Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 2. Augustinus von Hippo

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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 2 - Augustinus von Hippo Die Schriften der Kirchenväter

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schreibenden Griffel zerschlägt oder ein Schreibrohr zerbricht. Immerhin ist auch das etwas wie Rachelust, wenn auch eine ziemlich sinnlose, und nach einer Art, wie soll ich sagen, Aftervergeltung sollen dabei die Übeltäter Übles erfahren. Rachelust also ist das, was man Zorn heißt; Lust Geld zu haben, was man Habsucht, Lust um jeden Preis Recht zu behalten, was man Starrköpfigkeit, Lust sich zu rühmen, was man Prahlerei nennt. Und so gibt es viele und mannigfache Lüste, und manche davon haben auch ihren eigenen Namen, andere wieder nicht. Zum Beispiel würde man sich schwer tun, die Herrschlust mit einem Sonderausdruck zu benennen, die aber gleichwohl über tyrannische Gemüter eine verhängnisvolle Macht hat, wofür nichts Geringeres als die Bürgerkriege zeugen.

      

       16. Von dem Übel der Lust, eines Gebrechens, dessen Name zwar Sammelname ist für viele Laster, im besondern aber von den Regungen geschlechtlicher Art in Gebrauch ist.

      

      Es gibt also Lüste nach vielerlei Dingen; wenn jedoch von Lust schlechthin die Rede ist ohne Beifügung eines Gegenstandes, worauf sie sich richtet, so denkt man gewöhnlich nur an die Lust, durch welche die Schamteile aufgeregt werden. Diese Lust aber nimmt nicht nur den ganzen Leib, und zwar nicht äußerlich nur, sondern auch innerlich in Anspruch und regt den ganzen Menschen zumal auf, indem sich mit dem Begehren des Fleisches zugleich eine Gemütsbewegung verbindet und vermischt und so ein Genuß erfolgt, der unter den körperlichen Genüssen obenan steht; in einer Weise, daß in dem Augenblick, wo er seinen Höhepunkt erreicht, fast alles scharfe und umsichtige Denken niedergehalten wird. Aber jeder Freund der Weisheit und heiliger Freuden, der im Ehestande lebt, jedoch nach der Mahnung des Apostels[131] „sein Gefäß in Heiligkeit und Ehren zu besitzen weiß, nicht im Fieber der Begier, wie die Heiden auch, die Gott nicht kennen“, würde lieber, wenn es in seiner Macht stünde, ohne solche Lust Kinder erzeugen, so daß auch bei diesem Geschäft der Nachkommenschaftsgründung die hierfür erschaffenen Glieder in derselben Weise seinem Geiste dienstbar wären wie die übrigen je ihren besonderen Aufgaben dienenden Glieder, also nicht auf Anreizung durch hitzige Lust, sondern in Bewegung gesetzt durch den Wink des Willens. Aber selbst auch wer Freude hat an solchem Genuß, fühlt sich dazu nicht gerade immer dann angeregt, wann er will, gleichviel ob es sich um eheliche Beiwohnung oder um unlautere Schandtaten handelt; vielmehr stellt sich diese Regung mitunter ungestüm ein, ohne daß ihrer jemand begehrte, zuweilen läßt sie den danach Schmachtenden im Stich und bleibt die Begierde im Körper kalt, während sie im Gemüte heiß entbrannt ist; und so versagt merkwürdigerweise nicht nur dem Zeugungswillen, sondern selbst der geilen Lust die Lust den Dienst, und während sie sich dem zügelnden Geist in ihrer Ganzheit meist widersetzt, teilt sie sich in der Richtung auf sich zuweilen selbst und bringt zwar das Gemüt in Erregung, wird aber sich selber untreu, wenn es sich um die körperliche Erregung handelt.

      

       17. Die Nacktheit der ersten Menschen und die nach der Sünde eintretende Erkenntnis, daß man sich ihrer zu schämen habe.

      

      Mit Recht schämt man sich dieser Lust in hohem Grade, mit Recht werden die Glieder, die von ihr nach eigenem Rechte sozusagen, nicht in allweg nach unserer Willkür in Erregung gesetzt werden oder nicht, Schamglieder genannt, was sie vor der Sünde der ersten Menschen nicht waren. Denn diese „waren“, wie geschrieben steht[132] , „nackt und schämten sich nicht“, nicht als wäre ihre Nacktheit eine unbewußte gewesen, aber schändlich war die Nacktheit noch nicht, weil die Lust noch nicht des Willens ungefragt jene Glieder erregte, das Fleisch noch nicht von dem Ungehorsam des Menschen Zeugnis gab in seiner Art durch Ungehorsam seinerseits. Sie waren ja nicht blind erschaffen, wie man in Volkskreisen annimmt; denn Adam sah doch die Tiere, denen er die Namen beilegte[133] , und vom Weibe heißt es ausdrücklich[134] : „Da sah das Weib, daß der Baum gut sei zur Speise und anzuschauen eine Augenweide“. Ihre Augen waren also offen, aber nach der Richtung waren sie nicht geöffnet, will sagen, darauf waren sie nicht gerichtet, daß sie es als Folge des Gnadenkleides erkannt hätten, wenn ihre Glieder von einer Widersetzlichkeit gegen den Willen nichts wußten. Als diese Gnade gewichen war, entstand, um den Ungehorsam mit gleicher Strafe zu züchtigen, in der körperlichen Regung etwas Neues, Unschamhaftes, infolgedessen die Nacktheit unanständig wurde, und dieses Neue erregte ihre Aufmerksamkeit und machte sie beschämt. In diesem Sinne heißt es von ihnen nach der Verletzung des Gebotes Gottes durch offene Übertretung[135] : „Da öffneten sich die Augen beider und sie merkten, daß sie nackt seien, und sie flochten Feigenblätter ineinander und machten sich Schürzen“. „Die Augen beider öffneten sich“, heißt es, aber nicht zum Sehen, sie sahen ja vorher auch, sondern zur Unterscheidung zwischen dem Gute, das sie verloren hatten, und dem Bösen, dem sie verfallen waren. Deshalb hat auch der Baum selbst, weil er diese Unterscheidung herbeiführen sollte, wenn er zum Zweck des Genießens davon wider das Verbot berührt würde, eben daher seine Benennung erhalten; er hieß der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Ist man einmal die Lästigkeit des Krankseins inne geworden, so springt andrerseits die Annehmlichkeit des Gesundseins um so mehr in die Augen. „Sie merkten also, daß sie nackt seien“, entblößt nämlich der Gnade, die bewirkte, daß ihre Nacktheit sie nicht beschämte, indem kein Gesetz der Sünde in Widerspruch trat zu ihrem Geiste[136] . Sie merkten also etwas, was ihnen glücklicher verborgen geblieben wäre, wenn sie, gläubig und gehorsam ihrem Gott, nicht etwas begangen hätten, was sie das Unheil inne werden ließ, das Unglaube und Ungehorsam anstiften. Beschämt nun durch den Ungehorsam ihres Fleisches als durch die ihren eigenen Ungehorsam bezeugende Strafe, „flochten sie Feigenblätter zusammen und machten sich «campestria», d. i. Schamgürtel. Manche Übersetzer gebrauchen in der Tat hier das Wort Gürtel. Nun ist freilich „campestria“ ein im Lateinischen übliches Wort, aber es leitet sich davon her, daß die jungen Männer, die auf dem campus nackt ihre Übungen machten, ihre Scham bedeckten; im Volksmund heißen daher also Umgürtete campestrati. Die Sittsamkeit also bedeckte züchtig das, was durch die Lust zum Ungehorsam aufgereizt wurde wider den ob seines Ungehorsams gestraften Willen. Daher ist es allen Völkern — alle sind sie ja aus jenem Stamm entsprossen — so sehr angeboren, die Scham zu verhüllen, daß man bei manchen Barbaren nicht einmal im Bade diese Körperteile entblößt, sondern sich mit deren Umhüllung badet. Und die Philosophen, die in den dichten Wildnissen Indiens nackt philosophieren und deshalb die Gymnosophisten heißen[137] , bedienen sich ebenfalls einer Bedeckung für ihre Scham, obwohl sie sonst ganz nackt sind.

      

       18. Der Beischlaf ist ganz allgemein Gegenstand schamhaften Verhüllens, selbst auch der eheliche.

      

      Was aber die Ausübung dieser Art von Lust betrifft, so meidet dabei die Lust die Öffentlichkeit, und zwar nicht etwa bloß bei strafbaren Schändlichkeiten aller Art, wo man die Verborgenheit aufsucht, um sich der gesetzlichen Strafe zu entziehen, sondern auch beim Umgang mit Dirnen, einer Schmach, die der irdische Staat zu einer erlaubten gemacht hat. Auch hier also, wo es sich um etwas handelt, was kein Strafgesetz dieses Staates ahndet, entzieht sich die verstattete und straffreie Lust doch dem Auge der Öffentlichkeit, und aus natürlichem Schamgefühl haben die schlechten Häuser Heimlichkeit vorgesehen, und wenn es auch der Unzucht gelang, die Fesseln des Verbotes zu sprengen, so ließ doch eine gewisse Züchtigkeit es nicht zu, die Verborgenheit des Schlupfwinkels aufzugeben für solche Schmach. Die Schändlichen selbst vielmehr nennen diese Schmach eine Schändlichkeit, und so sehr sie sie lieben, wagen sie doch nicht, öffentlich damit ans Tageslicht zu treten. Aber selbst das eheliche Beilager, das nach den Vorschriften der Ehegesetztafeln zur Gewinnung von Nachkommenschaft vollzogen wird, sucht nicht auch dieses, obwohl es erlaubt und ehrbar ist, die Heimlichkeit des zeugenlosen Schlafgemaches auf? Werden nicht alle Diener und sogar die Brautführer und wem sonst noch irgendein Geschäft den Zutritt gewährte,

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