Die Winterkönigin - Ein historischer Roman. Maria Helleberg
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»Sie wurden aus ihrem Reich vertrieben«, hatte ihr Vater kurz angebunden geantwortet. Sie erfuhr jedoch nicht, von wem. Doch sie erinnerte sich noch, daß die jütländischen Adligen ihren Vater vertreiben wollten. Das war dasselbe Wort, es mußte auch dasselbe bedeuten. Diese Jütländer hatten ihren Vater in einer Schlacht verwundet. Er besiegte sie zwar, aber sie blieben gefährlich. Vielleicht hatten sie zuvor Magnus und Blanka aus Schweden vertrieben. Sie wollte später Vater dazu befragen.
»König Magnus wurde von seinem eigenen Sohn Erik vertrieben. Håkon hat seinen Eltern in Norwegen Bleiberecht gewährt. Aber das kann er nicht auch für mich tun. Ich muß mich versteckt halten, und König Valdemar hat mich hier unterkommen lassen. Doch ich kann hier nicht für immer bleiben. Ansonsten riskiert er einen Krieg mit den schwedischen Adligen und Krieg mit Erik. Ich besitze nichts mehr, mein Eigentum in Schweden wurde mir genommen. Ich kann nur in Norwegen in Sicherheit sein – wenn die zukünftige Königin von Norwegen mir Asyl gewährt.«
Trotz seiner Beschwerden kniete er erneut vor ihr nieder, so elegant er konnte.
Ihr Blick blieb an seiner Kleidung hängen. Er mußte tatsächlich sehr arm sein. Ihr Vater liebte es, sich mit Rüstungen, großen viereckigen Helmen mit gewaltigen Aufsätzen, schweren und pelzgefütterten Mänteln herauszuputzen. Er trug bevorzugt Kleidungsstücke, die seine Größe betonten. Aber wenn diese Pracht entfernt wurde, kamen die bunten Lappen, die zerrissenen Strümpfe und die alten Hemden zum Vorschein. Der Anblick, den andere zu sehen bekamen, der sollte erhaben und großartig sein, das, was keiner sonst sah, durfte ruhig abgetragen und schäbig sein.
Bei diesem Flüchtling nun war es genau andersherum. Seine Kleidung war schäbig und zerschlissen, aber er trug sie, als bestünde sie aus Seide, Brokat und teuersten Pelzen.
»Wer sind Sie?« fragte sie schließlich, und Frau Merete kniete sich neben ihn: »Das ist der Bruder meines Mannes, Bengt Algotsson«, erklärte sie und legte eine Hand auf seinen Arm. »Er wurde der schlimmsten Sünden wider die Natur angeklagt und aus seiner Heimat vertrieben. Liebe kleine Königin, werden Sie ihm in Norwegen Asyl gewähren?«
Sünden wider die Natur, das war etwas Neues. Ihre Mutter hatte etwas Häßliches über ihre Schwiegereltern gesagt, als sie über die Verlobung gesprochen hatten. Aber mehr wußte sie nicht. Vielleicht sollte sie einen ihrer Lehrer fragen. Aber nein, der Ausdruck klang so grauenerregend, daß er ihn erschrecken könnte. Sie würde auch das ihren Vater fragen, und keinen sonst.
»Ich bin Herzog von Finnland«, fügte er mit einem schiefen Lächeln hinzu, »und Statthalter von Schonen. Aber dort hat der neue schwedische König Erik ein Kopfgeld auf mich ausgeschrieben. Kleine Königin, ich habe die Meinen verraten, im Dienste und zum Guten des Königs, des rechten Königs, des Freundes Ihres Vaters und des Vaters Ihres Mannes. Werden Sie mir Obdach geben?«
Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und legte ihre Hand auf seine Wange. Mit Erstaunen stellte sie fest, daß seine Haut so weich wie ihre eigene war. Sie hörte nicht auf, ihn zu streicheln, er lachte leise und legte schließlich seine Hand auf die ihrige. Sie würde ihm mit dem größten Vergnügen Schutz und Bleibe gewähren, aber sie war doch ihrem Vater und Håkon untergeben, und die hatte der Herzog von Finnland bestimmt noch nicht gefragt. Sie waren zu ihr gekommen, weil sie noch ein Kind war.
Sie erkannte ihn wieder, den schönen Mann, den Herzog von Finnland. Er saß auf der Bank zwischen den Rosen. Die hatte Vater in Avignon vom Papst geschenkt bekommen, aber sie wollten hier in Kopenhagen nicht so recht wachsen. Sie sah ihn dort sitzen, nachdem sie die Turmtreppe heruntergelaufen war und mit großer Mühe die schwere Tür zum Garten geöffnet hatte. Sie verstand selbst nicht, warum sie ihn nicht sofort grüßte, sondern sich versteckte. Aber ihr war auf einmal bewußt, daß er nicht auf sie gewartet hatte.
Er saß sehr aufrecht und angespannt auf der Bank. Er erinnerte sie an Kristoffer, wenn Vater mit ihm schimpfte. Das Schwert hatte er zwischen seine Beine gestellt und die Hände auf den Schaft gestützt. So saß er und schaute gedankenversunken in den Garten.
Jemand kam die Treppen vom Salzhaus herunter. Es war König Magnus, ihr Schwiegervater. Er trug kein Schwert und war mit einem schweren zerschlissenen Gewand und langen Stiefeln für einen langen Ritt bekleidet. Der Herzog von Finnland sprang von der Bank auf und ließ sein Schwert fallen. Sie gingen aufeinander zu, als aber Magnus die Arme ausbreitete, um ihn zu begrüßen, stürzte der Herzog vor ihm auf die Knie und küßte seine Hand.
»Mein teurer Herr«, sagte er und sah zu ihm hoch.
Sie hörte Geräusche hinter sich und schloß die Tür, so leise sie konnte, und drehte sich kampfbereit um. Sie war bereit, sich jedem in den Weg zu stellen, der diese beiden Männer, die sich im Garten ihres Vaters getroffen hatten, stören wollte. Mein teurer Herr, das war die schönste Anrede, die sie jemals gehört hatte. So wollte sie Håkon begrüßen.
3.
Eines frühen Morgens auf Vordingborg bemerkte Margarete, daß sich etwas verändert hatte. Eberstein war damit beschäftigt, ihre Sachen durchzusehen. Alle Spielsachen waren in einen Sack gesteckt worden; die sollten bei ihrer Abreise an die Waisenkinder in den Klöstern verteilt werden. So hatte es der König befohlen, wie Eberstein ihren Vater nannte. Ihre Stimme hatte dabei immer einen drohenden Klang. Nie nannte sie ihn Valdemar, sie sprach immer nur vom König. Aber Margarete wollte an ihren Vater nicht als den König denken, und auch Valdemar klang so groß, kalt und angsteinflößend, daß sie dabei immer ihren Vater auf dem schwarzen gepanzerten Streithengst vor der Zugbrücke von Vordingborg sah.
»Muß alles weg?« fragte sie vorsichtig, und Eberstein nickte nur.
Margarete wußte genau, daß es keinen Zweck hatte, zu weinen und zu klagen, wenn ihr Vater einen Befehl gegeben hatte. Es war besser, gar nicht erst anzusehen, was Eberstein ihr alles wegnahm, und darum ging sie aus dem Zimmer. Von nun an würde das viele Gepäck, das ihr von Burg zu Burg folgte, immer weniger werden. Wenn sie doch nur schneller wachsen würde. Sie war immer noch so klein.
Als sie zurückkehrte, standen zwei Priester bei Eberstein und warteten auf sie. Eberstein wirkte erleichtert, sie zu sehen, und erklärte ihr, daß diese beiden Priester ihre Lehrer für Deutsch und Latein sein würden. Der König hätte es so bestimmt, da ihr diese Sprachen später von Nutzen sein würden. Im stillen hatte sie gehofft, daß Håkon doch noch erscheinen würde, aber er war nicht nach Vordingborg gekommen.
Als sie nach ihm fragte, erfuhr sie, daß sein Bruder Erik, der zum Aufstand gegen seinen eigenen Vater angestiftet hatte, tot sei. Möglicherweise hatten die Aufständischen sich seiner entledigt, vielleicht hatte ihn die Größe seines Vergehens und seiner Sünden umgebracht. Er war auf jeden Fall tot. Und dasselbe Schicksal hatten auch seine Frau Beatrix und die Zwillinge ereilt, die sie kurz vorher zur Welt gebracht hatte. Es hieß, daß die Pest in Schweden wütete. Beatrix war zuerst krank geworden und hatte ihren Mann angesteckt, als er sie und seine Söhne besuchte.
»Und warum kommt Håkon nicht?« platzte es aus ihr heraus. Eberstein reagierte, wie sie es immer tat. Sie zuckte mit den Schultern und verwies sie an ihren Vater. Margarete war sich sicher, daß Håkon, wäre es nach ihrem Vater gegangen, bereits bei dem mißglückten Verlobungsfest hätte anwesend sein sollen. Es mußte etwas anderes dazwischengekommen sein.
Als ihr Vater gegen Schonen in den Krieg zog, blieb sie zum ersten Mal in atemloser Spannung zurück. Bei seinem Feldzug gegen die aufständischen Jütländer hatte sie keinen Augenblick an seinem Sieg gezweifelt, aber sie hatte auch nicht die geringste Ahnung gehabt, was Krieg bedeutete.