Fremder Mann an der richtigen Tür. Arno Alexander

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Fremder Mann an der richtigen Tür - Arno Alexander

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schwieg. Alle seine Vorstellungen über das Leben Marianne Leiners wären über den Haufen geworfen. Ihr Bild, ja, ihr Bild hätte noch dazu gepaßt. So etwa hatte er sich immer die verwöhnte Frau eines reichen Mannes gedacht — so ein bißchen unirdisch, hauchzart und fürs praktische Leben ziemlich untauglich. Sich diese Frau jetzt tapfer arbeitend am Büfett eines Kaffeehauses vorzustellen, fiel ihm schwer. Am meisten jedoch wunderte es ihn, daß ihm das nicht gleichgültig war, daß es ihm weh tat. Er hatte fast das Gefühl, als wäre es seine Frau, die das Unglück betroffen hatte, und es bedurfte einer gewissen Anstrengung seinerseits, diesen Gefühlsirrtum richtigzustellen und sich kalt und klar zu sagen: Es handelt sich ja um eine fremde Frau eines fremden Mannes, und ihn, Werner, ging die Sache nichts an.

      „Aber wir führen noch einen Prozeß mit Elbrecht“, berichtete der Alte, und in seinen Augen leuchtete es wieder auf. „Wenn wir den gewinnen, wird alles wieder anders. Liegnitz führt ihn für uns…“

      „Wer ist Liegnitz?“ fragte Werner gedankenlos.

      „Liegnitz? Aber höre mal, Gerd!“ rief der Alte erstaunt.

      „Entschuldige —!“ murmelte Werner. „Liegnitz… Natürlich! Wer sollte denn sonst den Prozeß führen? Natürlich Liegnitz! Arthur Liegnitz…“ Jetzt entsann er sich, daß Leiner ihm diesen Namen vor vier Jahren genannt hatte.

      „Er ist der treueste Freund, den wir haben“, erzählte der Alte weiter. „Er hat sich bewährt — im Unglück. Alle sind auseinandergelaufen, als es damals — hm ja — so kam. Aber Liegnitz nicht. Eine Seele von einem Menschen!“

      „Und Großfeld?“ fragte Werner. Er hatte sich den Namen gut gemerkt, obwohl er ihn von Leiner bestimmt nicht gehört hatte.

      „Großfeld? Richtig, den kennst du ja auch! Nun, Großfeld hat sich auch anständig benommen. Weißt du: Er verehrt Änne ein bißchen. Aber sie macht sich nicht viel aus ihm. Nein, wirklich, du brauchst dich nicht gleich aufzuregen! Es ist gar nichts dabei, Gerd — wirklich…!“

      Höchstwahrscheinlich ist etwas dabei, dachte Werner. Und Leiner pflegte sich über derartige Dinge aufzuregen! Das mußte man sich merken… „Hör mal, mein lieber —“ Werner stockte. „Mein Gott: Jetzt weiß ich gar nicht mehr, wie ich dich immer genannt habe!“ rief er und faßte sich an den Köpf.

      „Onkel Gotthelf natürlich — wie alle zu mir sagen!“

      „Richtig — ja… Entschuldige! Ich bin noch nicht ganz — — Verstehst du?“

      „Ja, ich weiß! Es war gewiß eine schwere Zeit!“ flüsterte der Alte. „Aber weil wir gerade von Änne sprechen, Gerd —: Sie hat doch viel gelitten, weil du — hm — so zu ihr warst. Ich mache dir ja keine Vorwürfe; man kann nicht immer freundlich zu allen Menschen sein. Aber Änne hat mir oft leid getan… Bitte, reg dich nicht auf! Ich weiß, du hast über deine Ehe viel nachgedacht — und du läßt dir von keinem Menschen dreinreden. Aber wenn du mich auch totschlägst — ich kann dir nur sagen, daß Änne um dich viel geitten hat…“

      Ein Gedanke schoß Werner durch den Kopf: Aufstehen, unter irgendeinem Vorwand hinausgehen und verschwinden, für immer aus diesem Leben verschwinden, in dem der wahre Leiner so überverschuldet war! Aber jene sonderbare Neugier, die ihm nun fast verbrecherisch vorkam, hinderte ihn daran, seinen Vorsatz auszuführen. Wie würde es sein, wenn er diese Frau vor sich sah? Wenn sie ihre Arme um seinen Nacken legte? Wenn sie merkte, daß er sich zu ihr anders verhielt als früher — der andere? Mein Gott: Es durfte ja nicht sein! Er durfte es nicht so weit kommen lassen! Es war die Frau des anderen, dieses bücherfälschenden Fabrikanten, und er trieb mit ihr ein leichtfertiges Spiel, wenn er ihr vorlog, er sei Leiner und habe sich in den letzten Jahren verändert, gebessert… „Wie hat sie es aufgenommen, als sie das — hm — erfuhr?“ fragte er plötzlicch.

      „Ach, sie war verzweifelt, Gerd, ganz verzweifelt! Besonders, weil du ihr so streng untersagt hattest, dich zu besuchen oder dir zu schreiben… Alles andere hat sie tapfer ertragen. Ich ahnte gar nicht, was für eine mutige kleine Nichte ich da hatte. Nur in der ersten Zeit merkte man es ihr an; dann hat sie sich zusammengerissen. Und als sie arbeiten mußte… Weißt du: Anfangs fiel es ihr schwer— ich merkte es. Aber sie sagte nichts. Sie war es doch nicht gewöhnt, so von oben herab behandelt und wohl auch mal von fremden Menschen gescholten zu werden. Ihr Erbteil hatte sie ja vor allem Ungemach gesichert… Ach, reg dich doch nur nicht auf, Gerd! ich will auch kein Wort mehr darüber sagen…“

      „Nein, sag es!“ rief Werner rauh. „Was geschah mit dem Erbteil?“

      „Aber, Gerd, du weißt doch! Die Unterschrift auf der Vollmacht…“ Der Alte zögerte.

      „Was war mit dieser Unterschrift?“

      „Du hattest sie doch — gefälscht!“

      Werner dachte nach. Sehr gut erinnerte er sich noch seines Prozesses und all der Straftaten, die man ihm zur Last gelegt hatte. Eine gefälschte Unterschrift auf einer Vollmacht war nicht dabeigewesen. „Und warum wurde mir das nicht nachgewiesen?“ fragte er böse. Er ahnte bereits die Antwort.

      „Weil Änne, um dich zu schützen, doch die Unterschrift als echt anerkannte!“ sagte der Alte leise.

      „Dieser Lump!“ entfuhr es Werner.

      „Wer? Wen meinst du?“

      „Mich!“ rief Werner. „Wen sonst?“ Er war aufgestanden und begann unruhig hin und her zu rennen. Das also hatte dieser Leiner auch noch fertiggebracht? Und mit einer solchen Schuldenlast beladen, sollte jetzt er, Werner, vor die tapfere kleine Frau treten und ihr in die vorwurfsvollen Augen blicken? Nein, nein! Nie! „Hör, ich muß noch mal zu einem Freund!“ sagte er hastig. „Ich komme gleich wieder!“

      „Aber Änne —“, stammelte der Alte verwundert, „Änne muß doch jeden Augenblick kommen!“

      „Ich bin ja auch gleich wieder zurück. Gleich, gleich!“ Weg, nur weg von hier!

      „Bleib!“ Der Alte klammerte sich an Werners Arm fest. „Bleib, Gerd! Wenn du wüßtest, wie sie dich erwartet! Jeden Tag hat sie von dir gesprochen. Jeden Tag mußte ich zuhören. Und sie ist dir nicht böse. Du darfst jetzt nicht gehen, Gerd! Du darfst nicht!“

      Doch Werner riß sich loß und schlug die Zimmertür hinter sich zu. Er konnte das nicht länger mit anhören! Er lief durch das kleine Vorzimmer, zerrte seinen Pelz vom Haken, riß die Wohnungstür auf und — prallte gegen die Frau, vor der er fliehen wollte…

      „Gerd — du?!“ sagte sie leise, mit halb erstickter Stimme.

      Und dann geschah das, was Werner befürchtet, was er vorausgeahnt hatte: Zwei Arme umschlangen seinen Nacken, ein zitternder Frauenkörper preßte sich an ihn, und auf die Hand, die er abwehrend zwischen sie und sich geschoben hatte, tropften heiße Tränen…

      II

      Werner hätte später nicht zu sagen vermocht, wie er wieder ins Speisezimmer gekommen war. Er tat etwas, er sagte etwas; aber was er tat, was er sagte, das wußte er nicht. Alles vollzog sich wie unter Zwang. Es gab kein Zurück, es gab kein Ausweichen mehr… Er kam erst wieder etwas zur Besinnung, als er am Tisch saß — rechts neben sich die Frau, links den Onkel Gotthelf — und rechts und links, wo er auch hinblicken mochte, in ein glückliches Augenpaar sah.

      „Gerd! Wie ist das möglich? Wie ist das nur möglich?“ fragte die

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