Crazy Love. Eva Kah

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Crazy Love - Eva Kah Crazy Love

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ja, dachte ich und ging schmunzelnd davon. Die hat er allerdings. Aber vielleicht nicht mehr ganz so viele wie vor zwei Stunden...

      Ich arbeitete in anderen Zimmern der Station weiter und dachte mir erstmal nicht viel dabei. Jeder hat mal einen schlechten Tag, und ich hatte halt mal den vom Herrn S. erwischt.

      Doch mit der Zeit schmerzte mich der Gedanke an das verlorene Vertrauen immer mehr. Besonders weh tat die Enttäuschung, die ich in den Augen von Herrn S. gesehen hatte. Ein so feiner, kultivierter Mensch, und der wollte nichts mehr mit mir zu tun haben. Warum denn? Etwa, weil er mir mein unzüchtiges Verhalten in der Besenkammer irgendwie angesehen hatte? Oder gar gehört…?

      Oh, oh! Wie mir in diesem Moment siedend heiß bewusst wurde, lag die Besenkammer tatsächlich direkt neben seinem Zimmer. Der Herr S. hatte wahrscheinlich wirklich etwas gehört. Und zwar wie die nette Schwester, die ihm immer den Espresso machte, es sich so richtig besorgen ließ. Gott, wie peinlich! In seinen Augen war ich tiefer gesunken als die Titanic, und das gerade in dem Moment, in dem er mir zaghaft etwas Vertrauen zu schenken begann. Leute wie er waren nicht an die Spitze der Gesellschaft geraten, weil sie so hemmungslos in der Gegend herumvögelten. Leute wie er besaßen etwas, das ich offensichtlich nicht mal mehr vom Hörensagen kannte: Selbstkontrolle.

      Ich schämte mich. Darüber würde ich ein bisschen länger nachdenken müssen. Gleich nach der Arbeit radelte ich direkt, noch im Kasack, auf Susi in den Ostpark.

      6

      Fliegedings

      Wenn man auf der für mich schönsten Bank im ganzen Ostpark sitzt – die zweite von links hinter der japanischen Brücke, gleich neben diesem romantischen Tümpel – hat man einen guten Blick auf die Wohnsilos von Neuperlach Süd. Das lässt sich gar nicht vermeiden. Wie ein Rudel gigantischer Duplosteine stehen sie da herum, einer grauer als der andere. Aus der Perspektive meiner Lieblingsparkbank werden die Hochhäuser nicht von den sanften, bewaldeten Hügeln des Parks verdeckt, sondern eher noch betont. Sie sind weit genug weg, um keine interessanten Details mehr preis zu geben, aber noch nahe genug dran, um den halben Horizont einzunehmen. Ein lieblich grüner Bilderrahmen für die grässlichsten Buden von ganz München.

      In dem Tümpel, der wohl ursprünglich als Idyll mit Schwänen geplant war, leben seit Jahren nur noch Algen. In dem neongrünen Wasser kann man große Schwaden aus Enten- oder Fischfutter erkennen. Ein paar trotzige Omas werfen das immer wieder von der japanischen Brücke aus hinein, obwohl für jedermann mit weniger als acht Dioptrien Kurzsichtigkeit sonnenklar ist, dass selbst die hungrigste Ente dieser Welt keine Schwimmhautspitze in diese Brühe stecken würde, geschweige denn ihren Schnabel. Das Wasser bildet leuchtende kleine Bläschen und es stinkt. Es reicht fast bis an die Beine der Bank.

      Trotzdem ist es meine Lieblingsparkbank. Denn weil sie eben mit dieser Aussicht und dieser Brühe geschlagen ist, bin ich dort fast immer allein. Die anderen Bänke im Ostpark sind gut besucht – vormittags Rentner, nachmittags trinkende Jugendliche, nachts Penner oder übrig gebliebene Jugendliche. Aber auf die Bank am Stinketümpel setzt sich keiner, man könnte ja hinein fallen.

      Immer wenn es in meinem Leben etwas nachzudenken gibt, komme ich hier her. Das mache ich schon seit meinem ersten Jahr in München so. Als ich meine Ausbildung antrat und der Tümpel noch ein tapferes Entenpaar beherbergte, hatte ich noch keine Wohnung mit Balkon. Um ehrlich zu sein, hatte ich das erste Jahr nur ein Zimmer zur Untermiete in einem dieser grauen Duplosteine von Neuperlach. Meine Vermieter, ein uraltes Alkoholikerpaar, waren ebenso schlimm wie die ganze hoffnungslose Atmosphäre im Hochhaus. Jede Minute floh ich auf meine Bank. Zum Lernen, Entspannen, Sonnen und eben Nachdenken. Zum Einfach-mal-alleine-Sein. Es tat mir gut, und ich behielt die Gewohnheit bei, als Max und ich ein Jahr später die Wohnung in der Orleansstraße fanden. Die neue Strecke war mit dem Fahrrad nicht viel länger als vorher die alte zu Fuß.

      Es war also kein Wunder, dass ich den Nachmittag nach dem kleinen Arbeitsunfall mit Ivan wieder auf meiner Lieblingsbank am Tümpel verbrachte. Bei einem kurzen Zwischenstopp zuhause hatte ich mir noch eine Tafel Praliné-Schokolade und für den Fall der Fälle auch einen Flachmann mit konzentriertem Wodka-Eistee-Gemisch eingepackt. Ich gedachte nicht eher aufzustehen, bis sich auf dem Grund des Gammeltümpels die Lösung all meiner Probleme herauskristallisierte.

      Schon auf dem Weg in den Park fühlte ich mich deutlich besser. Irgendwie freier. Eventuell lag es daran, dass ich Schorschi gleich ganz zu Hause gelassen hatte, um nicht durch die mistige Chatterei abgelenkt zu werden. Kein bimmelndes, küssendes, Dauerverfügbarkeit herauströtendes Gerät in der Tasche zu haben, ergab einen ganz frischen, unverstellten Blick auf die Welt. Denselben Blick, den ich noch sechs Wochen zuvor gehabt hatte: Aufmerksam, neugierig, mit Geduld und Gelassenheit für die fast unsichtbaren Details am Rande.

      Fünf Minuten später hatte ich mein Fahrrad an einen Baum gekettet und saß auf „meiner“ Bank am Tümpel in der Sonne. Ich schloss für eine Weile die Augen und atmete tief durch. Doch irgendetwas war an diesem Juninachmittag anders als sonst. Seit ich Platz genommen hatte, lag ein merkwürdiges Geräusch in der Luft. Es war ein an- und dann schnell wieder abschwellendes Sirren wie von einem besonders großen Insekt. Was ja im Juni keine Besonderheit bedeutet hätte, noch dazu an einem romantisch veralgten Tümpel wie diesem. Ich sah mich mehrmals nach einem geflügelten Blutsauger um, konnte aber keinen entdecken.

      Gleichzeitig streifte mich immer wieder ein leichter Luftzug, was mich nach einer Weile so irritierte, dass ich meine Strickjacke überzog. Unschlüssig aß ich ein Stück Schokolade. Irgendwie schmeckte sie nicht so gut wie früher. Gerade wollte ich in meiner Tasche nach dem Flachmann suchen und den unperfekten Geschmack mit Wodka herunterspülen, als das Sirren und der Luftzug stärker wurden. Sekunden darauf schoss von links oben ein großer dunkler Vogel auf mich zu, und ich warf mich ein wenig zur Seite und schlug instinktiv die Hände vors Gesicht, um meine Augen zu schützen.

      Doch nichts geschah. Auf einmal herrschten wieder Stille und strahlender Sonnenschein am Tümpel. Die Vögel zwitscherten im Gebüsch, wo sie hingehörten, Sirren und Luftzug hatten aufgehört. Vorsichtig richtete ich mich wieder auf und blinzelte zwischen den Fingern durch. Nichts. Erst als ich nach meiner Handtasche tastete, um auf den Schreck einen Schluck Kaffee zu nehmen, stießen meine Finger gegen etwas Hartes, Kantiges. Ich schrie erschrocken auf, beruhigte mich aber gleich wieder, nachdem ich hingesehen hatte:

      Neben mir auf der Parkbank war ein Spielzeughelikopter gelandet. Er war quadratisch, ungefähr vierzig Zentimeter lang und hübsch schwarz-rot lackiert. Eigentlich sah er nicht aus wie ein Helikopter, weil er vier Rotoren hatte, an jeder Ecke einen. Er stand auf vier geschwungenen Metallbeinen, die ihm etwas Lauerndes verliehen. Wie eine Art fliegende Spinne. Die doppelten Rotorflügel reflektierten die Sonne, waren aber bereits völlig zum Stillstand gekommen. Das ganze Fluggerät gab keinen Mucks mehr von sich, stand aber auf seinen vier Beinchen, als könnte es jederzeit wieder abheben. Neugierig nahm ich das ferngesteuerte Ding in die Hand, um es näher zu betrachten. Dabei hielt ich ihn aber etwas von mir weg, damit mir die Rotoren nicht plötzlich den Pony umfrisieren würden, wenn ihr Besitzer den Motor wieder in Betrieb nähme. Das Fliegedings war ziemlich schwer, bestimmt zwei Kilo, und fühlte sich stabil an. Ich erinnerte mich, vor Monaten eine Meldung über rasant gestiegene Absatzzahlen von fernsteuerbaren Spielzeughelikoptern gelesen zu haben. Das war er also gewesen, der Weihnachtsschlager 2013.

      Als ich das Ding herumdrehte, blitzte es weiß zwischen den Kufen. An einer winzigen, mit Sekundenkleber aufgeklebten Drahtschlaufe war dort eine Büroklammer eingehängt, und in der Büroklammer klemmte ein zusammengefaltetes Stück Papier. Eine Botschaft!

      Ich runzelte die Stirn. Wenn das ein Annäherungsversuch sein sollte, wäre es zugegebenermaßen ein ziemlich kreativer. Trotzdem war und blieb es ein Annäherungsversuch, noch dazu ein anonymer. Wenn der Typ mir nicht einmal sein

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