Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 2. Augustinus von Hippo

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 2 - Augustinus von Hippo страница 13

Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 2 - Augustinus von Hippo Die Schriften der Kirchenväter

Скачать книгу

herantritt, der möge seine Schuld, nicht aber die Natur verabscheuen, die Wirkungen seiner Schamlosigkeit brandmarken und nicht die Worte, die wir nicht umgehen können. Der züchtige und gottselige Leser oder Hörer wird mir darin leicht Nachsicht gewähren, solange bis ich den Unglauben zurückgewiesen habe, der eben dem Gebiete der Sinneserfahrung seine Beweise entnimmt, nicht dem Glauben an übersinnliche Dinge. Denn wer sich nicht über den Apostel entsetzt, welcher entsetzliche Schandtaten von Weibern rügt[151] , die „den natürlichen Gebrauch vertauschten mit dem, der wider die Natur ist“, der liest auch unsere Darlegungen ohne Ärgernis, zumal da wir hier nicht in Erwähnung und Rügung verwerflicher Unzucht dem Apostel folgen, wohl aber darin, daß wir bei Darlegung von Begleitumständen des menschlichen Zeugungsvorgangs gleich ihm unzüchtige Worte vermeiden.

      

       24. Wären die Menschen schuldlos und zum Lohn für geleisteten Gehorsam im Paradiese verblieben, so würden sie sich der Zeugungsglieder in derselben Weise bedient haben zur Gewinnung von Nachkommenschaft wie der übrigen Glieder, nämlich nach dem Machtspruch des Willens.

      

      Es würde also der Mann Nachkommenschaft zeugen, das Weib sie aufnehmen, mit Zeugungsgliedern, die durch den Willen, wann und soviel es nötig wäre, in Bewegung gesetzt, nicht durch Lust zur Erregung gebracht würden. Wir bewegen ja nicht bloß solche Glieder nach Belieben, deren Teile aus festen Knochen bestehen, wie die Hände und Füße und Finger, sondern ebenso vermögen wir auch die Glieder, die aus weichen Muskeln und Sehnen bestehen und daher schlaff sind, nach unserm Willen hin und her zu bewegen, auszudehnen und zu strecken, zu drehen und zu wenden, zusammenziehend zu verhärten, wie denn der Wille z. B. die Mund- und Gesichtsmuskeln bewegt, so gut er kann. Selbst auch die Lungen, nächst dem Mark die weichsten Eingeweide und deshalb in der Brusthöhle geborgen, sind wie Blasebälge der Schmiedstätten oder der Orgeln dem Willen dienstbar zum Ein- und Ausatmen, zum Sprechen, Schreien, Singen. Und manchen Tieren ist es, wie ich im Vorbeigehen erwähnen möchte, von Natur aus gegeben, ihre den ganzen Körper bedeckende Haut nur an der Stelle zu bewegen, wo sie etwas zu Verscheuchendes verspüren, und durch solch zitternde Bewegung der Haut nicht nur Mücken, sondern selbst darin steckende Speere abzuschütteln. Der Mensch kann das nicht, aber deshalb stand es doch im Belieben des Schöpfers, solche Fähigkeit anderen Lebewesen zu verleihen nach seinem Gutdünken. Ebenso nun konnte sich auch der Mensch seinerseits des Gehorsams auch niedrigerer Glieder erfreuen, dessen er dann durch eigenen Ungehorsam verlustig ging. Denn es war nicht schwer für Gott, den Menschen so zu erschaffen, daß in seinem Fleische auch das, was jetzt nur durch die Lust bewegt wird, nur durch seinen Willen bewegt worden wäre.

      Wir wissen ja, daß sich bei manchen Menschen natürliche Beschaffenheiten finden, die von den regelmäßigen weit abweichen und wegen ihres seltenen Vorkommens angestaunt werden; ich denke da an Menschen, die an ihrem Leibe allerlei nach Belieben vornehmen, was andere nicht können und auf bloßes Erzählen hin kaum glauben wollen. So gibt es Leute, die die Ohren bewegen können, jedes für sich oder beide zumal. Oder Leute, die die ganze Kopfhaut, soweit die Haare reichen, an die Stirne vorschieben und wieder zurückziehen nach Belieben, ohne den Kopf zu bewegen. Andere wieder holen von einer Unmasse der verschiedensten Dinge, die sie verschlungen haben, beliebige Gegenstände unversehrt wie aus einem Geldbeutel hervor und drücken dabei nur ein wenig das Zwerchfell. Manche ahmen die Stimmen von Vögeln oder von Haustieren oder von Mitmenschen, wer es auch sei, so täuschend nach, daß man es unmöglich unterscheiden kann, wenn man sie nicht sieht. Andere geben aus ihrem Inneren ohne allen Gestank nach Belieben Laute in so großer Zahl von sich, daß man meinen könnte, sie sängen auch von dieser Seite her. Ich selbst habe einen Menschen beobachtet, der in Schweiß zu geraten pflegte, wenn er wollte. Bekannt ist, daß manche weinen, wenn sie wollen, und sogar reichlich Tränen vergießen. Weit seltsamer aber ist etwas anderes, was viele Brüder in jüngster Zeit sich zutragen sahen. Im Sprengel der Kirche von Calama[152] lebte ein Priester namens Restitutus. Der vermochte sich, wenn es ihm beliebte [es geschah auf Bitten solcher, die Augenzeugen des merkwürdigen Vorgangs zu sein wünschten], auf nachgeahmtes Wehklagen hin in einen Zustand der Empfindungslosigkeit zu versetzen und lag dann da wie ein Toter, so daß er nicht nur keinen Kniff und Stich spürte, sondern sich mitunter selbst von Feuer brennen ließ ohne jegliches Schmerzgefühl, nur daß nachher die Wunde schmerzte. Und dabei war sein Leib nicht etwa aus Standhaftigkeit bewegungslos, sondern aus Empfindungslosigkeit, wie sich daran zeigte, daß wie an einem toten Leibe kein Atem festgestellt werden konnte; jedoch vernahm er die menschliche Stimme, wenn man ziemlich laut sprach, wie aus der Ferne, so versicherte er nach dem Erwachen. Wenn also selbst gegenwärtig der Leib mancher Menschen, die auch im vergänglichen Fleische ihr mühseliges Leben hienieden hinbringen, auf solch merkwürdige Weise außerhalb der gewöhnlichen Art der Natur sich dienstbar erweist in mannigfachen Bewegungen und Zuständen, warum sollten wir nicht glauben, daß vor der Sünde des Ungehorsams und der Strafe der Verderbtheit die Glieder des Menschen dem Willen des Menschen zur Erzeugung von Nachkommenschaft ohne jede geschlechtliche Lust hätten dienstbar sein können? Es wurde also der Mensch, da er Gott aus Wohlgefallen an sich selber verlassen hatte, sich auch selber überlassen, und, ungehorsam gegen Gott, war er nun auch nicht mehr imstande, sich selbst zu gehorchen. Der Mensch lebt also nicht, wie er will, und dadurch ist das Elend handgreiflich geworden. Denn würde er leben, wie er will, so würde er sich für glücklich halten, was er freilich auch so nicht wäre, wenn er schmählich lebte.

      

       25. Wahre Glückseligkeit wird dem Menschen im irdischen Leben nicht zuteil.

      

      Wenn wir indes genauer zusehen, lebt nur der Glückselige, wie er will, und ist nur der Gerechte glückselig. Jedoch auch der Gerechte wird erst leben, wie er will, wenn er dorthin gelangt ist, wo er überhaupt nicht sterben, sich irren und zu Schaden kommen kann und überdies die Gewißheit hat, daß es immer so bleibt. Dies verlangt die Natur, und nur die Stillung dieses Verlangens kann sie ganz und vollkommen glückselig machen. Aber wer könnte hienieden leben, wie er will, da doch niemand auch nur zu leben in seiner Gewalt hat? Leben will jeder, und jeder muß sterben. Wie kann da die Rede sein von leben, wie man will, wenn man nicht lebt, solang man will? Und wenn einer sterben will, so kann erst recht nicht von leben, wie man will, die Rede sein; ein solcher will ja überhaupt nicht leben. Sollte er aber nicht aus Überdruß am Leben sterben wollen, sondern aus Sehnsucht nach einem besseren Leben jenseits des Todes, so lebt er also jetzt noch nicht so, wie er will, sondern erst dann, wenn er durch Sterben zu dem gelangt ist, was er will. Aber gut, es lebe einer so, wie er will, nachdem er es über sich gebracht und sich streng auferlegt hat, nicht zu wollen, was er nicht kann, und nur das zu wollen, was er kann[153] sagt: „Da doch nicht geschehen kann, was du willst, so wolle, was du kannst“, so ist ein solcher deshalb noch nicht glückselig, weil er in Geduld unglücklich ist. Ein glückseliges Leben hat man ja nur, wenn man es auch liebt. Liebt man es aber und hat man es, so muß man es mehr als alles andere lieben, weil um seinetwillen alles, was man sonst liebt, liebenswert ist. Liebt man es nun nach Verdienst [und glückselig ist nur, wer das glückselige Leben auch nach Verdienst liebt], so schließt das von selbst das Verlangen in sich, es möge ewig sein. Nur dann also wird es ein glückseliges Leben sein, wenn es ein ewiges sein wird.

      

       26. Der Glückszustand des paradiesischen Daseins hätte es verstattet, den Zeugungsakt ohne beschämendes Verlangen vorzunehmen.

      

      Es lebte also der Mensch im Paradiese so, wie er wollte, solang er wollte, was Gott befohlen hatte; er lebte im Genusse Gottes, und aus diesem Gute floß seine eigene Gutheit; er lebte ohne allen Mangel und hatte es dadurch in seiner Gewalt, immer zu leben. Da gab es Speise, damit ihn nicht hungere, und Getränk, damit ihn nicht dürste, und einen Baum des Lebens, damit ihn nicht das Alter aufreibe. Nichts von Vergänglichkeit

Скачать книгу