Die Winterkönigin - Ein historischer Roman. Maria Helleberg

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Die Winterkönigin - Ein historischer Roman - Maria Helleberg

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bekam ein Glas Wein mit Wasser verdünnt und mit Honig gesüßt. Plötzlich trat ein Mann an ihre Seite und las laut einen langen Brief vor. Danach tat ihr Vater das gleiche, und zum Schluß wurde ihr ein Ring überreicht. Da dieser aber viel zu groß für sie war, verwahrte ihn Vater in einem kleinen Kästchen. Schließlich zeichnete er den Brief mit seinem Siegel, und der Fremde tat es ihm nach.

      Mutter saß still an der Tafel und aß nur wenig. Vater wachte die ganze Zeit über ihre Bewegungen. Sie achteten nicht auf Margarete, die Kristoffer am anderen Ende des Tisches zuwinkte. Er lächelte und winkte zurück, obwohl er immer ängstlich darauf bedacht war, nicht zu jung und kindlich zu wirken, wenn fremde Menschen dabei waren.

      Die Stimme ihres Vaters weckte sie auf. Er war wütend. Sie erinnerte sich langsam, wo sie waren und daß sie nun verlobt war. Und trotzdem hatte sich nichts geändert.

      »Ich lasse dich nicht gehen«, sagte er. Er mußte ganz in der Nähe sein, und sie machte sich ganz klein und versteckte sich unter den Decken. Sie standen mitten im Zimmer, Vater und Mutter. Ihre Mutter trug ein langes weißes Nachtkleid, ihr Vater war nackt.

      »Ich lasse dich nicht wieder davongehen«, sagte er, während er versuchte, sie in den Arm zu nehmen. Aber sie wand sich aus seiner Umklammerung, schlug stumm und verbissen nach ihm. Er drehte ihr beide Arme auf den Rücken, und sie sank mit einem merkwürdigen, halberstickten Laut auf die Knie. Er kniete sich neben sie, und seine langen weißen Arme umschlangen sie.

      »Ich lasse dich nicht gehen«, wiederholte er. »Es gibt nichts, was ich nicht kann. Es gibt keinen, den ich nicht erreichen kann.«

      »Ja, Eberstein hast du auch erreicht«, sagte Margaretes Mutter und warf ihren Kopf nach hinten. Ihr langes schwarzes Haar floß über den Steinfußboden, und sie ließ sich nach hinten auf den Rücken sinken. Mit ausgebreiteten Armen lag sie da, ihren Kopf warf sie von einer Seite auf die andere und lachte dabei. Er legte seine Hand auf ihren Mund und sagte ihr, sie solle leise sein. Er streckte sich neben ihr aus, legte eine Hand um ihren Nacken und zog sie zu sich heran. Leise flüsterte er auf sie ein, während heftige Zuckungen und Stöße durch ihren Körper gingen. Zum Schluß zuckten nur noch ihre kleinen nackten Füße.

      Dann hob er sie hoch und trug sie zum Bett. Sie mußte schwerer sein, als sie wirkte, denn er ließ sie ins Bett fallen.

      »Aber ich will keine toten Kinder mehr haben«, sagte er dann, drehte sich um und ging zur Tür hinaus. Einen Augenblick später war es wieder ganz still.

      2.

      Wie eine geschlossene Front kamen sie auf sie zu. Sie erkannte nur Eberstein, die allerdings hinter den beiden schritt, als hätte sie keinerlei Bedeutung. Das verhieß nichts Gutes. Es trat dann jedoch Eberstein zu ihr, verneigte sich und fragte, ob sie Zeit habe, die beiden Gäste zu begrüßen. Sie kämen von ihrem Herrn.

      Sie liebte dieses Wort, schließlich war es das einzige, was sie von ihm besaß. Håkon hatte sie noch nie gesehen, und das schöne Kleid war gleich nach der Verlobung weggeschlossen worden. Sie würde es wohl nie wieder tragen. Die ganze Verlobung hätte auch ein Traum gewesen sein können, wenn nicht ihr Vater ständig ihren Herrn in der Ferne erwähnen würde. Håkon war in Norwegen, ihr Vater auch, und in Schweden herrschte Krieg. Mehr wußte sie auch nicht. Die Verlobung hatte aber auch etwas Gutes nach sich gezogen. Jeden Tag wurde sie nun von einem Mönch aus Roskilde unterrichtet, der ihr beibrachte, Dänisch zu lesen und zu schreiben.

      Die zwei Fremden betrachtete sie sehr eingehend, denn wenn sie eines Tages nach Norwegen kommen würde, wären sie auch dort. In den ersten Tagen nach der Verlobung hatte sie alle Leute, auf die sie traf, gefragt, ob sie nach Norwegen fahren oder von dort kommen würden, doch alle hatten nur verneinend mit dem Kopf geschüttelt. Darum fragte sie auch dieses Mal die große schlanke Frau, die sich vor ihr verneigte, ob sie aus Norwegen käme – allerdings mit wenig Hoffnung, eine positive Antwort zu bekommen. Im Gesicht der Frau erwachte etwas, sie schien nicht auf eine Frage gefaßt gewesen zu sein. Sie blieb in der Hocke sitzen und sah Margarete fest in die Augen, ohne den Blick zu senken. So sah ihr Vater sie an, wenn er glaubte, einer Lüge auf der Spur zu sein. Seinem Blick konnte sie nie standhalten.

      »Nein, ich komme aus Schweden, aber wir sind im Gefolge von Königin Blanka auf dem Weg nach Norwegen«, antwortete sie. »Sie hat mir die Aufgabe zugedacht, Ihre Hausverwalterin zu sein. Wir werden gemeinsam nach Norwegen reisen.«

      »Wie heißen Sie?« fragte Margarete. Namen hatten vor der Verlobung keinerlei Bedeutung für sie gehabt. Sie selbst war immer sie selbst gewesen. Vater war Vater und Mutter war Mutter gewesen. Nun hatten sie alle auf einmal Namen erhalten: Valdemar, Helvig, Håkon. Und sie war mit einem Schlag zu Margarete geworden.

      »Ich bin Merete Ulfsdotter«, antwortete die Frau. »Mein Vater war Ulf Gudmarsson, Stadtvorsteher in Östergötland, und meine Mutter ist Birgitta Birgersdotter aus Finsta. Aber ich komme nicht in eigener Angelegenheit zu Ihnen. Ich bitte Sie, meinen Schwager zu empfangen und anzuhören.«

      Margarete sah ihr in die Augen: Diese große, erwachsene Frau hatte sie um einen Gefallen gebeten. Frau Merete hatte weder Vater, Mutter noch den Kanzler gefragt. Statt dessen war sie zu ihr gekommen. Sie wandte ihren Blick dem Mann zu, der etwas abseits gewartet hatte. Er kam näher und sank auf sein Knie.

      Sie erkannte sofort, daß ihm dies Schwierigkeiten und Schmerzen bereitete. So hatte sich ihr Vater bewegt, als er aus Jütland wiederkam, wo er im Kampf verwundet worden war. Sie streckte ihre Hand aus und berührte sein Knie.

      »Sind Sie verletzt?« fragte sie ihn.

      Seine Augen leuchteten auf, und er lächelte, ergriff ihre Hand und küßte ihre Finger.

      »Nein, kleine Königin, aber ich habe jetzt eine ganze Woche im Sattel gesessen, auf der Flucht vor meinen Feinden in Schweden«, antwortete er.

      Er schien immer noch ganz außer Atem zu sein. Der Geruch von Pferden hing in seinen Kleidern. Doch Margarete mochte ihn, er mischte sich mit dem Herings- und Salzgeruch Kopenhagens.

      Diese zwei Menschen hatten sie aufgesucht, weil sie ihnen helfen konnte – soviel hatte sie verstanden. Es hatte mit ihrem Herrn und mit Norwegen zu tun. Aber das konnte einfach nicht stimmen, sie mußten sich irren. Sie konnte doch gar nichts tun, sie hatte noch nicht einmal ihren Verlobungsring. Dennoch bat Eberstein sie, ihr in den kleinen Kräutergarten zu folgen. Sie setzte Margarete zwischen die beiden Fremden auf die Bank unter den Apfelbäumen. Sie wußte selbst nicht, warum, aber sie war weder beunruhigt noch ängstlich. Im Gegenteil, sie fühlte sich sicher und geborgen bei ihnen. Sie waren Gesandte der neuen Welt, in die sie sich bald begeben würde, nach der Hochzeit mit Håkon.

      Darum betrachtete sie die beiden jetzt eingehender: Der Mann war viel schlanker und zarter als ihr Vater, und sie war sehr überrascht, daß er weder Mönch noch Priester war. Er war sogar schlanker als die beiden Frauen an seiner Seite. Sie hatte zuvor noch nie ein so schönes Gesicht gesehen. Sie hatte große Lust, es zu berühren: seine schmalen, mageren Wangen, die langen Wimpern, die dunklen Augen und das goldgelockte schulterlange Haar.

      »Mein Schwager, Bengt Algotsson, wurde aus seiner Heimat Schweden aufgrund nicht bewiesener Gerüchte vertrieben«, sagte Frau Merete.

      Margarete überlegte, was diese Worte bedeuteten

      »Meine Flucht hat König Magnus daran gehindert, zur Verlobung nach Kopenhagen zu kommen«, fügte der Mann hinzu.

      König Magnus war ihr Schwiegervater und König von Schweden. Seinetwegen hatten sie das Kleid umgenäht. Es gab für sie keinen Grund, ihn gern zu haben. Ihre Schwiegermutter

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