Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 2. Augustinus von Hippo

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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 2 - Augustinus von Hippo Die Schriften der Kirchenväter

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werden von ihnen durch Gottes Hand geheilt.

      

      Ein krankhafter Zustand nämlich ist der bezeichnete, genauer diese Unbotmäßigkeit, wovon wir im vierzehnten Buch gehandelt haben[178] , die Strafe für die erste Unbotmäßigkeit; und darum nicht der natürliche Zustand, sondern ein Gebrechen[179] . Deshalb wird den Guten, die voranschreiten und aus dem Glauben leben auf der irdischen Wanderschaft, das Wort zugerufen[180] : „Traget gegenseitig eure Lasten, und so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“; und an anderer Stelle[181] : „Weiset zurecht die Unruhigen, tröstet die Kleinmütigen, nehmet euch der Schwachen an, habet Geduld mit allen; sehet zu, daß nicht einer dem andern Böses mit Bösem vergelte“; und wiederum[182] : „Die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn“; und im Evangelium[183] : „Hat dein Bruder wider dich gesündigt, so weise ihn zurecht unter vier Augen“; hinwieder von Sünden, die es notwendig machen, weitgreifendem Ärgernis vorzubeugen, sagt der Apostel[184] : „Die Fehlenden weise zurecht im Angesicht aller, damit die übrigen Scheu haben“. Deshalb sind auch über die Pflicht gegenseitiger Verzeihung viele und dringende Vorschriften erlassen zur Erhaltung des Friedens, ohne den niemand Gott wird schauen können[185] . Hierher gehört jenes schreckliche Gleichnis[186] , wonach der Knecht die zehntausend Talente Schulden zu zahlen hat, die ihm bereits erlassen worden waren, weil er seinem Mitknecht eine Schuld von hundert Talenten nicht erließ; und an dieses Gleichnis knüpfte der Herr Jesus die Worte: „So wird auch mein himmlischer Vater mit euch verfahren, wenn ihr nicht, ein jeder seinem Bruder, von Herzen verzeihet“. Auf solche Weise werden sie geheilt, die hienieden pilgernden und nach dem Frieden des himmlischen Vaterlandes seufzenden Bürger des Gottesstaates. Der Heilige Geist aber wirkt innerlich, damit die äußerlich angewendete Arznei etwas ausrichte. Ohne diese innere Gnade, mit der Gott den Geist leitet und antreibt, hilft dem Menschen alle Verkündigung der Wahrheit nichts, auch wenn Gott selbst, eines ihm ergebenen Geschöpfes sich bedienend, in irgendeiner menschlichen Gestalt zu den Sinnen des Menschen redete, sei es zu denen des Leibes oder zu den ganz ähnlichen, wie sie im Schlafe wach sind. Die Gnadenwirkung aber läßt Gott eintreten zur Scheidung zwischen den Gefäßen der Erbarmung und denen des Zornes, nach einer Erwägung, durch die er sie kennt, die in tiefes Geheimnis gehüllt, jedoch gerecht ist. Mit Gottes Hilfe nämlich, die sich auf verschiedene wunderbare und verborgene Weise betätigt, wendet sich der Mensch, wenn die Sünde, die in unsern Gliedern wohnt und richtiger nur mehr Strafe der Sünde ist, nach der Weisung des Apostels[187] nicht herrscht in unserm sterblichen Leibe und dessen Gelüsten uns dienstbar macht und wir ihm unsere Glieder nicht als Werkzeuge der Ungerechtigkeit hingeben, zu seinem Geiste hin, der ihm nun unter Gottes Leitung zum Bösen nicht mehr zustimmt, und wird so hienieden diesen seinen beherrschenden Geist in größerer Ruhe erhalten, dann aber, nach Erlangung vollkommener Gesundheit und Unsterblichkeit, ohne alle Sünde in ewigem Frieden herrschen.

      

       7. Die Ursache der Freveltat Kains und die Hartnäckigkeit, die sich darin offenbart, daß er sich nicht einmal durch Gottes Mahnung von dem geplanten Verbrechen abbringen ließ.

      

      Was frommte jedoch einem Kain die eben gekennzeichnete Herablassung Gottes, das Sprechen Gottes zu ihm in der Weise, wie Gott mit den ersten Menschen sprach wie einer ihresgleichen durch Vermittlung eines ergebenen Geschöpfes? Hat er nicht trotz der göttlichen Mahnung das geplante Verbrechen gleichwohl ausgeführt und seinen Bruder ermordet? Da nämlich Gott zwischen den Opfern der beiden einen Unterschied machte, auf das des einen sah, auf das des andern nicht — was man ohne Zweifel an irgendeinem sichtbaren Zeichen erkennen konnte — und es deshalb so machte, weil die Werke Kains böse waren, die seines Bruders dagegen gut[188] , da betrübte sich Kain gar sehr und sein Angesicht fiel ein. Es heißt nämlich in der Heiligen Schrift[189] : „Und der Herr sprach zu Kain: Warum bist du traurig geworden und warum ist dein Angesicht eingefallen? Wenn du zwar recht opferst, nicht aber im Teilen recht verfährst, hast du dann nicht gesündigt? Steh' ab! Denn zu dir die Hinkehr und du wirst darüber herrschen.“ In dieser Ermahnung oder Warnung, die Gott an Kain ergehen ließ, ist dunkel die Stelle: „Wenn du zwar recht opferst, nicht aber im Teilen recht verfährst, hast du dann nicht gesündigt?“ Es ist nicht klar, warum und wovon das gesagt ist, und die Dunkelheit dieser Stelle hat zu vielerlei Auffassungen geführt in dem Bestreben der Ausleger der Heiligen Schrift, sie nach der Glaubensregel[190] zu deuten. Recht wird das Opfer dargebracht, wenn es dem wahren Gott dargebracht wird, dem allein Opferdienst gebührt. Nicht recht aber verfährt man im Teilen, wenn man nicht richtig unterscheidet die Stätten oder die Zeiten oder die Opfergaben selbst oder den Opfernden oder den Opferempfänger oder die, an welche das Geopferte zum Verzehren ausgeteilt wird. Dabei wäre also Teilung hier im Sinne von Unterscheidung gebraucht; es wäre also gemeint, daß man opfert an einer Stätte, wo man nicht opfern soll, oder etwas opfert, was man nicht an dieser, sondern an anderer Stätte opfern soll, oder daß man opfert zu einer Zeit, da man nicht opfern soll, oder etwas opfert, was man nicht jetzt, sondern ein andermal opfern soll, oder daß man etwas opfert, was man überhaupt nirgends und niemals opfern soll, oder daß der Mensch Besseres der gleichen Art für sich behält und Schlechteres Gott opfert oder ein Unheiliger oder sonst ein Unrechter Anteil erhält an dem Geopferten. Wodurch von alldem Kain Gottes Mißfallen erweckt hat, läßt sich nicht leicht feststellen. Indes der Apostel Johannes sagt, wo er von den beiden Brüdern spricht[191] : „Nicht wie Kain aus dem Bösen war und seinen Bruder erschlug; und um welcher Sache willen erschlug er ihn? Weil seine Werke böse waren, die seines Bruders dagegen gerecht“: damit wird zu verstehen gegeben, daß Gott deshalb Kains Gabe nicht ansah, weil Kain mit ihr selbst eine schlechte Teilung vornahm, indem er Gott etwas von dem Seinigen gab, sich selbst aber für sich zurückbehielt. Und so machen es alle, die, ihrem eigenen Willen folgend, nicht dem Gottes, d. h. verkehrten, und nicht geraden Herzens lebend, gleichwohl Gott eine Gabe darbringen, womit sie ihn zu erkaufen meinen, daß er ihnen beistehe, aber nicht zur Besserung, sondern zur Befriedigung ihrer verderbten Neigungen. Und das ist ein Merkmal des Weltstaates, daß man hier Gott oder Götter verehrt, um mit ihrer Hilfe die Herrschaft auszuüben in Siegen und irdischem Frieden, und sie auszuüben um ihrer selbst willen, aus Herrschsucht, nicht aus liebender Fürsorge. Die Guten gebrauchen nämlich die Welt, um Gott zu genießen, die Bösen aber wollen umgekehrt Gott gebrauchen, um die Welt zu genießen; freilich nur die unter ihnen, die noch an das Dasein Gottes und an Beziehungen Gottes zu den menschlichen Dingen glauben. Denn es gibt noch viel Schlechtere, die auch daran nicht glauben. Nachdem nun Kain inne geworden war, daß Gott das Opfer seines Bruders ansah, das seine aber nicht, hätte er natürlich sich ändern und dem Bruder nachahmen sollen, statt in Selbstüberhebung eifersüchtig auf ihn zu werden. Aber er betrübte sich und sein Angesicht fiel ein. Diese Sünde ahndet Gott am meisten, die Traurigkeit über das Gutsein des Nächsten, noch dazu des eigenen Bruders. Das zu rügen also fragte er ihn: „Warum bist du betrübt und warum ist dein Angesicht eingefallen?“ Daß er neidisch auf den Bruder schaute, das sah Gott und das rügte er. Menschen freilich, die ja nicht hineinschauen können in das Herz des Nächsten, hätten darüber im Zweifel und völlig im Ungewissen sein können, ob sich diese Traurigkeit auf die eigene Bosheit bezog, in der er Gott mißfallen hatte, wie ihm klar geworden war, oder auf die Gutheit seines Bruders, die Gott wohlgefiel, da er auf dessen Opfer sah. Gott jedoch machte kund, wie sehr sich Kain neuerdings ins Unrecht setzte, indem er seinen gerechten Bruder ohne Veranlassung haßte; er gab den Grund an, weshalb er Kains Opfer nicht annehmen wollte, damit dieser, statt unbegründeterweise an seinem Bruder, doch an sich selbst, wozu er allen Grund hatte, Mißfallen fände, da er ungerecht war durch unrichtiges Teilen, d. i. durch sündhaftes Leben, und mit seiner Gabe keine Billigung verdiente.

      Gleichwohl entließ er ihn nicht ohne eine heilige, gerechte und gute Aufforderung: „Laß ab“, sprach er, „denn zu dir die Hinkehr und du wirst darüber herrschen“. Worüber? Etwa über den Bruder? Sicher nicht. Vielmehr über die Sünde, Denn vorhergeht: „Du hast gesündigt“, und unmittelbar daran schließen sich die Worte: „Steh’

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