Die Winterkönigin - Ein historischer Roman. Maria Helleberg

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Die Winterkönigin - Ein historischer Roman - Maria Helleberg

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hatte nicht mehr sehen können, denn dann waren andere Leute hereingestürzt. Sie hatten die kleinen stummen Babys zugedeckt und sie mit aus dem Zimmer genommen. Ihr waren die Augen zugehalten worden, sie hatte geschrien und in die Hand gebissen, die ihr die Sicht versperrte. Erst in den Armen ihres Vaters konnte sie sich wieder beruhigen, fest hatte sie seinen Hals umschlungen. Sie war sich so sicher gewesen, daß er sie beschützen und alles Böse und Unbegreifliche von ihr fernhalten würde.

      Aber nein. Er hatte ihren Griff gelöst und sie in die Arme anderer weitergereicht. Und dann war sie auf einmal von viel Lärm, Pferden, Dunkelheit und Fackeln umgeben gewesen, und sie hatte geweint. Kristoffer hatte versucht, es ihr zu erklären. Weil die zwei Kleinen gestorben waren, war ihr Leben in Gefahr. Vater hatte sie fortgeschickt, um ihr Leben zu retten.

      Nun saßen sie wieder hier, in dem gleichen Saal. Aber nichts war wie vorher, sie durfte ihre Mutter nicht berühren und hatte Angst, ihr in die Augen zu sehen. Ihre Mutter konnte zwar essen und trinken, aber ihr Vater wachte über jede ihrer Bewegungen. Er füllte ihren Becher und half ihr, das Fleisch in kleine Stücke zu schneiden. Und jedesmal, wenn sie ihre rechte Hand zum Mund führte, folgte sein Blick ihrer Bewegung.

      »Wir werden morgen weiterfahren«, sagte ihr Vater, während ihre Mutter sorgsam ihr Gesicht abwischte und immer und immer wieder ihre Hände in einer Schale wusch. Das war sein erster richtiger Satz gewesen, abgesehen von den Begrüßungen und Anweisungen an die Dienerschaft. Margarete beobachtete, wie ihre Mutter bei diesen Worten erstarrte und beide Hände auf den Tisch legte, obwohl sie noch naß waren.

      »Warum hast du keine Frau für Kristoffer?« fragte sie. Ihre Stimme klang fremd, so als hätte sie selbst vergessen, wie sie klang, und als würde sie nach ihr suchen. Kristoffer saß vollkommen still da. Er hoffte wohl, übersehen und vergessen zu werden, wenn er keinen Laut von sich gab.

      »Sieh ihn dir doch an«, sagte Vater. »Er muß sich erst wesentlich verbessern, bevor ich ihn zu Kaiser Karl schleppen und vorstellen kann.«

      »Aber Margarete kannst du verschenken, gerade einmal sechs Jahre alt«, erwiderte ihre Mutter. Margarete hatte genau hingesehen und eine Art Lächeln im Gesicht ihrer Mutter entdeckt. Während ihr Vater seine Frau die ganze Zeit über ansah, starrte die unentwegt in die Luft.

      »Und dann zu diesen Menschen!« fügte sie hinzu und lachte bitter auf. »Es gibt keine Sünde, die sie nicht begangen haben. Letztes Jahr noch wolltest du Magnus beim Papst anklagen und ihn verbannen lassen, und jetzt sollen wir ihn und seine verzogenen Söhne empfangen und ihnen unsere Kinder schenken. Ob Magnus seine Liebhaber mitbringt, was meinst du? Was ist mit dem Sohn, gegen den er Krieg führt? Wie kannst du auch nur daran denken, uns mit dieser sündigen schwedischen Brut und diesen häßlichen Menschen zu verbinden?«

      »Magnus begreift nur direkte Handlungen, die gegen ihn gerichtet sind«, sagte Vater in einem Tonfall, als spräche er mit einem Kind. »Und noch ist gar nichts entschieden. Wir behalten sie bei uns und können alles auch jederzeit rückgängig machen, wenn sie unseren Erwartungen nicht entsprechen.«

      »Du hast also gar nicht vor, den Vertrag einzuhalten?« fragte ihre Mutter. Sie wandte sich abrupt zu ihrem Mann und sah ihm in die Augen. »Du hast gar nicht vor, sie ihnen auszuhändigen? Habe ich es mir doch gedacht! Alle, die man zum Narren halten kann, sollen ruhig zum Narren gehalten werden. Alle, die man ausnutzen kann, sollen ruhig ausgenutzt werden. Glaubst du nicht, ich kenne dich? Alle Menschen sind nur für dich und deine Pläne da. Und wenn es nicht so geschieht, wie du es willst, dann schlägst du zu. Meiner willst du dich hoffentlich nicht so entledigen wie der drei bei Middelfart, die du hast töten lassen.«

      »Ich habe niemanden getötet!« schrie Margaretes Vater und blieb aufgelöst und mit offenem Mund sitzen. Seinen Arm, in dessen Hand er das Messer hielt, hatte er vor sich auf dem Tisch ausgestreckt, und die Klinge zeigte drohend nach oben. Diese Hand schien dem, was er soeben beteuert hatte, widersprechen zu wollen.

      Ihr Vater hörte nicht auf, sich zu erklären und sich zu verteidigen. Margaretes Mutter erhob sich geräuschvoll von ihrem Stuhl. Ihr Blick bat um Hilfe, und Kristoffer erhob sich auch sofort. Doch zu spät. Die Füße versagten ihr den Dienst, sie strauchelte und konnte sich gerade noch fangen. Ihr Mann rührte sich nicht von der Stelle. Sie winkte Kristoffer zu sich und ließ sich von ihm stützen. Stehend war sie eine weit weniger imposante Erscheinung, als es diese steife Statue am Tisch gewesen war.

      Erst jetzt erhob sich der König und gab dem Diener, der an der Tür gestanden und gewartet hatte, ein Zeichen. Ihre Mutter verließ den Saal, und auf einmal wimmelte es von Menschen, die den Tisch abräumten. Ihr Vater ging, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Margarete sah hinüber zu Kristoffer. Blaß und still saß er da und aß sein Brot, aber nur die weichen Krümel. Die harte Kruste blieb auf dem Tisch liegen, denn er hatte so empfindliche Zähne, und sein Zahnfleisch blutete schnell.

      Kurz darauf kam Eberstein zurück und holte sie. Aber dieses Mal nahm sie Margarete an der Hand, und das war viel besser, als getragen zu werden. Sie würden jetzt das schöne Kleid für den morgigen Tag anprobieren gehen, sagte sie.

      »Morgen werden wir in Kopenhagen ankommen«, fügte Eberstein hinzu, während sie ausgezogen und vermessen wurde. Sie bekam ein dünnes Hemdchen aus furchtbar hartem Stoff übergestreift, das so oft zusammengesteckt wurde, bis es ganz eng an ihrem Körper saß.

      Sie wollten sichergehen, daß das feine, edle Kleid, das sie darüber tragen würde, nicht beschädigt wurde. Vier junge Frauen saßen daran und nähten es für sie um. Es war Ingeborgs prächtiges Verlobungskleid, das sie nun erben würde. Ingeborg hatte es nur ein einziges Mal getragen, aber danach angekündigt, daß sie es auch zu ihrer Hochzeit tragen wolle.

      Als Ingeborg damals das Kleid bekommen hatte, war Margarete ganz krank und unglücklich vor Neid gewesen. Ihr Vater hatte keine Königskrone, und seine Kinder mußten jeden Tag mit grauen Wollkleidern herumlaufen und trugen ihre Schuhe so lange, bis sie in Stücke fielen. Sie aßen Grütze und andere einfache Gerichte und tranken ihr Bier mit Wasser verdünnt. Nur zu besonderen Anlässen gab es Pasteten und Wein. Mehr konnten sie sich nicht leisten.

      Sie hatte sich immer darüber gewundert, daß sie, Ingeborg und Kristoffer so viel ärmlicher lebten als die Kinder der Gutsherren. Wenn sie die Klöster oder die Höfe der Adligen besuchten, sah sie immer Kinder, die so feine Kleider trugen wie ihre Mutter. Jeden Tag aßen sie festlich und glaubten gewiß, daß es so auch im Hause des Königs zugehen würde.

      »Da kannst du einmal sehen, wie arm der König ist«, hatte ihr Vater immer gesagt, wenn sie nach einem solchen Besuch den Hof wieder verließen. Und sie hatte nie gewußt, ob er das gut oder schlecht fand. Aber sie wünschte sich so sehr schöne Kleider und schönen Schmuck. Sogar ihre Spielsachen waren alt.

      Ingeborgs Kleid hatte den ganzen Weg aus Italien hinter sich. Von dort kamen die Ballen mit dem weißen Stoff, in den Silberfäden und Perlen eingewirkt waren und der dann von Königin Helvigs Zofen und Kammerfrauen in dieses wunderschöne Kleid verwandelt wurde. Ingeborg hatten sie von Kopf bis Fuß vermessen, dann den Stoff ganz vorsichtig zugeschnitten und ihren Körper wie den einer Puppe darin eingenäht. Sie hatte zum Schluß wie ein Engel ausgesehen, mit ihren langen blonden Haaren, die ihr über die Schultern fielen. Aus der Domkirche zu Lund hatte Vater den goldenen Blumenkranz Unserer Gnädigen Frau geliehen, der über und über mit Juwelen besetzt war. Den trug Ingeborg auf ihrem goldenen Haar. Margarete hatte nicht mitbekommen, ob sie den Kranz auch dieses Mal wieder aus Lund hatten kommen lassen, aber vielleicht sollte es auch eine Überraschung sein.

      Schließlich zogen sie ihr ein ganz neues und sehr dünnes Hemdchen an und umhüllten sie dann mit dem silbrigen Stoff.

      Er roch trocken und duftete ein wenig nach Frühling. Doch er legte sich um ihren Körper

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