Gesammelte historische Romane von Jakob Wassermann. Jakob Wassermann
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Die unerhörten Forderungen erregten am Hof solchen entrüsteten Unmut, daß von weiteren Verhandlungen einstweilen keine Rede war. Ein bettelhafter Glücksritter, Ausländer ohne Namen, erdreistete sich, Anspruch auf die höchsten Staatsämter, ja auf königlichen Rang zu erheben; dafür gab es noch kein Beispiel, in das ärgerliche Staunen mischte sich Hohn, es hieß, der Genuese habe wahrscheinlich unter der spanischen Sonne gelitten, und wenn er tiefsinnig und düster mit gesenktem Haupt über die Straße ging, äfften ihn die Kinder nach und die Erwachsenen deuteten mit dem Zeigefinger gegen ihre Stirn.
Nach einer Weile wurde ein Vergleich versucht, allein Columbus ließ sich nichts abmarkten, für jeden Einwand war er taub, den Vorhaltungen seiner Freunde setzte er ein kaltes Schweigen entgegen, und um zu beweisen, daß er in keinem Punkt zur Nachgiebigkeit gesonnen sei, traf er wieder einmal Anstalten zur Abreise. Die Königin konnte nicht schlüssig werden. Es scheint, daß sie ausgleichend und versöhnend zwischen den schroff aufeinanderprallenden Meinungen des Erzbischofs und des Schatzmeisters Santangel stand. Diese beiden fochten den entscheidenden Kampf aus, wer siegen würde, ließ sich nicht absehen. Talavera wies mit verstärktem Nachdruck darauf hin, daß dieser Columbus nur ein unfruchtbarer Träumer sei; die Forderungen erklärte er auch im Falle des glücklichen Erfolgs für ungemessen, ja frevlerisch, wenn aber die Sache fehlschlage, würde dadurch die Leichtgläubigkeit der spanischen Herrscher ins Lächerliche gezogen werden. Isabella konnte nicht wagen, ihm zu widersprechen. Sie war gegen die Granden der Kirche so demütig wie eine Frau aus dem Volk. Hatte ihr doch einst der General des Franziskanerordens während der Erörterung einer weltlichen Angelegenheit zugerufen: »Ich bins, der recht hat, und wenn ich auch mit der Königin von Kastilien spreche; was ist sie? Ein Häuflein Staub wie ich.«
Auch sie war der Meinung, die möglichen Vorteile würden um zu großen Preis erkauft. In ihrer Denkungsart zu redlich, um gewisse jesuitische Andeutungen Santangels zu verstehen, daß ein unterschriebener Vertrag nicht in allen Teilen erfüllt werden müsse, wandte sie sich an Columbus selbst, fand ihn aber zu ihrer Verwunderung vollkommen unzugänglich für Vernunftgründe. Das war ja das Seltsame: er vergaß, daß er noch gar keine Sicherheiten hatte, daß er ruhmlos, arm, verachtet und hilfsbedürftig war; er sah die Länder, die er erst entdecken wollte, schon greifbar und wirklich vor sich, und bei dem ersten schüchternen Aufdämmern der Ermöglichung hatte er bereits das Gefühl der vollzogenen Tatsache.
Vielleicht war es gerade dies, was die Königin wie etwas Übernatürliches magisch berührte. Sie geriet in einen wahrhaften Konflikt. Sie fürchtete die Verantwortung. Ihr Gemahl stand dem Unternehmen kalt, wenn nicht feindselig gegenüber, mit ihm natürlich eine ganze Partei. Fürsprecher waren nur Alonzo de Quintanilla, der Erzbischof von Toledo, der Schatzkanzler Santangel und die Marquise de Moya, die der Königin befreundet war und ihr mit einem Enthusiasmus zuredete, dessen Motive man nicht kennt; vermutlich waren es die uneigennützigsten von allen, geboren aus romantischem weiblichen Entzücken am Ungewöhnlichen, am schönen Abenteuer.
Santangel und sein Anhang bekamen allmählich Oberhand gegen den König und Talavera. Santangel, ein Marrane, gewiegter Geschäftsmann, schlauer Politiker, konnte nicht verdächtigt werden, leeren Hirngespinsten nachzuhängen. Ich habe den Eindruck, daß er an dem Projekt in einer heute nicht mehr zu ergründenden Weise interessiert war. Er brachte Argumente vor, die der Königin einleuchteten. Da sie den Mut gehabt, sagte er, in ihrem Kampf gegen die Ungläubigen alles aufs Spiel zu setzen, warum zaudere sie bei einer Sache, wo der Verlust so unbedeutend, der mögliche Gewinn so unberechenbar groß sei? Er rief ihr ins Gedächtnis, welchen Zuwachs an Macht andere Fürsten durch Entdeckungen erlangt hätten, hier zeige sich Gelegenheit, sie alle zu übertreffen. Und wieviel geschehe damit für die Ehre Gottes, die Macht der Kirche; keineswegs könne das Fehlschlagen ein übles Licht auf die Krone werfen, Mühe und Kosten würden schon dadurch aufgewogen, daß man durch eine solche Fahrt Fragen von hoher Wichtigkeit nachforschen und bisher verborgene Wunder des Universums entschleiern könne.
Die Königin wandte ein, daß die Finanzen durch den Krieg völlig zerrüttet seien. Sie könne doch nicht eine Anweisung auf den Schatz ausstellen in einem Geschäft, dem der König entgegen war. Indessen erklärte sie nach sorgenvoller Überlegung, sie wolle es auf ihre eigene kastilische Krone übernehmen und, um die nötigen Gelder herbeizuschaffen, ihre Juwelen verpfänden. Santangel erwiderte, dessen bedürfe es nicht, er könne aus den Rentenkassen von Arragon die nötigen Fonds vorschießen. Isabella, auf einmal ungeduldig, die Dinge zum Ende zu bringen, war einverstanden, beim König, gegen ziemlich hohe Verzinsung freilich, eine Anleihe von siebzehntausend Gulden aufzunehmen. (Wenn man aus den vielen Berechnungen der Historiker das Mittel zieht, ergibt sich, daß ihr Beitrag zu den Ausrüstungskosten sich ungefähr auf dreißigtausend Mark heutigen Geldes belief.)
Colón wurde also verständigt, daß man willens sei, die Kapitulation mit ihm abzuschließen. Seine Bedingungen wurden ohne weiteres Feilschen akzeptiert. Der Vertrag schloß mit den Worten: »Vollzogen und ausgefertigt in der Stadt Sante Fé, in der Vega von Granada, den 17. April 1492: Ich der König. Ich die Königin.« Zwei Wochen darauf wurde ihm die förmliche Bestallung als Admiral, Vizekönig und Gouverneur der zu entdeckenden Länder überreicht und als besondere Gnade der Titel Don schon jetzt verliehen.
Sonderbares Traum-und Luftgeschäft, ohne Beispiel in der Geschichte, bei dem beide Vertragsparteien mit dem gleichen amtlichen Ernst Wechsel auf die Zukunft ausstellen ohne die mindeste Gewähr der Einlösung. Was für eine Persönlichkeit muß dieser Mann gewesen sein, mit welcher unheimlichen Kraft der Übertragung begabt, daß er es vermochte, die Königin, den König, einen so klaren Kopf wie Santangel und viele andre außerdem mit der dämonischen Problematik, die ihm innewohnte, zu behexen. Der Vorgang ist schlechtweg unbegreiflich. Zuerst jagt man ihn davon, nennt ihn seiner verrückten Forderungen halber einen Halunken und Idioten, erklärt, sich nicht weiter mit ihm und seinen Ideen befassen zu wollen, ist dann doch beunruhigt, als er sich unbeugsam zeigt, gibt trotz der anfänglichen Empörung Punkt für Punkt nach, bis man schließlich alles in Bausch und Bogen bewilligt, blindlings, einwandlos, als ob man die Geschichte schnell vom Hals haben wolle, an ernsthafte Konsequenzen gar nicht recht glaube und es nur deshalb tue, um sich vor dem Vorwurf oder Selbstvorwurf eines Versäumnisses zu schützen: das war ungefähr die Stimmung, in der man eine anzweifelbare Persönlichkeit ohne Namen und Stand zum Herrn des Meeres und zum Souverän über eine noch unentdeckte Welt machte.
Colón wählte den Hafen von Palos de Moguer als Ausreisestation, vermutlich weil dort die Pinzons ihren Sitz hatten, die ihm eine segelfertige Caravelle zugesagt hatten: das Achtel, das er sich verpflichtet hatte, zu den Gesamtkosten beizutragen. Man hat lange Zeit angenommen, der Herzog von Medinaceli habe ihm das Geld für dieses Schiff vorgeschossen; es ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil dann der Herzog darauf bestanden hätte, daß die Expedition aus seinem Hafen Santa Maria in See gehe.
Columbus hat den Pinzons später ihre Hilfeleistung nach seiner Weise schlecht gedankt. Alonzo Pinzon war ein sehr erfahrener Schiffer; ohne seine Unerschrockenheit