EMOTION CACHING. Heike Vullriede
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу EMOTION CACHING - Heike Vullriede страница 7
Jetzt erst ließ Benni endlich das Handy sinken. »Das wird ein super Filmabend!«
Kim blickte Mehmet an, der schwer atmend neben ihr im Eingang des Ladens stand und sofort wieder um einige Jahre alterte. »Und die wolltest du als Stammkunden gewinnen?«
Er sah sie erst fragend an, dann grinste er über beide Wangen. »Du bist ein sehr mutiges Mädchen, Kim. Aber bitte, lass einem alten Mann niemals das Gefühl, dass er deine Hilfe benötigt, ja?«
Nachdenklich fasste Kim die drei Cousins von Mehmet ins Auge, die nach der kurzen Verfolgung mit heiteren Gesichtern zurückkehrten. »Wo kamen die denn überhaupt so schnell her?«
»Ein Knopfdruck auf die richtige Taste meines Handys und die Leute aus meiner Familie wissen, dass ich Hilfe brauche.«
Dann nahm Mehmet Kim kurz beiseite und blickte sich verstohlen nach seinen Cousins um. »Das mit dem Schweinefleisch, weißt du, das ist wegen des Geschmacks … auf keinen Fall verraten, ja?«
»Kein Problem, wenn du uns jedem einen Döner spendierst.«
***
Um einhändig die Haustür aufzuschließen, musste Kim einige umständliche Verrenkungen vollbringen. Sie verfluchte den verdammten Gips und die Behinderung, die sie sich damit selbst eingebrockt hatte.
Ohne sich zu bücken, streifte sie mit den Füßen ihre Schuhe ab und gab ihnen einen Kick. Sie schlitterten vor den Metall-Schuhschrank in der Diele und lenkten Kims Blick auf ein Paar schwarze ausgetretene Halbschuhe.
Robert war also da.
Obwohl sie aus der Entfernung nicht wirklich etwas riechen konnte, kam es ihr vor, als strömte der Geruch fremder Männerfüße aus den Tretern wie die Markierung eines brünstigen Tieres durch die Diele. Er hätte genauso gut hier hinpinkeln können.
Natürlich wusste sie, dass ihre Mutter ein Anrecht auf ein Intimleben hatte, dafür war Kim alt genug … aber sie mochte das nicht. Schon gar nicht, wenn einer von denen zu einem Dauerzustand wurde. Robert war schon viel zu lange ein Thema in diesem Haus.
Kims gute Laune versank in den tiefsten Keller, den es in einem Gehirn geben konnte. Sie schlürfte einen Raum weiter, warf den Rucksack auf den Esstisch, an dem sie mit Nico mittags noch über Angst und Abenteuer geredet hatte, und ließ sich wie ein Sack auf einen der Stühle fallen. Dann lauschte sie. Da keinerlei Gesprächsfetzen von irgendwoher in ihre Ohren drangen, konnte sie sich schon denken, wo die beiden alten Herrschaften gerade ihre Zeit verbrachten. Entweder vergnügten sie sich im Schlafzimmer oder plätscherten gemeinsam mit einem Glas Sekt in der Badewanne.
Alles schon gehabt.
Sensibilisiert nahm Kim ein gleichmäßiges Rauschen im Haus wahr … die Dusche also … angewidert verzog sie die Mundwinkel. Wozu gab Gott den Menschen Lustgefühle, wenn sie sowieso nicht mehr zeugen konnten? Die Vorstellung ihrer Mutter, die immerhin schon Mitte vierzig war, beim Sex mit Robert, verursachte ihr Übelkeit. Unwillkürlich starrte sie auf das Bild ihres lachenden Vaters auf dem Sideboard. Hätte sie das Gleiche empfunden, wenn dieser Mann da oben ihr Vater wäre? Kim versuchte es sich vorzustellen und zur Rechtfertigung genau den gleichen Ekel hervorzubringen. Klar – ihre Gedanken waren unfair und vermutlich kindisch. Sie wusste selbst, dass sie zwar der Kindheit entwachsen war, sich aber auf dem Weg in die Erwachsenenwelt irgendwie verlaufen haben musste.
Aber nein, ihre Vorstellungskraft reichte nicht aus. Das Bildnis ihres Vaters blieb ein strahlend umrahmtes Heiligtum, an dem alles Unschöne abprallte. Selbst ihre Mutter Sofie blieb in seinen Armen eine rührende Unschuld … Es war nicht das Gleiche. Schon allein, weil ihr Vater in Kims Erinnerung niemals alterte. Papa war und blieb wunderbar.
Robert aber, dieser angegraute Besserwisser mit den Falten am Hals und dem blousonartigen Bauch über der Hose war ein alter Sack!
Kim stand auf, drehte Papas Foto mit seinem Gesicht zur Wand, damit er sich das Elend nicht länger ansehen musste, ging zum Kühlschrank in die Küche und griff sich einen Joghurt und Löffel. Doch gleich darauf verging ihr der Appetit. Mit zusammengepressten Lippen schleuderte sie den Löffel in die Spüle. Sein Scheppern unterbrach das Rauschen der Dusche im Hintergrund, stellte es aber nicht ab. Vernahm sie da etwa rhythmische Geräusche aus dem Bad in der ersten Etage?
Mit Wucht schoss ihr Gips nach unten und zerknautschte den Plastikbecher zu einem papierähnlichen Knäuel. Ein Schmerz durchzuckte ihren Arm. Wie in Zeitlupe sah sie fette Tropfen weißen Joghurts durch die Luft fliegen und die pastellfarbene Küchenwand sprenkeln. Irritiert blickte sie auf die Schweinerei auf der Arbeitsplatte. Der Gips war gebrochen und mit Joghurt verschmiert.
Na super!
Von oben wieder diese Geräusche.
Jetzt reicht es!
Entschlossen stampfte sie zur ersten Etage hinauf in Richtung Bad. Das Rauschen ertönte lauter, je näher sie der geschlossenen Tür des Badezimmers kam. Ohne Rücksicht auf den Schmerz schlug sie ihren verpackten Arm auf die Klinke, stieß die Tür mit dem Fuß auf und ging ohne zu zögern auf die Dusche und die dahinter verschwommenen Schemen zu.
Kim ließ ihnen nicht einen Augenblick der Vorwarnung, sondern riss die Schiebetür mit einem Ruck auf.
»Mein Gips ist gebrochen. Vielleicht könnt ihr beiden euch mal um was anderes kümmern, als um euch selbst.«
Demonstrativ hielt sie den geschundenen Arm in die Höhe.
Die Mimik des nackten Mannes unter den Wasserstrahlen der Regendusche erinnerte Kim an Szenen in einem Horrorfilm. Robert war vollkommen entsetzt. Mit seinem nass an die Stirn geklatschten Resthaar, den aufgerissenen Augen und dem offenstehenden Mund glich er einem Opfer, das gerade dem grausamsten Ende entgegenblickte, das die Welt gesehen hatte. Der Speck an seinem Bauch, der seinen Kampf gegen die Schwerkraft der Erde nicht verleugnen konnte, hob und senkte sich während seiner geräuschvollen Atmung wie Wackelpudding.
Ja, freute sie sich, jetzt einen Herzinfarkt und Papa und ich sind dich los!
Das Gesicht ihrer Mutter hinter ihm ließ allerdings nicht mehr als eine gewisse Überraschung erahnen.
Während Kim sich über Roberts Scham vor ihrem offensichtlichen Blick auf seine schrumpfende Männlichkeit amüsierte und darauf wartete, dass er endlich tot umkippte, stolzierte Sofie ungeniert unverhüllt aus der Duschwanne. Sie schob die Glastür hinter sich zu, womit sich Robert wieder in einen nebulösen Schatten verwandelte.
Schade eigentlich.
Die Gefasstheit, mit der ihre Mutter den Bademantel vom Haken nahm und sich darin einkuschelte, ärgerte Kim. Jeder andere hätte ein Feuerwerk der Entrüstung auf sie einregnen lassen. Aber nein, ihre Mutter warf lediglich einen wissenden Blick und ein unverbindliches Lächeln auf sie herab.
»Nun Kim, ich denke, du konntest einfach nicht anders«, sagte sie unverschämt ruhig und leise. »Wir reden später darüber«, fügte sie hinzu, als sie mit einem Handtuch ihre Haare trocken rubbelte.
»Wir reden später darüber?« Kim zog die Brauen hoch. »Ich stehe hier und du da – wir sollten genau jetzt darüber reden!«
Nun