Die Winterkönigin - Ein historischer Roman. Maria Helleberg

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Die Winterkönigin - Ein historischer Roman - Maria Helleberg

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Kristoffer die Möglichkeit bot, sich zu verteidigen. Es war ein zäher Kampf, und Kristoffer schwitzte, schimpfte laut, sank nieder und stützte sich auf das Knie. Mit einer Hand strich er sich den Schweiß aus der Stirn, während er das Schwert mit der anderen zitternd festhielt.

      Eberstein war ebenfalls die Treppe hinuntergekommen und stellte sich schwer schnaufend hinter Margarete. So war sie wenigstens schön windgeschützt, wenn sie sich gegen deren dicke Beine lehnte.

      Vielleicht sollte ein Turnier zu ihrer Hochzeit stattfinden. Vielleicht hatte Vater deshalb begonnen, mit Kristoffer zu üben. Das letzte Mal hatte er aus lauter Wut das Schwert von sich geworfen, so daß es sich in die weiche Erde bohrte und vibrierte. Das war auf Vordingborg gewesen.

      »Warum heiratet Kristoffer nicht zuerst?« fragte sie Eberstein, die von dieser Frage überrascht wurde.

      »Der König entscheidet für seine Kinder«, antwortete Eberstein. Es war deutlich, daß dies nicht die richtige Antwort war, aber daß sie irgend etwas sagen mußte, um Margarete die Antwort nicht gänzlich schuldig zu bleiben. So war es mit fast allen Erwachsenen. Sie glaubten immer, daß sie die Wahrheit nicht verstehen würde.

      Sie wurde in den Saal mit den spitzen Fenstern gebracht. Der Raum kam ihr bekannt vor, aber wo genau sie war, wußte sie nicht.

      Als erstes fiel ihr der gedeckte Tisch auf. Es sah so aus, als würde sie heute auch mit ihren Eltern und nicht nur mit Eberstein essen. Im Halbdunkel sah sie eine Frau. Es war ihre Mutter.

      Fast ein Jahr war es her, daß sie sich gesehen hatten. Voller Schmerz und Verwirrung erinnerte sie sich an ihre Abreise damals: ein dunkler Abend, Fackeln und Geschrei, große Pferde, die ihr angst machten, und ihr Vater, der sie hochhob und einem Reiter aufs Pferd setzte.

      Das war die Nacht, in der ihre Geschwister starben.

      »Geh schon rein«, sagte Eberstein und gab ihr einen kleinen Schubs. »Deine Mutter ist wieder gesund«, fügte sie hinzu, »geh hinein und begrüße Königin Helvig.«

      Trotzdem traute sie sich nicht sofort, zu ihrer Mutter zu gehen.

      »Geh und begrüße deine Mutter, und denk daran, dich tief zu verbeugen«, flüsterte Eberstein.

      Etwas zögerlich ging sie endlich über den Fußboden, an den sie sich auch noch erinnern konnte: schöne Steine mit Bildern von Löwen und Lilien. Hier war sie gewesen, bevor sie nach Vordingborg gebracht wurde. Wie konnte sie das nur vergessen haben?

      Ihre Mutter saß an der Mitte des Tisches. Sie war allein im Raum. Mutter sah kaum anders aus als früher, immer noch schmächtig und zerbrechlich und vollkommen von Kleidern umhüllt. Nur ihr Gesicht und die Hände waren nackt. Das Gesicht war blaß und schmal, mit ganz dunklen Augen und einem kleinen runden und bemalten Mund.

      Schließlich wagte Margarete es doch, die letzten Schritte zu ihrer Mutter zu gehen. Sie umrundete den Tisch, näherte sich vorsichtig und verbeugte sich, so wie Eberstein es immer machte, in gutem Abstand.

      »So schön bist du geworden«, sagte ihre Mutter. »Bist du meine tote oder meine lebende Margarete?«

      Margarete war nach ihrer verstorbenen großen Schwester und ihrer ebenfalls verstorbenen Tante benannt worden, aber ihre Mutter mußte doch sehen können, daß sie lebte. Margarete hatte auch ganz vergessen, daß ihre Mutter so eine merkwürdige Stimme hatte. Alle Erwachsenen konnten sich hinter Worten verstecken, die man nicht verstand. Vater hatte ihr beim letzten Mal, als sie sich hier sahen, versprochen, ihr Deutsch beizubringen. Doch dann passierte all das andere, und dann kam Vordingborg. Mutter und Vater sprachen nur dänisch, wenn sie zusammen waren.

      »Wie groß du geworden bist«, sagte ihre Mutter. Das weiße Kopflinnen war straff über ihre Wangen und ihre Brust gezogen, und auf ihrem Scheitel prangte ein großer schwarzer Ring, der das schwarze Übertuch zusammenhielt. Dies fiel über ihre Schultern, so daß sie aussah wie eine Nonne. Wenn man nahe genug bei ihr stand, konnte man sehen, daß der Ring wie eine Krone geformt war. Sie hätte so gerne diese merkwürdige Krone berührt.

      »Setz dich zu mir«, sagte ihre Mutter, deren Hände immer noch unbewegt auf dem Tisch lagen, links und rechts von dem Teller. Sie sah aus wie eine Holzstatue.

      Margarete mußte ihre Mutter berühren, streckte ihre Hand aus und legte sie vorsichtig neben die kleine erwachsene Hand mit all den Ringen an den Fingern.

      »Nein! Laß mich!« zischte Helvig, zog aber nicht die Hand, sondern den Blick fort.

      Margarete gehorchte sofort und setzte sich.

      Kristoffer hatte versucht, es ihr zu erklären. »Unsere Mutter ist krank«, hatte er gesagt, »darum hat Vater sie fortgeschickt.« Das war in der Nacht, in der die Zwillinge starben. Aber das waren für sie nur Worte. Sie verstand es nicht.

      »Ich habe so lange darauf gewartet, dich wiederzusehen«, sagte ihre Mutter. Margarete sah sie an und versuchte ihren Blick einzufangen, aber es war, als ob die schmalen dunklen Augen keinen Blick mehr hatten.

      Genau hier war es geschehen. Sie wollte sich um keinen Preis daran erinnern, aber es war genau hier geschehen.

      Die Tür ging auf, und ihr Vater und Kristoffer kamen herein, begrüßten Helvig und setzten sich. Dann wurde das Essen aufgetragen, ein Gang nach dem anderen. Sie hatte noch nie zuvor nur mit ihren Eltern und Kristoffer gegessen. Es war sehr still. Kristoffer schnitt ihr Essen in kleine Stücke und probierte jeden Gang zur Sicherheit vorher, denn sie war sehr wählerisch. Sie weigerte sich, Rote Bete zu essen. Darum würgte er sie an ihrer Stelle hinunter.

      »Vielleicht wächst man von Roter Bete«, flüsterte er ihr zu. Das wäre sehr gut, dachte sie, dann wäre Vater bestimmt zufrieden mit ihm. Dann könnte er ja auch heiraten.

      Es war nicht gern gesehen, daß die Kinder beim gemeinsamen Essen laut am Tisch miteinander sprachen. Aber sie hatten sich so lange nicht gesehen, daß niemand sie wegen dieses Verstoßes zurechtwies. Kristoffer gratulierte ihr zu ihrer bevorstehenden Hochzeit.

      »Hat Vater daran gedacht, dir zu erzählen, wen du heiraten wirst?« fragte er, während er seine Pastete aß. Sie schüttelte den Kopf. Darüber hatte sie noch gar nicht nachgedacht, es war doch ohnehin schon alles abgemacht.

      »Kannst du dich an Håkon erinnern?« fragte er leise. »Meinen Freund Håkon? Er ist viel größer als ich und auch älter. Blankas Håkon«, fügte er hinzu.

      Wie sollte sie sich an ihn erinnern? Menschen kamen und gingen. Sie erkannte sie, wenn sie sie wiedertraf, aber Namen allein sagten ihr nichts. So war es auch mit Kristoffers Geschichte über die toten Zwillinge und die Krankheit ihrer Mutter. Sie wußte schon, worüber er sprach, aber für sie, in ihr, sah es ganz anders aus.

      Sie hatte ihre Mutter gesehen, halbnackt, ihre langen schwarzen Haare hingen ihr wie Schlangen auf Schultern und Arme. Sie hatte ein totes nacktes Baby herumgetragen. Sie hatte es im Arm hin und her geschaukelt. Das Kind hatte keinen einzigen Laut von sich gegeben. Auf dem Boden hatte das andere Kind gelegen, klein und still.

      Zuerst hatte sie gedacht, es seien Puppen. Doch nein, es waren ihre neugeborenen Geschwister, sie hatte sie in der Wiege liegen sehen, zwei kleine Jungen. Sie hatten schon Namen erhalten, waren getauft worden und waren also zwei kleine christliche Menschen, die man berühren durfte. Doch auf einmal lagen sie auf dem kalten Boden, oder Mutter trug sie umher. Aus ihrem Mund war ein seltsamer, schriller Laut gedrungen, sie war umhergelaufen und hatte gestampft, aber nur mit dem rechten Fuß, und sie hatte mit sich selbst in einer

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