EMOTION CACHING. Heike Vullriede

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EMOTION CACHING - Heike Vullriede

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inzwischen kaum drei Meter von ihm entfernt stand. Schützend riss Nico die Arme über seinen Kopf. Er konnte sich vor Lachen kaum halten. Zu seinem Glück hatte Mehmet das Messer zuvor hinter der Theke verschwinden lassen.

      Um nichts zu verpassen, startete Benni hinter Nico geistesgegenwärtig seine Handykamera und streckte seine Arme über Nicos langen Körper, um alles aufs Bild zu bekommen. Es konnte ja sein, dass sich ein paar dramatische Szenen für weitere langweilige Nachmittage speichern ließen. Kim und Lena wagten sich weiter sich in den Laden und reckten ihre Hälse.

      Kim wusste, das Schlimmste für Mehmet war ihr Gekicher. Und dass Benni ihn dann auch noch mit derart unkontrollierten Gesichtszügen filmte, schmerzte den stolzen Kurden besonders.

      Was sie alle nicht bemerkten, waren die zwei Männer, die sich hinter ihnen dem Laden näherten.

      »Was'n hier los?«, tönte plötzlich eine tiefe Stimme in Kims Rücken.

      Ein bulliger Blondschopf mit ärmellosem Shirt zwängte sich neben Kim und Lena. Kims Augen reichten gerade bis zu seinen Oberarmmuskeln, auf denen das Bild eines bunten Totenkopfes beim Spiel seiner Hand mit einer Gürtelkette erzitterte. Da ihre Nase nur unwesentlich entfernt von seinen Achselhaaren weilte, strömte die schweißnasse Hitze seines Körpers wie ein Gasgemisch in ihr Gesicht. Angewidert wandte sie sich ab und stieß ihren Hinterkopf an dem nicht weniger schwitzenden Stiernacken des zweiten Kerls, der ebenfalls in den Laden drängte. Er blickte sie kurz und schroff an, um dann wie sein stinkender Freund zu Nico und Mehmet vorzustoßen und breitbeinig vor ihnen stehen zu bleiben.

      Nico und Mehmet waren inzwischen mit offenen Mündern in ihren Bewegungen erstarrt, ganz so, als ob sie gerade Stopptanzen gespielt hätten. Besonders Mehmet schien in seiner körperlichen Lähmung eine geistige Achterbahnfahrt zu durchleben, denn seinen dunklen Augen merkte man eine deutliche Panik an.

      Der Stiernacken packte Nico am Ärmel und zog ihn an seinen nass geschwitzten Bauch heran. »Macht der Kanake Probleme?«

      Nico erwachte nur langsam aus seiner Starre. »Äh … was? Nein, ich … er wollte nur …«

      »Was wollte der?«

      Nico schluckte. »Nichts. Ist alles in Ordnung hier.«

      Dem festen Griff des Mannes, der ihn jetzt zur Seite warf, konnte Nicos dürrer Körper mit nichts begegnen. Taumelnd stieß er sich am nahestehenden Tisch die Hüfte.

      Die beiden gewichtigen Männer wandten sich mit schmalen Augen Mehmet zu, der immer noch wie verwurzelt auf der Stelle verharrte. Immerhin blinzelte er inzwischen.

      Benni und Kim wechselten Blicke. Was tun? Im Geiste sah Kim den alten Mehmet wie einen schlaffen Sack unter den dicken Fäusten seiner Gegner zusammenbrechen. Wenn sie ihn auch zu gerne ärgerten, so gehörte er doch irgendwie zu ihrer Clique dazu – zumindest für Kim. Wahrscheinlich war Mehmets Dönerladen wirklich so etwas wie ein Zuhause für sie geworden und ein bisschen angenehm anders als andere Erwachsene war Mehmet wohl auch. Kim entschied sich jedenfalls für einen vorsichtigen Vermittlungsversuch – nur für den Fall, die beiden Fremden suchten nicht einfach nur einen Dummen zum Draufhauen und hätten die Situation tatsächlich falsch eingeschätzt. Vielleicht meinten sie wahrhaftig, ihnen mit ihrem Engagement zu helfen. So schob Kim die zur Salzsäule erstarrte Lena zur Seite und präsentierte sich den beiden Schlägern mehr oder weniger entschlossen.

      Sie stand seitlich von Mehmet und den Kerlen gegenüber.

      »Hört mal …«, begann sie und registrierte, dass Mehmet sie sehr düster ansah und langsam, aber kaum merklich seinen Kopf schüttelte. »… wir haben kein Problem. Wir hängen hier jeden Tag rum und haben uns nur einen Spaß mit Mehmet gemacht. Alles in Ordnung also. Wir brauchen eure Hilfe nicht.«

      Im Hintergrund sah sie Benni schon wieder grinsend filmen. Der Blödmann schreckte anscheinend nicht davor zurück, ihren Untergang aufzuzeichnen, anstatt sich zum Helfen vorzubereiten. Kim konnte wohl kaum hoffen, dass er sich auf einen von den beiden stürzen würde, falls man Kim auseinanderrisse. Lena hatte sich erwartungsgemäß hinter seinem Rücken verkrochen und lugte mit Rehaugen über Bennis Schulter herüber. Als Kims Blick hilfesuchend auf Nico fiel, fand sie ihn auf dem Tisch sitzend und geruhsam das Theaterstück betrachten, in dem Kim gleich eine Hauptrolle spielen sollte. Tolle Freunde!

      Der Gürtelkettenträger musterte sie mit hochgezogener Oberlippe. Das erinnerte sie an das Gesicht eines Esels und ein Lächeln huschte auf ihr Gesicht.

      »Ach ja? Ihr braucht unsere Hilfe nicht?« Langsam schritt er an Mehmet vorbei auf Kim zu. »Hängst hier also gerne rum, in so 'nem Türkenladen und frisst Knoblauch. Ich sag dir was: Kannst dich gleich mit unter die Theke legen …«, er zögerte, ließ seine Augen wieder abschätzend an ihr mitsamt Gipsarm hinabgleiten, »… oder vielleicht besser gleich auf die Theke. Dann könnte man mal nachsehen, ob du wirklich ein Mädchen bist.« Er lachte seinem Kumpel dreckig zu, der ebenso frivol zurücklachte.

      Allmählich fühlte sie sich wirklich bedroht. Kim spürte etwas. Es war ein leichter Druck im Magen, kurz und pulsierend. Der Gedanke an zwei verschwitzte bullenartige Männer, die sich auf einer Dönertheke über sie hermachen wollten, ängstigte sie anscheinend mehr, als das Herumhangeln an S-Bahnen oder das Klettern auf schwindelerregend hohe Brücken oder Hausfassaden.

      Na klasse, dachte Kim, und Benni filmt das dann auch noch.

      Angriff schien ihr hier die beste Verteidigung. Bevor der Kerl vor ihr noch einen Schritt weiter auf sie zu machen konnte, holte sie mit einem Bein nach hinten aus und trat ihm ohne Vorwarnung mit voller Wucht ihren Turnschuh in die Weichteile. Er konnte nicht wissen, dass sie bis vor kurzem noch Kick-Boxen trainiert und ihr Fußtritt eine gehörige Portion Kraft hatte. Wie erwartet sank der große Mann sehr klein zusammen. Und wie weiter zu erwarten, stürmte nun der Stiernacken mit einem grunzenden »Dich mach ich fertich, du Schlampe« auf Kim zu …

      Sie hätten dem alten Mehmet ja vieles zugetraut, aber die Geschicklichkeit, die er in den nächsten Minuten zutage legte, beeindruckte die Clique nachhaltig. Während Nico nun tatsächlich versuchte, Kim zu helfen und sich so heldenhaft wie wirkungslos an den verschwitzten Nacken des Stiers hängte, war es gerade Mehmet, der das einzig Richtige tat und dem hirnlosen Kerl schlicht ein Bein stellte. Polternd kam er zu Fall und riss Nico mit sich. Kaum dass der sich wieder aufrichtete, ohne den Jungen an seinem Hals überhaupt wahrzunehmen, wollte er sich auf Mehmet stürzen. Der aber ergriff die auf ihn gerichtete Faust, lenkte die Kraft seines Gegners an sich vorbei in Richtung Theke und sah zu, wie die Stirnhaut des Dummkopfes an der Kante des Marmors aufplatzte. Vorausschauend hatte Nico vorher losgelassen, purzelte zu Boden und landete direkt vor der WC-Tür.

      Mehmet nahm indes den Blutenden bei den Haaren und zerrte ihn vor die Tür, wo er ihn die beiden ausgetretenen Stufen hinunterstieß. Dann kehrte er in den Laden zurück, packte die Gürtelkette des anderen, zog ihn daran näher zu sich und verpasste ihm einen weiteren Tritt in den Schritt. Jetzt mischte Kim sich wieder ein, probierte einen vorsichtigen Einsatz ihres Gipses als Schlaghilfe, was sie aber gleich wieder sein ließ, und gemeinsam mit Nico und der aufgetauten Lena transportierten sie den zweiten Kerl auf die Straße.

      »Gülle, Gülle!«, rief Mehmet ihnen zu.

      Benni folgte ihnen kichernd mit der Kamera. »Das ist so genial! Mehmet, tritt dem blutenden Dicken da noch mal in den Arsch!«

      Für einen Moment schien Mehmet zu überlegen, doch dann schüttelte er den Kopf und zeigte Benni einen Vogel.

      Bevor ihre Opfer sich erneut aufraffen konnten, um sich zu rächen, begrüßte Mehmet mit lautem Rufen und ausholendem

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