Wer bist du wirklich?. Lilly M. Beck
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Wer bist du wirklich? - Lilly M. Beck страница 6
Odette grinst. „Guten Morgen. Du siehst… großartig aus.“
Sie lacht, weil Vicky so zerstört aussieht. Sofort drückt sie ihr einen Schmatzer auf die Wange und beginnt mit dem Programm. Dann startet sie den Wagen.
„Willkommen an Bord, Frau Bauer. Zu ihrer Rechten finden Sie in dem Fach in der Tür frische Croissants und zu ihrer Linken kredenzen wir Ihnen in der Mittelkonsole Ihren Lieblingskaffee. Schnallen Sie sich an und lassen Sie es sich schmecken. Die geplante Ankunftszeit ist 7.45 Uhr. Knapp genug.“
Im Wageninneren duftet es herrlich und Vicky lächelt ihre beste Freundin verlegen an. „Du bist ein Schatz. Danke“, sagt sie ehrlich.
Odette grinst sie verschwörerisch an. „Ich will alles wissen, Maus.“
Vicky strahlt ebenfalls sofort. „Die Nacht war wundervoll. Er war wundervoll. Odette, sowas habe ich noch nie erlebt. Das Date war per-fekt. Vom Anfang bis zum Schluss.“
Bei der Erinnerung an ihn, lächelt sie breit. Sie fasst für ihre Freundin alles kurz zusammen. „Und dann hat er mich gegen fünf Uhr morgens heimgebracht. Wir haben die ganze Zeit im Taxi geknutscht. Mega sweet, er hat gewartet, bis ich drin war und ist dann erst weitergefahren.“
Auf der weiteren Fahrt zum Verlag wird Odette mit schlüpfrigen Einzelheiten versorgt und so auf den allerneusten Stand gebracht. Sie nimmt einen Schluck aus ihrem eigenen Becher.
„Also, Fräulein Bauer. Ich bin eindeutig im Team Simon“, sagt sie schließlich bestimmt, während sie auf den Parkplatz einbiegt.
„Der hat definitiv ein zweites Date verdient“, fügt sie eindringlich hinzu und hebt die Augenbrauen.
Schließlich kennt sie ihre Freundin gut genug. Und bisher hat Vicky nicht viel Wert auf Beziehungen gelegt. Sie macht immer den Eindruck, als wolle sie sich nicht festlegen. Dabei wünscht sich Odette nach den drei Single-Jahren seit Lio mal wieder etwas Herzwärme für ihre Freundin.
„Ja, mal sehen. Ich muss erst mal den heutigen Tag überstehen. Erzähl mir mal, auf wen ich besonders achten muss. Schieb mal bissel Büro-Gossip rüber, Schwester.“
Odette instruiert Vicky genauestens und gibt ihr alle nötigen Tipps. Sie begleitet sie zur Personalabteilung und schiebt sie dann mit einem herzlichen „Toi, toi, toi. Ich hol dich später zur Mittagspause ab“ durch die Tür.
Vicky lächelt unsicher und drückt die Hand ihrer Freundin. „Danke, Babe.“
Odette hat ihr den Posten vermittelt und ihr den Start gerade sehr angenehm gestaltet. Mit den Fragen zu ihren nächtlichen Erlebnissen hatte Vicky die Aufregung ganz vergessen und sogar etwas frühstücken können. Zuallererst gilt es, den notwendigen Papierkram zu erledigen, bevor sie an ihre Abteilung übergeben werden kann.
Die Personalreferentin ist freundlich und nimmt sich viel Zeit für das sogenannte Onboarding. Sie erklärt Vicky die Besonderheiten im Unternehmen und füllt alles Nötige mit ihr aus. Sie beantragt bei der IT Vickys Schlüsselkarte und fragt dann in der Abteilung an, ob sie schon bereit für Vicky sind. Diese notiert fleißig alles Hilfreiche in ihrem Notizbuch; wo was ist und wer Ansprechpartner für was ist. Sie versucht, die Flut an Informationen und neuen Eindrücken zu verarbeiten. Die neue Karte, mit der nun ihre Arbeitszeiten gescannt werden und die gleichzeitig auch den Eintritt für fast alle Räumlichkeiten innerhalb des Gebäudes bedeutet, dient ihr vorerst als Lesezeichen.
So viele neue Dinge prasseln heute auf sie ein. Von der Firmenhistorie und Gebäudegröße über Verhaltensregeln bis hin zu all den neuen Kollegen. Nach der zweiten Stunde versucht Vicky gar nicht mehr, sich die Namen mit den Vermerken zu notieren. Die Outlookdateien und das Intranet werden ihr da sicher dienlich sein. Der einzige Name, der für sie relevant ist, ist Henri Weber. Das ist ihr direkter Vorgesetzter und einer der Chefs des Verlags. Seine Assistentin gibt den Posten zum nächsten Quartal auf. Noch kennt Vicky keinen der beiden, aber Odette hatte ihr schon verraten, dass die zwei immer für Tratsch gesorgt haben. Schon lange wird gemunkelt, dass sie eine Affäre miteinander hätten.
Vicky war zum Vorstellungsgespräch bei seinem Partner eingeladen gewesen, weil Herr Weber zu dieser Zeit geschäftlich im Ausland war. Die Assistentin war damals angeblich krank. Rückblickend waren die Umstände schon verdächtig. Aber Vicky soll‘s egal sein. Sollen die alle miteinander rummachen. Sie will einfach einen Job, um ihre Miete zahlen zu können. Jahrelang hat sie in einer kleinen Buchhandlung als Verkäuferin gearbeitet. Leider muss der kleine Laden nun schließen. Der Onlinehandel hat den kleinen Familienbetrieb einfach gekillt. Sie haben Vicky fairerweise frühzeitig signalisiert, dass sie sich besser nach einer neuen Stelle umschauen sollte. Und keine Woche später hat ihre aufmerksame Freundin dann beim Käffchen unter Kollegen aufgeschnappt, dass sich da wohl bald was ergeben könnte und sofort Vicky vorgeschlagen. Es kommt immer, wie es kommen soll. Ganz sicher. Jetzt ist Vicky hier – und das wird bestimmt noch spaßig werden.
Clara Stein, der Inbegriff einer Vorzimmerdame, beäugt Vicky abwertend von oben nach unten, als sie miteinander bekanntgemacht werden. Clara sieht aus, als sei sie einem Katalog für Assistentinnen entsprungen. Tolle Figur, unglaublich stilsicher, Brille, selbstbewusstes Auftreten. Sie schüchtert nicht nur Vicky total ein. Odette hatte ihr schon verraten, dass Clara in all den Jahren im Unternehmen keinen Anschluss gefunden hat. Vicky grinst, als ihr das Gespräch mit Odette in den Sinn kommt. Wenn das pikante Gerücht wahr ist, hat sie sehr wohl „Anschluss“ gefunden.
Leider hat Clara es im Job ziemlich drauf. Schon nach wenigen Minuten hat sie Vicky mit ihren Fähigkeiten überzeugt. Sie ist deutlich stressresistent und kann mehrere Situationen gleichzeitig ziemlich souverän jonglieren. Telefon, Kalender, Schriftsätze, permanente Anfragen von internen Mitarbeitern, ab und an von Externen, Druckereien, Messen, der Presse und Aufgaben auf Zuruf vom Chef natürlich. Nach kurzer Zeit ist Vicky so eingeschüchtert, dass sie sich sicher ist, dass sie das alles in diesem Tempo niemals beherrschen und nicht lange bleiben wird.
Odette fällt die trübe Stimmung ihrer Freundin beim Mittagessen sofort auf. Vicky schildert ihr kurz die Erlebnisse des Tages und Odette nimmt sie mit raus auf die Terrasse, um abseits der Kollegen den Nachtisch genießen zu können. Vicky hat sich eine Dose Energydrink am Automaten gezogen, um die Müdigkeit etwas in den Griff zu bekommen. Gähnend und niedergeschmettert sitzt sie vor ihrer Freundin.
„Babe, ich glaube, ich schaff das nicht. Wirklich nicht. Ich fühle mich hier total fehl am Platz. Schau mal, wie ihr alle ausseht. Wie aus‘m Katalog und ich daneben wie der letzte Bauerntrampel. Ich check nicht mal die Hälfte von dem, was Clara da macht. Ich glaube fast, das kann nur schief gehen.“
Odette rümpft die Nase und schlägt ihrer Freundin gespielt verärgert aufs Knie. „So ein Quatsch, reiß dich mal zusammen. Du bist übermüdet und kannst gerade gar nicht klar denken. Wahrscheinlich bist du eh noch bei dem Sahnestück von heute Nacht, und wer kann dir das verdenken?“ Sie lächelt wissend. „Bitte, sei so gut, trink deinen Energydrink, atme durch und schreib deinem Lover.“
Vicky lacht. „Du bist einmalig, Babe. Okay. Für heute lasse ich deine Argumente gelten, aber ich…“
„Tztztz, Ruhe. Ich will nix hören. Du hattest mir doch eben zugestimmt. Also. Dann shhht. Schreib Simon und genieß deine Restpause. Ich muss leider wieder hoch. Ich lieb dich.“
Odette küsst