Crazy Love. Eva Kah

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Crazy Love - Eva Kah Crazy Love

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Selbstbewusstsein. Wenn ich mit Freddy nicht schon befreundet gewesen wäre, bevor wir sekundäre Geschlechtsmerkmale entwickelten, wäre das mit uns wohl eher nichts geworden.

      Also kurz und gut – ich hatte nichts mit Brüsten. Wir entschieden uns für das Bild, mit dem ich mich vor über sechs Jahren bei der orthopädischen Klinik beworben hatte. Das konnte so falsch nicht sein, mit der Bewerbung damals hatte es ja auch geklappt. Es zeigte mich professionell geschminkt und ausgeleuchtet vor hellblaugrauem Hintergrund, mit hochgestecktem Haar und gewinnendem Lächeln. Ich trug kleine Perlenohrstecker und eine weiße Bluse mit grünen Nadelstreifen. Die Frau auf dem Foto hatte vielleicht nicht allzu viel mit der realen Alltags-Icki zu tun, dafür wirkte sie aber so, als könnte sie jederzeit gut gelaunt aus dem Bild springen und energisch einen Rollstuhl zusammen klappen. Frisch und zupackend sah ich aus. Das sollte doch der ein oder andere Kerl auch anregend finden.

      Der Name kostete mich wieder längeres Nachdenken. Cool oder lustig, mysteriös oder einfach nur möglichst Aufsehen erregend? Ein Zitat aus einem Lieblingslied oder vielleicht den Rollennamen einer Hitchcock-Blondine? Das einzige, was ich garantiert nicht wollte, war mein realer Name. Fräulein „Angélique Krüger“ hatte mit dieser ganzen Dating-Geschichte nichts am Hut, die sollte ihre ziemlich jungfräulich weiße Weste bewahren dürfen. Freddy konnte mir in dieser Hinsicht nicht gerade mit leuchtendem Beispiel vorangehen – sie hieß bei luvjah seit Jahr und Tag schlicht und ergreifend Freddy.

      „Nenn dich doch einfach Ficki“, empfahl Freddy. „Oder gleich Ficki69.“

      Ich war selbstredend sehr empört. „He! Was soll man sich denn da denken?“

      „Na ja, im besten Fall finden die Kerle das super selbstironisch und sind erleichtert, dass sie nicht lange um den heißen Brei herumreden müssen.“

      „Und im schlechtesten Fall?“

      „Nehmen sie es ernst und packen gleich ihren Schniedelwutz aus. Dann weißt du aber wenigstens sofort, woran du bist.“

      Wir klickten uns zu Inspirationszwecken durch fremde Profile und stießen auf ein paar Regelmäßigkeiten. Erstens: Englisch fanden die meisten ziemlich gut, auch die, die es noch weniger konnten als ich. Zweitens: Zahlen gingen auch immer, ob als Geburtsjahrgang, satanische Anspielung, Körpermaße oder Liebesstellung. Davon wollte ich mir ein Scheibchen abschneiden, und glücklicherweise kam mir ein passender Geistesblitz.

      Einen Teil von Freddys Namensvorschlag beherzigte ich letztendlich doch. Ab sofort beglückte ich die unendlichen Weiten des Internets als

       TheHamsterette69.

      Das viele Herumdoktern an meinem neuen luvjah-Profil hatte so viel Akku gekostet, dass sich Schorschi nach dem Hochladen des Bewerbungsbildes in den Dämmerschlaf verabschiedete. Ich steckte ihn zuhause in die Aufladestation und hatte es am nächsten Morgen vor Arbeitsbeginn so eilig, dass ich ihn dort vergaß.

      Als ich von der Schicht nach Hause kam, spielte ich eine Weile mit meinem Hamster. Er absolvierte zuerst einen Halbmarathon in den Ärmeln meines Wohlfühl-Sweaters, dann knabberte er an meinem Fingernagel wie an einem riesigen Keks, den er mit seinen winzigen rosa Pfötchen kaum festhalten konnte. Er schaffte es, ein winziges Stück Klarlack abzusplittern. Natürlich schmeckte ihm der nicht besonders. Sein flauschiges weißes Fell sträubte sich vor Ärger, und seinen runden Knopfaugen war anzusehen, wie wenig Verständnis er für so eine Verarsche übrig hatte. So ein dummes, süßes Tier! Doof wie Brot, aber unwiderstehlich niedlich. Ich ging in die Küche, um ihm eine Karotte zu schälen.

      Ich hatte den Hamster noch in der Kapuze meines Sweaters sitzen, als mein Blick beim Karottenschälen auf den vergessenen Schorschi fiel. Ganz unschuldig steckte er da in seinem Ladegerät. Das Lämpchen blinkte unternehmungslustig. Ob inzwischen wohl schon eine Nachricht eingegangen war? Höchste Zeit nachzusehen! Ich brauchte eine Weile, bis ich das Ding wieder angeschaltet und die richtige PIN-Nummer eingegeben hatte. Dann kam der Schock: Nach Aufrufen der luvjah-Seite ergoss sich eine Kaskade an Kussgeräuschen über mich. Ein Kuss für jede eingegangene Nachricht. Nicht nur der ein oder andere Kerl fand zupackend-energische Frauen mit Perlenohrringen anregend – sondern genau einundvierzig. Einundvierzig! Ich ließ mich auf einen Küchenstuhl sinken, wobei ich fast den Hamster zerquetschte.

      Irre. Gleich die erste Nachricht bestand aus nichts anderem als der Zeile Ich mach’s dir, Herrin und einem Schwanzfoto. Einem ziemlich beeindruckenden Schwanz, aber schlecht ausgeleuchtet. Steif und rot wie eine Säufernase. Zur besseren Darstellung der Größenverhältnisse hatte der Besitzer eine leere Beck’s-Flasche daneben gehalten. Der Schwanz verdeckte aber geschickt das Etikett, so dass man nicht erkennen konnte, ob es eine 0,33- oder 0,5-Liter-Flasche sein sollte. Perfide! Danke, ich mag kein Pils, schrieb ich mit spitzen Fingern zurück.

      Ich las die nächsten zehn Mails und hörte bald auf, sie zu beantworten. Manchmal gab es mehr, manchmal weniger Text, aber die Grundaussage blieb immer gleich: Ich sollte irgendwelche Unterwerfungsfantasien befriedigen. Bist du die dominante Dame, die ich suche? oder Gerne würde ich Ihnen dienen… Das waren noch die Harmlosen. Die meisten schrieben eher so etwas wie Stopfen Sie mein Loch, ich möchte Ihren köstlichen Blasensaft kosten und Ihre strenge Hand spüren. Bei immerhin sieben von einundvierzig Nachrichten waren explizite Bilder angehängt. Fünf mit Schwänzen in verschiedenen Zuständen und sogar zwei Ganzkörperaufnahmen von knieenden Männern, einer gefesselt, geknebelt und mit verbundenen Augen, der andere im schwarzen Gummianzug, der nur seinen Schritt freiließ.

      Ich wusste nicht, ob ich schockiert oder amüsiert sein sollte. Dann trank ich den letzten verbliebenen Schluck Geburtstagsprosecco und entschied mich für Letzteres. Es stimmte also tatsächlich, die Leute kauften sich Smartphones, um sich gegenseitig Schwanzfotos zu schicken! Aber ich wollte ja keinen Sklaven, und wenn er noch so gut bestückt war. Die Idee mit dem energischen Bewerbungsfoto musste dringend überdacht werden. Soo zupackend war ich schließlich auch wieder nicht.

      Ein Gedanke stieg in mir auf. Wozu hatte mein neues Telefon eine eingebaute Kamera? Ich schnappte mir das Ding und knipste ein paar Mal mein Haustier, wie es auf mir herumkrabbelte. Einen Schnappschuss von meinen Haaren, die über den Hamster hingen und nahtlos in sein Fell übergingen, stellte ich gleich online. Sah wirklich süß aus, wie der Hamster da aus einem Zelt von Haaren hervor guckte. Er schaute verdutzt in die Kamera. Etwas unscharf zwar, aber das waren die meisten Fotos der Augenaufschlags-Blondinen ja auch. Einen Versuch war es wert.

      Tatsächlich meldete sich auf das Hamsterfoto erst einmal kein neuer Sklave. Ich lag schon im Bett und dämmerte gerade weg, als plötzlich ein lautes Schmatzgeräusch durch mein Schlafzimmer hallte. Ich brauchte ein paar Sekunden, bis mir klar wurde, was es damit auf sich hatte. Ein Kuss! Meine erste „richtige“ Nachricht war eingegangen! Hellwach griff ich nach meinem neuen Gerät, wischte mit dem Finger drüber und las:

       Liebe Hamsterette, wenn du weniger Haare auf den Zähnen als Haare auf dem Kopf hast, würde ich Dich gern näher kennen lernen.

      Das schrieb ein Mensch namens Steffen666. Hm. Nicht der intelligenteste Anmachspruch des Universums, aber auch nicht der allerentsetzlichste. Keine Rechtschreibfehler, keine ekligen Anspielungen, kein Foto von seinem Penis. Ich sah zur Sicherheit extra noch mal nach: Nein, kein Schwanzfoto. Fast war ich ein bisschen enttäuscht.

      Aber Hey, dafür war die Nachricht offenbar wirklich auf mich gemünzt und enthielt sogar eine objektiv feststellbare Portion Wortwitz! Ich öffnete kurz entschlossen das Antwort-Fenster und beschloss, auf derselben Ebene zurück zu schießen.

       Wenn Du in Wirklichkeit nicht der fünfzigjährige

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