Crazy Love. Eva Kah

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Crazy Love - Eva Kah Crazy Love

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merkwürdige Vogel war auch noch mit dem selten holprigen Namen Kaczmarczyk geschlagen. Wenn der sich irgendwo vorstellte, musste er immer erst mal zwei Minuten buchstabieren. Wohl deshalb sagte er kein Wort. Manchmal brummte er kurze englische Befehle, die sich aber an niemanden Speziellen richteten: „Turn left“, „Exit now“. Sonst war er scheinbar wirklich taubstumm.

      Der Ältere dagegen, der mit dem Mountainbike, konnte über jede Minute froh sein, in der ich ihn nicht erwürgte. Oder eine andere Schwester. Außer blöde Witze zu reißen konnte der gar nichts. Um die Aufmerksamkeit einer Schwester auf sich zu lenken, machte er sabberige laute Kussgeräusche. Ich war wirklich froh, den nicht auch noch nackt sehen zu müssen.

      Mir genügte, dass der Cyborg nicht mal beim Waschen seine Daddelbrille abnahm. Wahrscheinlich war ihm seine Hilflosigkeit mir gegenüber peinlich, oder er wollte nicht erkannt werden. Wegen seiner gigantischen Kniestreckschiene durfte er das Bett nicht mal verlassen, um sich zum Pinkeln zu schleppen. Davon abgesehen war er unter seinem Schlafanzug erstaunlich hot. Unauffälliger, aber eindeutig vorhandener Sixpack, lange, muskulöse Beine, starke Arme. Der musste vor seinem Unfall schon länger Fahrrad gefahren sein. Ein bisschen erinnerte er mich an einen Soldaten in den ersten Wochen der Grundausbildung. Einerseits schon extrem männlich, aber gleichzeitig noch kükenmäßig unbeholfen. Er trug die Haare sportlich raspelkurz, damit sie unter der komischen Brille keine Schwierigkeiten machten. Sie waren mausbraun und wirkten wie Maulwurfsfell. Eigentlich hätte ich gerne mal drüber gestreichelt, um herauszufinden, ob sie sich auch so anfühlten. Aber natürlich streichelt eine anständige Krankenschwester keine Patienten, deren Alter im zweistelligen Bereich liegt.

      „Ich radle übrigens auch gern“, plauderte ich beim Waschen, um den Cyborg ein bisschen aufzumuntern. „Und das mit Ihrem Knie, das wird schon wieder. Der Doc, der das operiert hat, ist echt eine Granate. Jedenfalls in dieser Hinsicht.“ Doch auch jetzt sagte er kein Wort. Er wurde nur ein bisschen rot unter seiner komischen Skibrille. Spooky. Aber man kann sich seine Patienten halt nicht aussuchen.

      Von einigen Patienten abgesehen ist aber alles paletti in meiner Klinik. Es wird nicht mit der Stoppuhr rumgerannt, und die Schichten kann man notfalls noch im letzten Moment ganz unbürokratisch tauschen. Bei uns sind auch die Kollegen super. Kleines Team, nette Schwestern, entspannte Ärzte. Zermatschte Motorradfahrer zu rekonstruieren ist halt dankbarer, als an Gehirnschlägen und Bauchtumoren herum zu werkeln.

      In meiner Klinik bin ich, was ich von meinem Privatleben nicht behaupten kann, in ein gut funktionierendes soziales Netz eingebunden. Regelmäßig kommt sogar Freddy vorbei, um meine Patienten zu quälen. Sie ist als Physiotherapeutin bei uns tätig. Wenn sich meine Schicht mit ihren Einsatzzeiten überschneidet, gehen wir zusammen Mittag essen oder drehen eine Runde im kleinen Klinikpark.

      So wie am Tag 0 unseres Experiments. Freddy war wild entschlossen, mich ebenfalls über diese App zu verkuppeln, wo sie ihre ganzen „Fickerles“ her hatte. Luvjah. Die mit dem hübschen Icon. Ja, ich lernte schnell – aber bei der Einrichtung des Profils musste mir Freddy assistieren. Ich hatte es ja kaum geschafft, mich ein paar Jahre zuvor bei Facebook anzumelden; und das ganz klassisch mit Maus und Dödeltastatur. Wir verbrachten also die Mittagspause auf einem abgelegenen Steinblock im Klinikpark, wo wir an einem möglichst unwiderstehlichen Profil für mich arbeiteten.

      „Gib nicht zu viel preis“, warnte Freddy. „Du willst ja interessant bleiben. Sonst guckt einer für zwei Minuten in dein Profil und weiß hinterher mehr über dich als deine Mutter. Oder ich. Oder du selbst! Ich hab mich zum Beispiel letzten Monat total gewundert, weil einer unbedingt mit mir äthiopisch Essen gehen wollte. Der hat da ein Mordsbohei drum gemacht, warum er das so gerne mag und dass er Urlaub in Namibia plant und so weiter. Bis ich dann rausgekriegt habe, dass er Zumba für eine afrikanische Musikrichtung hielt.“

      Ich warf ihr einen ratlosen Seitenblick zu. „Bin ich jetzt nicht mehr deine Freundin, wenn ich auch nicht weiß, was Zumba ist?“

      Freddy fiel vor Lachen fast vom Stein. „Du bist echt gut, du Obergurke“, japste sie. „Wird wirklich Zeit, dass wir dich in die Neuzeit rüberretten. Zumba! Das ist ungefähr der Sporttrend des Jahrzehnts. Sowas wie Aerobic mit südamerikanischer Musik.“

      „Versteh ich nicht. Warum gehen die Leute denn nicht einfach so Tanzen? Oder machen sich zum Aerobic Musik an? Reicht das nicht?“

      „Oh Icki, du hast ja im Grunde Recht. Zumba ist halt gerade hip, das ist alles. Aber egal. Missverständnisse reduzieren, gell? Also schreib besser nicht: Zur Entspannung mache ich Pilates, Schwimmen, Yoga und Zumba, sondern nur so was wie Bin sportlich.

      „Das wäre bei mir wohl auch noch zu weit hergeholt. Aber dass ich gerne Rad fahre, kann ich schon schreiben?“

      „Grundsätzlich schon. Musst du dich halt darauf einstellen, dass dich dann jemand fragt, wieso du kein Auto hast und wovon du eigentlich lebst. Es gibt sehr neugierige und leider auch sehr unfreundliche Leute da draußen. Aber denen musst du ja nicht antworten.“

      So vorgewarnt, füllte ich die Felder möglichst mystisch und zweideutig aus. Bei Interessen schrieb ich Enten im Park treten, Cocooning. Und bei Ich suche tippte ich Möglicherweise dich?

      Okay, nicht die Neu-Erfindung des kreativen Wortwitzes. Im Großen und Ganzen waren die paar Informationen aber schnell zusammengestellt. Wenn sich etwas nicht bewährte, konnte ich es später immer noch beliebig ändern. Ich wollte ja nicht direkt einen treusorgenden Ehemann, sondern erst mal was für Spaß und Ablenkung finden. Schwanzfotos sammeln. Bilder für meine ganz persönlichen Sex-Workshops. Ein paar Nägel für die Silberflinte. Doch wir hatten ein wichtiges Detail vergessen, bevor es ans Freischalten gehen konnte.

      „Ein Foto! Ich brauch doch noch ein Profilfoto!“, rief ich hektisch. „Was für eins nehm’ ich denn da?“

      „Irgendwas Hübsches natürlich“, seufzte Freddy. „Aber auch elegant, du bist ja keine Vierzehnjährige, die durch ihre Bikinifotos erst noch Selbstbewusstsein sammeln muss. Trotzdem muss das Bild auch Natürlichkeit ausstrahlen, sonst traut sich am Ende keiner ran. Hast du nicht was mit Busen?“

      Nein, das hatte ich nicht. Habe ich schon erzählt, dass meine Figur eher birnenförmig ist? Diese Birne steht richtig herum. Das dicke Stück ist unten. Nicht so wie bei Freddy, deren dickes Stück sich eher oben herum befindet. Oder besser: Die dicken Stücke. Mit ihren – pardon – Riesenmöpsen, die sie immer so aussehen ließen, als würde sie beim Laufen gleich nach vorne umfallen, hatte sie in der Östrogenlotterie das Riesenlos gezogen. Musste ich neidlos anerkennen.

      Sie selbst sah das natürlich anders und behauptete im Gegenzug sogar, sie würde mich beneiden. Weil man von A-Körbchen keine Rückenschmerzen bekäme und von den Männern zuerst einmal als Mensch und nicht ausschließlich als Wichsvorlage betrachtet würde.

      Aber genau das ist der springende Punkt. Oft hat es doch nur Vorteile, von Männern als Wichsvorlage gesehen zu werden. Jedenfalls so lange man nicht dringend eine ernsthafte Karriere in Wissenschaft und Forschung, einer Konzernleitung oder der Bundeswehr plant.

      Freddy muss nie irgendwo anstehen oder einen Tisch reservieren. Meistens muss sie noch nicht einmal Eintritt zahlen. Selbst in die überfüllteste Promi-Loge des Oktoberfestes wurde sie schon hinein gewinkt, nachdem der Türsteher in ihrem Ausschnitt beinahe das Bewusstsein verloren hatte. Im Dirndl sah Freddys Anatomie noch einmal mindestens doppelt so beeindruckend aus. Davon profitierte ich wie bislang von Max auch. An ihrer Seite kam ich einfach überall hinein. Nicht etwa, weil die Veranstalter, Kassenkräfte oder Securitykerle gern zwei scharfe Hasen statt nur einen rein ließen – sondern weil mich neben den Brüsten des

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