Die Winterkönigin - Ein historischer Roman. Maria Helleberg

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Die Winterkönigin - Ein historischer Roman - Maria Helleberg

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ja, klein bist du wirklich, aber das kann sich noch alles geben«, sagte er.

      Erst da wurde ihr klar, daß er sie noch gar nicht begrüßt hatte, ihr noch nicht einmal einen Kuß gegeben hatte. Er hatte sie behandelt wie ein Pferd, das er kaufen wollte.

      Die Tür ging auf. Die große Frau blieb in der Tür stehen.

      »Danke du deinem Gott, daß sie nicht krank ist«, sagte Vater mit dem Rücken zur Tür, er wußte offenbar, wer da stand. »Und hol ihre Sachen. Ich möchte auch Ingeborgs weißes Kleid sehen, wir werden es benötigen.«

      »Aber sie ist doch so viel kleiner«, wandte die Frau leise ein und schloß hinter sich die Tür.

      Margarete wußte das. Es war ihr größter Fehler: Sie war klein und dunkelhaarig. Vater liebte Ingeborg, die ihm so ähnlich sah. Ingeborg war hochgewachsen, üppig und stattlich.

      Als Ingeborg sechs Jahre alt war, konnte sie schon mit den Pferden umgehen, sie benutzte ihre Sporen, ihre Peitsche und vor allem ihren starken Willen. Margarete traute sich nicht, allein zu reiten. Wenn sie reiste, saß sie entweder zusammen mit einer der Frauen im Sattel oder in einem Wagen, der langsam durch die Landschaft schaukelte.

      Vater nahm ihre andere Hand und öffnete sie mit seinen langen rauhen Fingern.

      »Wie konntest du nur so klein und fein werden?« fragte er. »Man hat Angst, daß dich der nächste Windstoß umwerfen kann. Aber da irren wir uns bestimmt.«

      Dann küßte er ihre Stirn und griff in ihre Haare, die ungewaschen und schwer waren.

      »Wie ein Rabenkind«, sagte er mit einem Lächeln.

      Dann erhob er sich wieder, und seine Gedanken richteten sich auf etwas anderes. Sie blieb in ihrem Hemdchen auf dem Tisch stehen und fror, traute sich aber nicht, die Decke aufzuheben, um sich darin einzuwickeln.

      Den ersten Tag der Reise schlief sie fast die ganze Zeit, obwohl sie im Arm der großen Frau lag, deren Namen sie immer noch nicht kannte. Die Frau sprach die ganze Zeit über, aber nie mit ihr. Das wunderte sie nicht besonders, so behandelten sie fast alle. Also konnte sie auch genausogut schlafen.

      Sie ließ sich tragen und bewegen wie ein kleines Paket, und es war ihr gleich, wo die Reise hinging. Wenn sie angekommen waren, würden ihre Kleider und Spielsachen ausgepackt werden, wie immer. Eigentlich war es gut, endlich von Vordingborg weg zu sein, wo sie die ganze Zeit nur allein gewesen war.

      Sie schreckte auf, als ihr Vater angeritten kam. Ohne jede Ankündigung nahm er sie aus den Armen der namenlosen Frau. Er hielt sie viel zu fest und drückte ihr die Brust zu. Sie wollte sich beklagen, wußte aber genau, daß es nichts nützen würde. Wenn er unterwegs war, trug er immer diese schuppige Rüstung, die aus vielen kleinen Eisenteilen bestand. Sogar sein Arm und seine Handschuhe waren aus Eisen, das sich kalt durch ihre Kleider drückte. Die Kälte ging ihr durch Mark und Bein.

      Während er vom Pferd abstieg, hielt er sie weiter fest im Arm. Steifbeinig erklomm er die Treppen eines Turmes und stellte sie oben auf einem Tisch ab, so wie er es auf Vordingborg getan hatte. Fremde Menschen nahmen ihm seinen Mantel ab und fingen an, das ganze Eisen von seinem Körper zu lösen, so daß er langsam wieder begann, ihrem Vater zu ähneln. Aber sie kannte ihn ja. Er sah ihr in die Augen, die Tür stand offen, und das Licht fiel herein, funkelnde Sonnenstrahlen.

      »Du bist doch nicht mehr krank?« fragte er, und sie wußte, daß es auf diese Frage nur eine Antwort gab. Endlich hatte er sich von seiner Rüstung befreit und kam zu ihr. Er war so groß, daß sie ihn nur umarmen konnte, wenn sie auf einem Tisch stand.

      Er löste ihre Umarmung und nahm ihr Kinn in seine Hand.

      »So klein, wie du bist. Auf dich müssen wir gut aufpassen. Eberstein hat einen Boten geschickt, der Ingeborgs schönstes Kleid bringen soll. Sie sind gerade dabei, es für dich umzunähen. Übermorgen sind wir in Kopenhagen. Du sollst heiraten, mein Mädchen. Ich kenne keine, die so jung geheiratet hat. Wir wollen hoffen, daß sich die Schweden zufriedengeben mit einer, die so klein ist.«

      Sie sah ihm die ganze Zeit in die Augen, um zu verstehen, was er sagte. Aber dann schwieg er, lächelte und streichelte ihr mit der Hand über das Gesicht. Seine Hand war so groß, daß sie ihr ganzes Gesicht bedeckte. Eberstein, dachte sie, wer ist das? Ein großer, rauher und kalter Stein. Wie die Hand ihres Vaters.

      Auf einmal war Vater wieder fort, und sie stand auf dem Tisch und wußte nicht, ob sie dort stehenbleiben oder hinunterklettern sollte.

      Vater war größer als alle anderen, und sie hatte noch keine Tür gesehen, die groß genug war für ihn. Er mußte sich immer vornüberbeugen, und dann sah man seinen Kopf mit dem hellen lockigen Haar. Seine Haare und Augen waren wie die von Ingeborg, Margarete hingegen ähnelte ihrer Mutter. Das war ihr größter Fehler. Wenn sie Ingeborg und ihrem Vater ähnlicher sehen und schneller wachsen würde, würde alles anders sein. Mit Ingeborg redete er wie mit einer Erwachsenen.

      Zeit verstrich, und keiner kam. Sie sprang vom Tisch und ging zu der geöffneten Tür. Draußen schien immer noch die Sonne, aber es war kalt, und darum ging sie nicht weiter, sondern blieb in einer windgeschützten Ecke stehen und sah hinunter auf die Wiese.

      Dort unten war Kristoffer! Auf Vordingborg hatte sie ihn so sehr vermißt, und hier war er plötzlich. Sie wollte sofort zu ihm hinunterlaufen. Aber er stand mit Vater zusammen, hielt seinen Helm in der Hand. Nicht den großen Turnierhelm, sondern den, den er beim Training aufhatte. Dazu trug er den zerschlissenen braunen Brustpanzer aus Leder, der viel zu groß für ihn war.

      Sie setzte sich auf die oberste Stufe der Treppe, wo die geöffnete Tür ihr Windschutz bot, und sah hinunter auf ihren Vater und Bruder. Kristoffer war wie sie, zu klein und schwach, um wirklich von Nutzen zu sein. Jede Krankheit erwischte ihn, und er wuchs einfach nicht. Doch jetzt, in seinem Panzer und mit dem Schwert, sah er Vater sogar ähnlich.

      Sie hatte einmal einen Mönch beobachtet, der das Bild eines Königs auf eine Kirchenwand malte. Er war stolz auf sein Bild, bis Vater an seine Seite trat und ihn fragte, ob er noch nie zuvor einen richtigen König gesehen habe. Das Bild zeigte einen kleinen dünnen Mann mit einer Krone. Ihr Vater trug nie eine Krone. Sie zweifelte sogar daran, daß er eine besaß. Die Würde eines Königs sei auch ohne Krone spürbar, hatte er dem Mönch erklärt, und so müsse ein König auch gemalt werden.

      Warum sollte eigentlich Kristoffer nicht zuerst heiraten? Er war viel älter als sie, wenn auch nicht viel größer. Sie kannte niemanden, der mit sechs schon verheiratet war. Vielleicht würde sie von zu Hause wegziehen müssen. Vater und Mutter waren verheiratet, aber sehr selten zusammen. Und das war auch gut so.

      »Da hockst du hier und frierst!« kam eine laute Stimme von unten. Die große Frau raffte ihre Röcke und beeilte sich, die Stufen hinaufzulaufen. Sie wollte nicht schon wieder getragen werden und machte einen Schritt rückwärts in den Turm hinein.

      »Ich bin nicht krank, und ich kann selbst gehen«, sagte sie zornig, »und wer bist du?«

      Die große Frau starrte sie an mit ihren kugelrunden Augen.

      »Du bist also wieder ganz gesund, wie ich höre«, sagte sie und verbeugte sich. »Ich bin Margarethe von Eberstein, und dein Vater hat mir die Verantwortung für deine Person übergetragen.«

      Meine Person, dachte Margarete. Das hätte Vater niemals so gesagt. Sie schritt an dieser Eberstein vorbei die Treppe hinunter. Im Eingang des Turms blieb sie demonstrativ stehen und schaute zu ihrem Vater und Kristoffer. Ihr Bruder hatte

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