dessen Schatten eine dunkle Gestalt mit leuchtenden Augen lauert.

      Was würde Gianelli wohl davon halten? Er würde sagen: »Mach langsamer und arbeite sorgfältiger«, und er hätte recht damit. Aber die Wildheit der Zeichnung würde ihm trotzdem gefallen.

      Ich fange von vorn an, das Kratzen des Kohlestifts auf dem Papier beruhigt mich. Die Bäume wirken freundlicher und diesmal blickt Gianelli selbst aus dem Schatten zu mir herauf. Niemand, außer mir, würde ihn erkennen. Denn ich weiß, was mit Leuten wie Gianelli passiert, die Vermisste zeichnen. Stattdessen male ich ihn, wie ich ihn mir als jungen Mann vorstelle. Nicht als den alten Mann, den die Lorder mitgenommen haben.

      Eine Stunde später scanne ich meinen Schülerausweis an der Tür zur Stillarbeitsstunde ein und betrete das Klassenzimmer. Ich gehe nach hinten …

      »Kyla?«

      Ich bleibe stehen. Diese Stimme – hier? Ich drehe mich um. Nico lehnt am Lehrerpult vorn im Raum und grinst verschmitzt. »Hoffentlich geht’s dir heute wieder besser.«

      »Mir geht’s gut, Sir«, sage ich und schaffe es, mich umzudrehen und zu meinem Platz zu gehen, ohne umzukippen.

      Dass er den gelangweilten Aufsichtslehrer geben muss, der dafür sorgt, dass wir konzentriert lernen, ist eigentlich

Скачать книгу