Vanadis. Isolde Kurz

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Vanadis - Isolde Kurz

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entschädigen.“

      Indessen legte er Wert darauf, auch die Meinung Folkwangs zu vernehmen. Sie betrachteten den Muschelbläser von allen Seiten und fanden von allen Seiten zu loben.

      „Es ist nichts Nachgemachtes dabei“, sagte Egon, „es ist alles selbst gesehen, auch das Pferd, so mißlungen es ist, hat eine Bewegung, die frisch aus der Natur geholt ist, nicht von einem Vorbild. Der Junge hat Augen im Kopf, aus dem kann etwas werden; man darf ihn nicht verkommen lassen. Und einen guten Charakter scheint er auch zu haben. Konnte nicht Gott mir einen solchen Sohn geben!“

      Als der Junge wiederkam, zitternd vor Verlangen nach seinem Schicksalsspruch, gab ihm Egon zunächst eine kleine Summe Geld, mit der solle er nach München fahren und sich dort mit einigen Zeilen von ihm bei einem angesehenen Künstler vorstellen, der eine Bildhauerschule leitete. Wenn dieser finde, daß sein Talent die Ausbildung verlohne, so solle er für ein paar Jahre eine kleine Unterstützung erhalten, die ihn bei sparsamem Leben über die Lehrzeit wegbringen werde, besonders wenn er sich noch gelegentlich durch Modellstehen etwas zu verdienen suche, da er ja gut gewachsen sei. Danach ermahnte er ihn streng zu Fleiß und Sparsamkeit, und daß ihm auch das Geld keineswegs geschenkt sei, daß er es vielmehr zurückerstatten müsse, sobald er etwas sei und habe, weil auch andere der Hilfe bedürftig seien.

      Die Freude des Jungen äußerte sich in leidenschaftlichen Dankesworten und wiederholten Handküssen, die nichts Sklavisches an sich hatten, weil sie unverkünstelt aus der glücklichen Art eines Volkes flossen, das jedes Gefühl äußern kann, ohne sich etwas zu vergeben. Man sah ihm an, daß Paradiese vor seinen Augen aufgingen.

      „Ich will mich fest zusammenhalten“, sagte er, „daß ich Ihrer Güte keine Schande mache. Denn ich will ein wirklicher und großer Künstler werden, größer als mein guter Vater war, und sehr, sehr reich.“

      Egon belustigte sich an diesem echt südländischen Gedankengang. „Was tust du denn, wenn du ein großer Künstler wirst und sehr reich?“

      „Dann will ich das Fräulein hier fragen, ob sie mich heiraten will“, sagte er sehr einfach und sehr kindlich. So begann die Laufbahn Giulio Goffredis.

      Herr Folkwang hatte weislich angeordnet, daß der Vorgang mit dem Lucchesen vor Roderich geheimzuhalten sei, aber Fannys Temperament übersprang das Schweigegebot. Daß ein Vater den Herzenswunsch des eigenen Sohnes abschlug, um ihn gleich darauf einem Wildfremden, nur eben des Weges Gekommenen, zu erfüllen, wollte ihr nicht hinunter, und was ihr nicht hinunter wollte, mußte alsobald heraus. Vermutlich hätte sich Egon, der gar nicht zu den Schnellentzündlichen gehörte, den Entschluß noch überlegt, wäre ihm nicht bei der Erinnerung an den Wall von Lucca und das Grabmal des Jacopo della Guercia das Herz mit einem Male durchgegangen und die Fremdheit zwischen ihm und dem Sohne des wilden Weibes, das damals seinem Glück im Wege gestanden, ihm noch schwerer auf die Seele gefallen. Denn diese würde im Fall seiner Verheiratung in der Öffentlichkeit ein lärmendes Ärgernis erregt haben, dem er nicht gewachsen war und das wohl auch die Eltern van der Mühlen zurückgeschreckt hätte. Daß er der niedrigen Weibsnatur dennoch aufs neue verfallen war und ihr Anlaß gegeben hatte, ihn für den Vater Roderichs zu erklären, war eine Schwäche, die er sich nie vergab. Er büßte sie mit freiwilliger Entsagung und asketischer Lebensführung, die allmählich das Wohlgefallen am andern Geschlecht in ihm abtötete, die es aber auch begreiflich machte, daß er dem aus solcher Verwirrung hervorgegangenen Sohn keine väterlichen Gefühle entgegenbrachte.

      Dieser rächte nun die vom Vater erfahrene Zurücksetzung an dem unglücklichen Lehrer, und war er zuvor unachtsam und abgeneigt gewesen, so setzte er jetzt dessen treuen Bemühungen einen stummen Hohn entgegen. Herr Wittich war schon nahe daran, sich von dem undankbaren Amte zurückzuziehen, als Fanny auf einen Ausweg verfiel, der sich als segensreich erwies. Es wurde beschlossen, daß Vanadis mit ihrer schnellen Fassungsgabe und ihrem glücklichen Gedächtnis als Mithörerin dazugesetzt werden sollte, teils um durch ihre Anwesenheit den trägen Schüler zum Wettlauf anzuspornen, teils um ihren eigenen Geist an dieser gastlichen Tafel zu nähren. Am liebsten hätte ja Fanny selbst dabeigesessen, denn Lernen, Sichbilden war noch immer der Traum ihrer Seele, allein die mannigfachen Obliegenheiten, die sie zwar auf absonderliche Weise, aber doch mit Treue und Hingebung erfüllte, ließen ihr keine Zeit dazu.

      Es war in jenen Tagen der Gedanke, ein Mädchen am Knabenunterricht teilnehmen zu lassen, etwas so Außergewöhnliches und Verwegenes, wie es nur der Familie Folkwang einfallen konnte. Der Lehrer selbst, ein kleiner verwachsener Mann von linkischem, behindertem Auftreten und ein wenig stotternd, wußte sich nicht gleich in die Neuheit der Aufgabe zu finden, allein die Unbefangenheit des Kindes gab ihm bald die eigene zurück. Freilich hatte die neue Mitschülerin noch weniger festen Grund unter den Füßen als Roderich nach seinem mehrjährigen, wenn auch schlecht benützten Schulbesuch. Aber ihre Fähigkeit, schnelle Verbindungsbrücken zu schlagen und das Fehlende durch die Vorstellung zu ergänzen, half ihr zum Erfassen des Lehrstoffs nach, wo die Vorkenntnisse mangelten, auch hatte das Überhören der Knaben, worin sie mit Tante Fanny abwechselte, ihr immerhin die Gegenstände, die jenen oblagen, nahegebracht. Herr Wittich war zuerst erstaunt, dann bewegt und schließlich mehr und mehr entzückt von einer Schülerin, die seine Auseinandersetzungen verstand, bevor er zu Ende gesprochen hatte, und da er nicht wußte, daß der weibliche Geist sich naturgemäß schneller entwickelt als der männliche, betrachtete er sie geradezu als eine Wundererscheinung. Roderich gähnte unterdessen und fing Fliegen, die er zwischen den Fingern zwirbelte und dann sachlich eine neben die andere auf den Tisch legte. Das gewährte ihm die doppelte Befriedigung, daß sich Vanadis vor den toten Fliegen graulte und daß er dem Lehrer seine Mißachtung zu verstehen gab. Daß dieser mehr und mehr seine Reden und Fragen über ihn weg an das wißbegierige Mädchen richtete, focht ihn nicht im geringsten an, und nichts lag ihm ferner, als sich durch die Erfolge seiner Mitschülerin zum Ehrgeiz aufstacheln zu lassen. Vielmehr beschäftigte er sich damit, unter dem Tisch, der eine zweite Platte besaß, auf einem Stück Papier abscheuliche Zerrbilder seines Lehrers zu zeichnen mit jener Sicherheit des Strichs, die einer besseren Verwendung wert gewesen wäre. Das von der Natur selbst schon arg verzeichnete Gesicht des Herrn Wittich nahm unter dem Tisch die wunderlichsten und lächerlichsten Tierähnlichkeiten an. Mehr als einmal riß ihm Vanadis das beleidigende Blatt mit schnellem Griff unter dem Tische weg und zerknüllte es in der Stille. Durch diese Bewegung wurde Herr Wittich erst auf den Vorgang aufmerksam gemacht, und er war weise genug, zu tun, als hätte er nichts gesehen. Aber ihr entschlossenes Einschreiten gegen die Verunglimpfung seiner Person vermehrte noch in ihm die fast anbetende Liebe zu der jungen Schülerin.

      Zuweilen kam auch sein Sohn Oskar ins Haus, der ein Schulfreund Gunthers war und nur wenig älter als dieser, ein begabter Junge von angenehmer Erscheinung und ruhigem, sicherem Auftreten, in keinem Zuge an die Häßlichkeit und Unbeholfenheit des Vaters erinnernd; er schlug der Mutter nach, einer stillen, anziehenden Frau, die vorzüglichen Klavierunterricht erteilte. Die Eltern hatten ihn zum Theologen bestimmt, weil ihm ein Familienstipendium zustand, das ihn zum theologischen Studium ohne Inanspruchnahme der solcher Belastung nicht gewachsenen elterlichen Kasse berechtigte. Allein Oskar hatte den leidenschaftlichen Wunsch, Medizin zu studieren, wozu jedoch die Mittel nicht aufzubringen waren, und empfand einen heftigen Widerwillen gegen die geistliche Laufbahn. Es wurde deshalb erwogen, ihn zu einem Kaufmann in die Lehre zu schicken, ein Plan, der ihm ebenso abstoßend war wie der erste. Der innere Kampf gab seinem anziehenden Gesicht einen Ausdruck von frühreifem Ernst, der Vanadis zu Herzen ging, daher sie ihn vor den anderen Kameraden ihrer Brüder bevorzugte. Er pflegte ihr Rosen außerhalb der Jahreszeit zu bringen, wenn es im van der Mühlenschen Park deren keine gab, denn sein Großvater, der Totengräber und Friedhofaufseher Wittich, betrieb zugleich einen Blumenhandel und zog das ganze Jahr hindurch in seinem kleinen, an die Friedhofmauer angelehnten Wärmehaus den schönsten und seltensten Rosenflor. Die meisten Blumen, die in der Stadt zu Hochzeiten oder anderen Festen gespendet wurden, waren zwischen Gräbern gewachsen. Auch die andern Knaben begannen bereits der Schwester Gunthers kleine Aufmerksamkeiten zu erweisen, denn der Trotz gegen das weibliche Geschlecht schmolz mehr und mehr, seit man sich dem

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