Wer bist du wirklich?. Lilly M. Beck
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Читать онлайн книгу Wer bist du wirklich? - Lilly M. Beck страница 7
Das kleine weiße Licht blinkt und ihr Herz macht einen Satz. Sie entsperrt ihr Display und liest in der Vorschau seinen Namen.
Kleines, guten Morgen, ich hoffe, du hast noch ein paar Stunden Schlaf abbekommen, bevor du zu deinem neuen Job gestartet bist. Hoffentlich bereiten dir alle einen schönen Tag und ich darf dich bald wiedersehen?
Vicky grinst. Er ist einfach so charmant. Sie hat direkt beim Lesen seine Stimme in seinem Ohr und weiß genau, wie er was betont hätte, wenn er vor ihr gestanden wäre.
Sie lächelt und sendet ihm eine kurze Sprachnachricht: „Nach diesem Tag kann ich ein paar Drinks bei dir inklusive der Hammer-Aussicht gut gebrauchen, Honey. Verrat mir, wann ich da sein darf?“
Wieder gut gelaunt steckt Vicky ihr Handy weg und nimmt den letzten Schluck von ihrem Energydrink.
Als sie die Glastür zum Assistenzbereich öffnet, sieht sie ihren Chef nur von hinten, wie er bei Clara steht und sich auf den Schreibtisch beugt. Sie sehen sehr vertraut miteinander aus und Vicky überlegt kurz, noch einen Moment zu warten, doch wo soll sie hin? Und die beiden weiter beobachten möchte sie auch nicht.
Clara kichert über etwas, dass Henri gesagt hat. Vicky ist es total unangenehm, da reinzuplatzen, und sie beschließt, sich lieber noch einen Kaffee zu holen. Leider stößt sie beim Umdrehen ungeschickt mit dem Metallverschluss ihrer Handtasche gegen Tür und schreckt das Pärchen auf. Die beiden blicken Vicky finster an.
„Shit“, entfährt es ihr und sie winkt ihnen hektisch durch die Tür zu und formt noch ein „Sorry!“.
Als Vicky ansetzt, um in die Cafeteria zu starten, reißt Clara hinter ihr die Tür auf und ein „Sofort in mein Büro“ vom Chef schlägt ihr entgegen. Langsam dreht Vicky sich um und schaut verschüchtert in Claras steinerne Miene. Die Frau schafft sie echt. Das wird ein Heidenspaß mit ihr. Drei Monate können verdammt lang sein. Vicky ist sich sicher, dass sie niemals so gut werden wird wie sie.
Clara ist ein wahrgewordener Cheftraum, was die Besetzung ihrer Position zu Vickys persönlichen Albtraum macht. Clara hält immer noch die Tür für sie auf und deutet mit dem Kopf auf den Türspalt hinter ihr.
„Man lässt ihn auf keinen Fall warten. Geh schon“, herrscht sie Vicky an.
Diese verstaut schnell ihre Handtasche unter ihrem Schreibtisch und schnappt sich den Stift samt Block und eilt aufgeregt zu Herrn Weber in die Höhle des Löwen. Sie betritt sein Büro und ist erstaunt. Hier wirkt alles so kühl. Die bodentiefen Fenster zeigen die vielbefahrene Allee hinter ihm. Vicky schließt leise die Tür und bleibt in einiger Entfernung stehen. Er sitzt mit dem Rücken zu ihr. Den Kopf schräg gelegt, Beine übereinandergeschlagen, auf eine Seite gestützt.
„Setzen Sie sich bittee, Victoria.“
Sie nimmt Platz und wartet. Eine halbe Ewigkeit passiert nichts und sie beginnt auf den Block zu kritzeln.
„Langweile ich Sie vielleicht?“, fragt er mit arrogantem Unterton.
Vicky rollt die Augen und versucht trotzdem, weiter freundlich zu klingen. „Nein, Herr Weber, natürlich nicht, ich…“
Er dreht sich langsam zu ihr um. „Nein, natürlich nicht.“
Sein Blick fixiert sie und das Blut gefriert ihr in den Adern. Vicky sitzt vor ihm wie das verängstigte Kaninchen vor der Schlange. Nervös klopft sie mit dem Kugelschreiber auf ihren Block und beißt sich in die Innenseite einer Wange. Er bewegt sich keinen Millimeter, zuckt nicht mal mit den Wimpern. Sie rutscht nervös langsam und unauffällig auf der Stuhlkante vor und zurück. Diese Situation ist ihr mehr als unangenehm.
„Wie läuft denn Ihr erster Tag bei uns? Gefällt es Ihnen?“ Er genießt ihre Unsicherheit.
Vicky überlegt sich kurz eine Antwort und bestätigt dann etwas zu überschwänglich: „Ja. Ja, es ist toll, Herr Weber. Es wird unmöglich werden, Frau Stein zu ersetzen, aber ich…“ Und schon im nächsten Moment ärgert sie sich über ihr Geplapper und fährt nicht fort.
„Das kann doch nicht dein Ernst sein!“, ermahnt sie sich innerlich.
Überrascht von ihrer Ehrlichkeit blickt er sie an. Er hat eine Augenbraue angehoben. „So? Ich glaube, wir schaffen das. Zusammen.“
Sie schaut ihn erstaunt an. Ist das seine Art von Freundlichkeit? Irgendwie ist der Typ ihr unheimlich. Sie nickt.
„Für heute haben wir wohl erst einmal genug Bekanntschaft geschlossen.“
Verwirrt rafft Vicky ihre Sachen zusammen. „Ähm... ja... natürlich.“
Nachdenklich setzt sie sich an ihren Platz und spielt die Unterhaltung in ihrem Kopf noch einmal in Ruhe durch. Waren da Anspielungen zwischen den Zeilen? Hat sie irgendwas übersehen? Er war regelrecht angsteinflößend. Wofür war sie denn nun überhaupt da?
„Fräulein Bauer, ich möchte Sie ja nicht stören bei was auch immer, aber wenn wir hier weiterkommen wollen, müssten Sie langsam mal mitmachen.“ Clara schnippt in die Luft und schaut missbilligend zu Vicky herüber. Alles an ihr signalisiert Abneigung.
Super freundlich nickt Vicky und zieht das „Natüüürlich“ extra übertrieben in die Länge. Sie nimmt den Block und Stift wieder vom Tisch und rutscht mit ihrem Stuhl zu ihrer Kollegin rüber. Clara erklärt ihr, wie sie E-Mails in den verschiedenen Postfächern handhaben soll und sorgt dafür, dass Vicky die Rechte schnellstens dafür erteilt bekommt. Als Vicky sich Notizen dazu machen möchte, sieht sie ihre Kritzeleien von vorhin und erschrickt furchtbar. Das kann gar nicht sein. Sie muss zweimal hinsehen…
Aus dem Durcheinander an Strichen, die kreuz und quer über die obere Ecke verlaufen, blitzt tatsächlich sein Gesicht durch.
Das muss der wenige Schlaf sein. Vicky klappt schnell das Blatt um und benutzt eine leere Seite, um festzuhalten, was sie für das Bearbeiten der Postfächer benötigt. Den restlichen halben Tag sitzt sie neben der Assistentin und versucht das Pensum mitzumachen, das Clara vorgibt. Vor Feierabend pocht ihr so dermaßen der Kopf und sie ist erschöpft. Der Tag war so unglaublich anstrengend. Herr Weber ist seit Stunden in Video-Meetings verschwunden. Vicky ist das ganz recht. Ihr Vorgesetzter verbreitet eine ganz komische Stimmung und so richtig kann sie sich die Zusammenarbeit mit ihm noch gar nicht vorstellen.
Schließlich schickt Clara sie barsch in den Feierabend. Vicky ist mehr als froh, den Arbeitstag hinter sich gebracht zu haben. Am Aufzug in ihrem Stockwerk checkt sie ihr Handy. Odette hat geschrieben und sich nach ihrem Wohlbefinden erkundigt. Und Simon. Er hat auch geschrieben. Er hat auf ihre Sprachnachricht geantwortet, dass er sie abholen werde. Im Aufzug hat sie keinen Empfang. Sie ist aufgeregt.
Als sie mit den anderen Mitarbeitern herausströmt, hält sie nach ihm Ausschau, kann ihn aber nicht ausmachen. Enttäuscht zieht sie das Handy aus der Strickjacke und will ihn anrufen. Sie läuft ein wenig die Straße rauf und hofft, dass er gleich den Anruf entgegennimmt. Tatsächlich hebt er sofort ab.
„Hey, Kleine“, sagt er sanft, und sofort strahlt Vicky übers ganze Gesicht.
„Hey“, haucht sie in den Hörer.
„Geht’s dir gut?“ will er wissen.
Vicky fängt an, von ihrem Tag zu erzählen und plappert frei