Die Winterkönigin - Ein historischer Roman. Maria Helleberg
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»Wir können das Kleid soviel enger und kürzer machen, wie wir wollen, aber wir werden es nie wieder auftrennen können«, sagte Eberstein und drehte sie zwischen ihren Händen hin und her. Das brachte sie zum Lachen, und sie gab sich selbst noch ein bißchen Schwung und drehte sich immer schneller. Sie versuchte, sich die Augen zuzuhalten, konnte ihre steifen Arme aber nicht hochheben. Die Frauen griffen erschrocken nach ihr und brachten sie zum Stehen.
»Herrgott, Mädchen, sei doch vorsichtig! Sieh mal, schon ist eine der Perlen abgefallen!« riefen sie alle gleichzeitig und hielten sie fest. Ihr wurde das Kleid vom Körper gezerrt. Das fühlte sich an, als ob sie gehäutet werden würde, sie jammerte und wehrte sich nach Kräften.
»Sie ist so klein«, sagte eine der Frauen.
»Und das schwarze Haar sieht so ganz anders aus auf dem weißen Kleid«, sagte eine andere.
»Wie ein Rabenkind«, sagte die dritte.
Das sagte ihr Vater immer zu ihr, wenn er ihr über das Haar strich. Ihres hatte dieselbe Farbe wie das Haar ihrer Mutter. Doch das hatte sie seit dem Tod der Zwillinge nicht mehr gesehen. Und daran wollte sie sich auch nicht erinnern, nie mehr.
Das alte, vertraute Wollkleid wurde ihr wieder angelegt, ihr Haar wurde gekämmt und geflochten. Nun sah sie überhaupt nicht mehr aus wie eine Königstochter. Sie sah aus wie ein Kind von einem Jedermann.
Sie erkannte den Geruch einer Stadt schon von weitem. Burgen hatten keinen Geruch, nur der Wallgraben. Und Klöster dufteten. Aber Städte sandten einen scheußlichen Gestank aus, eine Mischung aus allerlei übelriechenden Essenzen. Sie war sich sicher, daß die Burgen deshalb etwas außerhalb der Städte und für sich allein standen. An Riberhus konnte sie sich gut erinnern, dort hatte es ihr am besten gefallen. An Kopenhagen konnte sie sich zwar nicht mehr erinnern, als sie aber in die Stadt ritten, fiel ihr doch eine Sache wieder ein: Der Gestank dieser Stadt hatte noch zusätzlich einen besonderen Geruch, sie roch nach Fisch. Nach Hering und Salz. Dieser Geruch war bis in die Burg vorgedrungen und hatte sich überall festgesetzt, sogar in den Bettlaken.
Nun regnete es auch noch in Strömen, und das Wasser tropfte nur so von Reitern und Pferden herab. Sie fing an, sich nach Vordingborg zurückzusehnen, vor allem als Eberstein sie auszog und wieder nach Spuren einer gefährlichen Krankheit untersuchte. Es war feucht und kalt in dem Raum.
Am nächsten Morgen erkannte sie, daß es weder ein rauschendes Fest noch ein Turnier geben würde. So etwas fand wohl nur bei richtigen Hochzeiten statt, sie sollte ja nur verlobt werden, wie man ihr inzwischen erklärt hatte. Ihre Eltern ließen sich nirgends blicken, überhaupt schien keiner so richtig Verwendung für sie zu haben, also schlenderte sie ziellos umher. Die Burg war so viel kleiner als Vordingborg, gleichzeitig waren aber viel mehr Menschen hier, die alle geschäftig umhereilten.
Es müßten doch eigentlich Gäste gekommen sein, dachte sie, jemand müßte doch mit ihrem Vater besprochen haben, daß sie verlobt werden sollte. Warum hätten sie denn sonst Ingeborgs Kleid umnähen sollen? Jemand müßte doch gekommen sein, um sie zu sehen. Aber für sie interessierte sich im Moment offensichtlich kein Mensch.
Kristoffer war nirgendwo zu finden, also ging sie in die Kapelle, in der es wie immer ganz still war. Es gab keine Stühle und Bänke dort, aber sie konnte sich in eine Fensternische setzen. Von dort würde sie auch sofort sehen können, wenn Vater kam. Er war auf der Burg, das hatte sie an dem Löwenbanner erkannt, das auf dem höchsten Turm im Wind wehte.
Aber kaum hatte sie sich eine Nische ausgesucht, als auch schon ein großer, weiß gekleideter Mann mit Tonsur auf sie zugestürzt kam.
»Kannst du da wohl rauskommen!« schrie er. »Jetzt ist hier schon wieder eines von diesen Wendenkindern. Die muß hier weg, sonst haben wir wieder überall Läuse!«
Ein zweiter Mönch kam angerannt. Er hatte seine Kutte mit beiden Händen hochgehoben, und Margarete konnte einen Blick auf seine behaarten Beine erhaschen. Auch er brüllte wütend: »Raus mit dir, du Bettelkind!«
Sie rührte sich nicht von der Stelle. Das war ihr Haus, ebenso wie es das Haus ihres Vaters war. Er hatte ihr einmal erklärt, daß die Kirche ein Ort für alle sei. Alle wären dort willkommen, vom König bis zum Bettler. Die Burg war das Haus des Königs, aber die Kirche war das Haus Gottes und offen für alle. Das verstanden sie bestimmt nicht, diese dummen Mönche. Der eine ergriff ihren geflochtenen Zopf und zerrte sie daran hinter sich her. Sie wehrte sich, machte sich schwer und ließ sich über den Boden schleifen. Der Schmerz auf der Kopfhaut betäubte alles andere, sie schloß die Augen und versuchte nicht zu schreien. Sie trat wild um sich und griff mit ihren kleinen Händen nach der Kutte des Mönchs.
»Was ist denn hier los?« fragte eine Frauenstimme. Die Tür stand sperrangelweit offen, und der kalte regnerische Wind schlug Margarete entgegen. Endlich wagte sie es, ihrem Schmerz nachzugeben und zu schreien. Die Tränen flossen ihr die Wangen hinunter. Der Mönch ließ sie los, und sie fiel auf die Knie. Was für eine Erleichterung! Mit gepeinigtem Blick sah sie zu Eberstein hoch, die den ganzen Türrahmen ausfüllte. Verglichen mit ihr waren die Mönche kleine Buben, die jetzt vor Scham erröteten.
»Wir dachten, sie sei von unten aus der Stadt«, stammelten sie. Margarete stand auf und legte beide Hände auf ihren Kopf. Es fühlte sich an, als wären Kopf und Gesicht zum Zerreißen gespannt. Eberstein zog sie zu sich und legte ihre großen weißen Hände auf ihre Schultern.
»Dies ist das Königskind, König Håkons Verlobte«, sagte sie. »Seht genau hin, und prägt euch ihre Gesichtszüge ein. Wenn ihr einst Äbte sein werdet, ist sie die Königin von Norwegen. Seid froh und dankbar, daß ich nicht vorhabe, dem König von eurem Fehltritt zu berichten.«
Das schöne weiße Kleid wurde ihr angezogen, und danach wurde sie vom Ankleidetisch auf den Boden gesetzt. Dort stand sie ganz still, während ihr Haar gekämmt und mit einem Blumenkranz geschmückt wurde. Es war kein gewöhnlicher Blumenkranz, stellte sie fest. Er war mit Stahldraht geflochten, so daß er sich nicht auflösen und herabfallen konnte. Aber es war auch nicht der Kranz aus der Domkirche, den Ingeborg damals getragen hatte. Vielleicht würde sie den zur Hochzeit tragen dürfen.
Auch die Festlichkeiten enttäuschten sie sehr. Eberstein begleitete sie in den großen Festsaal, und alle erhoben sich, als sie hereinkam. Aber es gab weder Musik noch einen Bräutigam. Da sie ihre Arme nicht beugen konnte, blieb ihr nichts anderes übrig, als still neben ihrem Vater zu sitzen, der ihr das Essen in kleine Stücke schnitt und sie wie ein Baby fütterte.
Das hier entsprach so überhaupt nicht ihren gespannten Erwartungen.
Das einzig Spannende war, wie sich Eberstein vor ihrem Vater verneigte. Sie verneigte sich so tief, daß man ihre großen weißen Brüste sehen konnte, die von dem zur Seite fallenden Halstuch entblößt wurden. Ihre Brüste sahen aus wie riesige weiße Tauben. Als sie sich wieder aufrichtete, schaute sie ihm in die Augen. Margarete folgte ihrem Blick und beobachtete das Gesicht ihres Vaters. Seine Wangen waren gerötet, und sein Mund stand offen. Aber er sagte nichts. Statt dessen griff er unbeholfen nach seinem Becher und stieß ihn dabei um. Er war leer und wurde sofort von einem Diener mit Wein gefüllt. Schnell