Schloss Frydenholm. Hans Scherfig
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Schloss Frydenholm - Hans Scherfig страница 31
Eine Firma begann, kleine Embleme mit dem Namenszug des Königs in Silber und Emaille herzustellen, und viele Leute waren darauf versessen, dieses Emblem im Knopfloch zu tragen, um ihre patriotische Gesinnung zu demonstrieren. Die Fabrikation von Königsemblemen wurde in dieser Periode der Warenknappheit und Stagnation ein blühendes Geschäft.
Während andere Menschen das Königsabzeichen trugen, steckte sich Arne Vuldum eine kleine englische Fahne ins Knopfloch und ging damit unbekümmert auf der Straße und in der Redaktion des „Dagbladet“ umher. Chefredakteur Angvis bemerkte das mit einiger Unruhe; er legte dem Literaten nahe, die britische Fahne mit Rücksicht auf seine Sicherheit und die der Zeitung zu entfernen. „Lieber Angvis, ich darf mir doch wohl Vorschriften in bezug auf meine Kleidung verbitten“, sagte Vuldum und behielt seine Knopflochfahne.
An Stelle des „Dagbladet“ ließ Dr. Damsø sich eine schwedische Zeitung schicken. Nun las er die Nachrichten zwar mit einigen Tagen Verspätung, aber mit weniger täglichem Ärger. Auch die schwedische Zeitung wurde im Wartezimmer des Doktors ausgelegt und an andere Leute verliehen. Die Leute hörten fast alle den schwedischen Rundfunk und gewöhnten sich an die Sprache.
Traurige Nachrichten waren es, die der Rundfunk brachte. Deutsche Truppen überfielen das friedliche Holland. Die offene Stadt Rotterdam wurde grausam bombardiert. Belgien wurde erobert. Die unüberwindliche Maginotlinie wurde rasch umgangen und bezwungen. Die Rundfunkhörer lernten neue Wörter und Begriffe kennen: aufrollen, einkesseln, Zangenbewegung, Sturzkampfflieger.
Man hörte das auf schwedisch, man hörte es auf dänisch. Und man hörte nach jedem deutschen Sieg die Sondermeldungen mit Trommelwirbeln und Fanfaren. Man hörte das Deutschlandlied und das Horst-Wessel-Lied und die Heilrufe. Und wenn ein neues Land überfallen worden war, hörte man Adolf Hitler zum deutschen Volk sprechen, und man hörte das Volk vor Begeisterung brüllen.
„Was wir wollen, ist nicht die Unterdrückung anderer Völker“, schrie der Führer, „es ist unsere Freiheit, unsere Sicherheit, die Sicherheit unseres Lebensraumes! Es ist die Sicherheit des Lebens unseres Volkes selbst. Dafür kämpfen wir!
Die Vorsehung hat bisher diesen Kampf gesegnet, tausendfältig gesegnet. Kann sie das getan haben, würde sie das getan haben, wenn es ihre Absicht wäre, nun plötzlich diesen Kampf zu unseren Ungunsten ausgehen zu lassen? Ich glaube hier an eine höhere und an eine ewige Gerechtigkeit. Die wird dem zuteil, der sich ihrer würdig erweist.“
Der dänische Universitätsprofessor Sigurd Pileus kommentierte das historische Geschehen im Rundfunk und machte Voraussagen über Dänemarks geopolitische Stellung in Neuropa und im Großraum. Der ebenso dänische Professor Poul Pferd sprach über den deutschen Mythos und den Nibelungengeist. Dr. Harald Horn hielt erfrischende Vorträge über die Entartungen des Kulturbolschewismus und über das Licht von Lübeck. Pastor Nørregaard-Olsen formte seine Sonntagspredigten um in Alltagsvorträge mit aktueller Tendenz, sprach von der Obrigkeit, die ihr Schwert nicht vergebens trägt, und davon, daß man dem Kaiser geben solle, was des Kaisers ist. Und es kamen gewaltige Wagner-Konzerte mit Orgelgetöse und Glockenklang und Harfengebraus aus dem Radio. Und es kam muntere Unterhaltungsmusik mit deutschen Soldatenliedern und Märschen. „Denn wir fahren, denn wir fahren, denn wir fahren gegen Engelland!“
Dr. Damsø ärgerte sich, daß man nicht auch das Radio abbestellen konnte, aber das ließ sich nicht machen, wenn man Schweden hören wollte und die dänischen Sendungen aus England, die man trotz der deutschen Störsender empfangen konnte. Aus den meisten Häusern war zu bestimmten Zeiten das seltsam gurgelnde Geräusch zu vernehmen, das von deutschen Rundfunksendern in Dänemark ausgestrahlt wurde, und durch dieses Geräusch drang die Stimme Leif Gundels aus London. Nur auf Niels Madsens Hof und in Höschen-Marius’ Haus spielte der dänische Rundfunk mit voller Lautstärke und stimulierte und ermunterte die Bewohner.
Wenn Höschen-Marius zum Kaufmann ging, um Bonbons zu kaufen, die nun rationiert und von schlechter Qualität waren, summte und brummte er ein deutsches Soldatenlied und marschierte danach. Er trug das runde Emailleabzeichen der DNSAP, ein weißes Hakenkreuz auf rotem Grund, und daneben das SA-Zeichen, eine runde Silberplatte mit den Runen S und A auf farbigem Untergrund; die Farbe gab an, in welcher SA-Division er Dienst tat. Vielleicht sah er sich schon, uniformiert und mit Orden behängt, an der Spitze eines siegreich einrückenden Heeres. „Denn wir fahren, denn wir fahren, denn wir fahren gegen Engelland!“ summte er.
Vor dem Laden des Kaufmanns wurde der Marschierende von Martin Olsen eingeholt. „Warte mal, nur ein paar Worte, Marius!“
Marius hörte auf zu summen und blickte Martin überrascht an. „Was willst du von mir?“
„Ich will dir nur sagen, daß du sehr bald die Jacke voll gehauen kriegst“, sagte Martin. „Wenn du auch ein gewaltiger Nazikerl bist, brauchst du noch lange nicht die Kinder zu belästigen! Wenn du nicht aufhörst, ihnen deine Schweinereien nachzurufen, dann kriegst du Dresche, daß du nicht mehr kriechen kannst!“
„Drohst du mir?“ fragte Marius.
Martin trat dicht vor ihn hin und hielt ihm seine große Faust unter den Schnurrbart. „Wenn du noch ein einziges Mal die Kinder belästigst, hau ich dir eins in die Fresse, daß du dein Gebiß und deine Bonbons zugleich verschluckst! Ist das deutlich genug? Hast du das verstanden?“
„Ja.“ Marius wich zurück. „Ja, ja. Nicht hauen!“
„Du kannst es ja noch mal probieren, du Nazischwein“, sagte Martin. „Dann wirst du was erleben!“
Vor dem Kaufmannsladen standen einige Leute. Sie hörten zu und freuten sich über den kleinen Auftritt. Im Laden wurde davon gesprochen, und bald sprach man im ganzen Dorf davon. Es gab so wenig Erfreuliches in diesen Tagen.
Als Marius den Laden betrat, rief der witzige Kommis ihm zu: „Heute haben wir keine Bonbons für dich, Marius! Die Deutschen haben alle Bonbons im Land beschlagnahmt!“
Evald rief das so laut, daß alle es hörten.
21
Die Frydenholmer Ziegelei hatte aufgehört zu arbeiten, weil man kein Brennmaterial beschaffen konnte. Die Bauarbeiten in der Gemeinde und die Straßenarbeiten in der Umgebung wurden eingestellt.
Rasmus Larsen hatte seine Sorgen mit den Arbeitslosen, die zum Stempeln kamen. Er fand, sie seien verblendet von der Vergangenheit und verständen nicht die Notwendigkeiten der neuen Zeit. Diese Menschen müßten erst lernen, sozial zu denken. Man müßte die Arbeiter dazu bringen, endlich zu begreifen, daß die Zeit des Klassenkampfes vorbei sei. Jetzt ginge es um die Gemeinschaft. „Denn wir sitzen doch alle im selben Boot“, sagte Rasmus. „Das egoistische Klasseninteresse muß dem Gemeinschaftsgeist weichen!“
Wie schön er das sagen konnte, dieser Rasmus! Das war gleichsam ein Schriftstück, das verlesen wurde. „Man hört, daß du auf der Rednerschule warst“, sagte Karl. „Du sprichst genauso fein wie die vom Königlichen Theater. Nein, wie du ,Gemeinschaftsgeist‘ sagen kannst!“
„Das ist auch ein gutes Wort“, meinte Jakob Enevoldsen von der Ziegelei. „Gemeinschaftsgeist, das ist etwas, was die Arbeiter haben sollen, damit die Ausbeuter mehr verdienen können. Das ist gut ausgedacht. Die Unterklasse soll Gemeinschaftsgeist beweisen, und